Lenore Doolan, a food writer for the New York Times, meets Harold Morris, a photographer, at a halloween party in 2002. He is dressed as Harry Houdini. In Leanne Shapton's marvellously inventive and invented auction catalogue, the 325 lots up for auction are what remain from the relationship between Lenore and Harold (who aren't real people, but might as well be). Through photographs of the couple's personal effects - the usual auction items (jewellery, fine art, and rare furniture) and the seemingly worthless (pyjamas, Post-it notes, worn paperbacks) - the story of a failed love affair vividly and cleverly emerges. From first meeting to final separation, the progress and rituals of intimacy are revealed through the couple's accumulated relics and memorabilia. And a love story, in all its tenderness and struggle, emerges from the evidence that has been left behind, laid out for us to appraise and appreciate. In Important Artifacts and Personal Property from the Collection of Lenore Doolan and Harold Morris Leanne Shapton invites us to contemplate what is truly valuable, and to consider the art we make of our private lives.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2009Wir finden immer nur die Dinge
Was von der Liebe bleibt: Leanne Shapton hat in einem fiktiven Auktionskatalog die alte Geschichte von der Frau und dem Mann, die sich finden und verlieren, neu erzählt.
VON LISA ZEITZ
Liebesgeschichten nehmen in der Literatur alle möglichen Formen an, aber das hat es bisher noch nicht gegeben: Ein fiktiver Auktionskatalog bildet den Rahmen für die zwei Romanfiguren der Autorin Leanne Shapton. Sie erzählt anhand von mehr als 300 Losnummern mit Abbildungen und Kurzbeschreibungen den romantischen Anfang einer Beziehung, ihre Blüte und ihr Scheitern.
"Important Artifacts and Personal Property from the Collection of Lenore Doolan and Harold Morris, Including Books, Street Fashion and Jewelry" heißt der erfundene Katalog des erfundenen Auktionshauses "Strachan & Quinn Auctioneers". Er knüpft an andere, wirkliche Versteigerungen an, in denen sich das Privatleben der Einlieferer in Glück oder Unglück widerspiegelt. Tatsächlich hat die Schauspielerin Ellen Barkin im Jahr 2006 ihre Juwelen bei Christie's in New York versteigern lassen, mit denen ihr milliardenschwerer Exmann Ron Perelman sie zu guten Zeiten beglückt hatte, und in diesem Frühjahr konnten die Zuschauer bei der Pariser Jahrhundertauktion mit Kunstwerken und Möbeln von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé das Leben zweier Sammler Revue passieren lassen.
Ein Zitat von Novalis steht Shaptons Katalog voran: "Wir suchen überall das Unbedingte, und finden immer nur Dinge." Und so sind es eben auch hier die Gegenstände, die von der Suche nach der Liebe künden: verspielte Geschenke, vielversprechende Notizen auf Hotelbriefpapier, niedlicher Nippes, Badehosen (Taxe 30/60 Dollar), immer wieder vielsagende Bücher, zwei Paar Holzschuhe (30/50 Dollar), gerahmte Bilder und lose Polaroidfotos, ein ausgestopftes Eichhörnchen (50/75 Dollar), Nackenstützen und Kochbücher, Schlafanzüge, ein Persianermantel, Salz- und Pfefferstreuer, gemeinsam bemalte Ostereier und ein kitschiges Weihnachtsbäumchen. Sie alle erzählen vom gegenseitigen Kennenlernen und vom Versuch, miteinander zu leben. Dabei geht die Poesie der Dinge bis ins Zwanghafte und schwebt geradezu unheilvoll über dem Paar. Die Form des Auktionskatalogs an sich ist durchweht vom Geist der Vergänglichkeit.
Die ersten zwei Lose stellen die Protagonisten vor: Polyglott und kreativ sind sie, gutaussehend, aber uneitel. Ein schräger Schnappschuss der hübschen Lenore Doolan im Alter von 26 Jahren, "an ihrem Schreibtisch im Büro der ,New York Times'", und ein banales Passfoto des 39 Jahre alten Fotografen Harold Morris, "aufgenommen vor einer beruflichen Reise in die Philippinen", sind jeweils auf moderate zehn bis zwanzig Dollar taxiert. Nur fünf bis zehn Dollar soll die Einladung zu einer Halloweenparty des Jahres 2002 kosten - und schon folgen Fotos von eben dieser Party, darunter auch "die erste bekannte Aufnahme von Morris und Doolan zusammen", beide im Kostüm, sie als berüchtigte Mörderin Lizzie Borden mit blutbesudelter Bluse, er als Entfesslungskünstler Harry Houdini zu später Stunde mit gelockerter Fliege (25/30 Dollar.) Die prosaische Zustandsbeschreibung "mit Reißzweckenlöchern in den Ecken" lässt darauf schließen, dass dieses Foto für eine Weile in Ehren gehalten wurde. "Er klingt gut", heißt es in einem Brief von Ann Doolan an ihre Schwester Lenore auf rosafarbenem Papier (15/20 Dollar), "aber sollten wir uns Sorgen machen, dass er als Houdini verkleidet war? Vielleicht wird er nun immer um Dich herumgeistern? Oder er wird einfach verschwinden?" Eine zerknitterte Serviette, auf die mit Kugelschreiber eine E-Mail-Adresse notiert wurde, weist auf weitere Kontakte hin. Kleine Geschenke folgen, Kinokarten, ein Hemd, ein "Scrabble"-Spiel, Musik-CDs und Schallplatten. Alles hat Stil und Geschmack.
Verschiedene Souvenirs zeugen von schönen Nächten im New Yorker St. Regis Hotel und dem Chateau Marmont in Los Angeles. Doch Zweifel kommen auf, als ein Freund an Harold schreibt, ". . . das machst Du immer, Du fängst eine neue Beziehung an, und dann vermisst Du Deine Exfreundin. Das ist doch verrückt . . .". Der Brief ist eine Beigabe zu Alain Robbe-Grillets Roman "The Voyeur" und trägt eine Taxe von 12 bis 25 Dollar.
Harold lässt einen silbernen Tortenheber (50/60 Dollar) für Lenore mit den Worten "Bravo Buttertart" gravieren, als sie befördert wird und von nun an regelmäßig eine Kolumne über Kuchen und Torten zu schreiben hat. Auch einige ihrer Artikel kommen unter den Hammer, und es ist amüsant zu verfolgen, wie die Rezepte mit dem Niedergang ihrer Beziehung schwerer und bitterer werden. Harold ist ständig auf Reisen (Waschbeutel mit diversem Inhalt: 40/55 Dollar), er trinkt (vier Art-déco-Martini-Gläser: 40/60 Dollar) und raucht (sechs Aschenbecher: 20/40 Dollar). Sie ist launisch und empfindlich (Autographen Nr. 1247 bis 1249: 10/20 Dollar). Auch im Gekritzel auf einem Theaterprogramm deuten sich Schwierigkeiten an (10/15 Dollar). Er will einen Cheeseburger, sie nicht. Und dann ist da der Regenschirm, den Lenores Exfreund Hugh Nash bei ihr vergessen hat, grün mit braunem Ledergriff (10/20 Dollar), und eine Reise nach Venedig zu ihrem Geburtstag, die in Tränen endet. Auf Streit folgen Versöhnungen: zerbrochenes Porzellan und teure Weinflaschen. Eine Weile scheint es wieder gutzugehen, und sie zieht sogar bei Harold ein. Doch schließlich zerbricht die Beziehung nach vier Jahren vollends. Die Auktion endet mit Los Nummer 1332, "gepressten vierblättrigen Kleeblättern unterschiedlicher Herkunft, aus der Sammlung von Lenore Doolan, 20/45 Dollar".
Der Berlin Verlag plant für das kommende Jahr eine deutsche Übersetzung, und auch die Filmrechte sind schon vergeben: Brad Pitt und Natalie Portman sollen das romantische Paar spielen. Ist es denn wirklich aus und vorbei mit Harold und Lenore? Noch vor der ersten Losnummer publiziert das fiktive Auktionsteam Strachan & Quinn zum Geleit den Text einer Postkarte jüngeren Datums: "Als wir uns vor einem Jahr zufällig in der Oyster Bar getroffen haben, hast Du mich gefragt, ob ich jemals das Ende einer Beziehung bereut habe", schreibt Harold: "Damals habe ich nichts gesagt, aber ich wünschte, ich hätte ja gesagt. Ja, du. Das wäre meine Antwort."
Leanne Shapton: "Important Artifacts and Personal Property from the Collection of Lenore Doolan and Harold Morris, Including Books, Street Fashion, and Jewelry". Sarah Crichton Books, Farrar, Straus and Giroux, New York 2009. 136 S., zahlr. Schwarzweiß-Abb. brosch., 18 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was von der Liebe bleibt: Leanne Shapton hat in einem fiktiven Auktionskatalog die alte Geschichte von der Frau und dem Mann, die sich finden und verlieren, neu erzählt.
VON LISA ZEITZ
Liebesgeschichten nehmen in der Literatur alle möglichen Formen an, aber das hat es bisher noch nicht gegeben: Ein fiktiver Auktionskatalog bildet den Rahmen für die zwei Romanfiguren der Autorin Leanne Shapton. Sie erzählt anhand von mehr als 300 Losnummern mit Abbildungen und Kurzbeschreibungen den romantischen Anfang einer Beziehung, ihre Blüte und ihr Scheitern.
"Important Artifacts and Personal Property from the Collection of Lenore Doolan and Harold Morris, Including Books, Street Fashion and Jewelry" heißt der erfundene Katalog des erfundenen Auktionshauses "Strachan & Quinn Auctioneers". Er knüpft an andere, wirkliche Versteigerungen an, in denen sich das Privatleben der Einlieferer in Glück oder Unglück widerspiegelt. Tatsächlich hat die Schauspielerin Ellen Barkin im Jahr 2006 ihre Juwelen bei Christie's in New York versteigern lassen, mit denen ihr milliardenschwerer Exmann Ron Perelman sie zu guten Zeiten beglückt hatte, und in diesem Frühjahr konnten die Zuschauer bei der Pariser Jahrhundertauktion mit Kunstwerken und Möbeln von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé das Leben zweier Sammler Revue passieren lassen.
Ein Zitat von Novalis steht Shaptons Katalog voran: "Wir suchen überall das Unbedingte, und finden immer nur Dinge." Und so sind es eben auch hier die Gegenstände, die von der Suche nach der Liebe künden: verspielte Geschenke, vielversprechende Notizen auf Hotelbriefpapier, niedlicher Nippes, Badehosen (Taxe 30/60 Dollar), immer wieder vielsagende Bücher, zwei Paar Holzschuhe (30/50 Dollar), gerahmte Bilder und lose Polaroidfotos, ein ausgestopftes Eichhörnchen (50/75 Dollar), Nackenstützen und Kochbücher, Schlafanzüge, ein Persianermantel, Salz- und Pfefferstreuer, gemeinsam bemalte Ostereier und ein kitschiges Weihnachtsbäumchen. Sie alle erzählen vom gegenseitigen Kennenlernen und vom Versuch, miteinander zu leben. Dabei geht die Poesie der Dinge bis ins Zwanghafte und schwebt geradezu unheilvoll über dem Paar. Die Form des Auktionskatalogs an sich ist durchweht vom Geist der Vergänglichkeit.
Die ersten zwei Lose stellen die Protagonisten vor: Polyglott und kreativ sind sie, gutaussehend, aber uneitel. Ein schräger Schnappschuss der hübschen Lenore Doolan im Alter von 26 Jahren, "an ihrem Schreibtisch im Büro der ,New York Times'", und ein banales Passfoto des 39 Jahre alten Fotografen Harold Morris, "aufgenommen vor einer beruflichen Reise in die Philippinen", sind jeweils auf moderate zehn bis zwanzig Dollar taxiert. Nur fünf bis zehn Dollar soll die Einladung zu einer Halloweenparty des Jahres 2002 kosten - und schon folgen Fotos von eben dieser Party, darunter auch "die erste bekannte Aufnahme von Morris und Doolan zusammen", beide im Kostüm, sie als berüchtigte Mörderin Lizzie Borden mit blutbesudelter Bluse, er als Entfesslungskünstler Harry Houdini zu später Stunde mit gelockerter Fliege (25/30 Dollar.) Die prosaische Zustandsbeschreibung "mit Reißzweckenlöchern in den Ecken" lässt darauf schließen, dass dieses Foto für eine Weile in Ehren gehalten wurde. "Er klingt gut", heißt es in einem Brief von Ann Doolan an ihre Schwester Lenore auf rosafarbenem Papier (15/20 Dollar), "aber sollten wir uns Sorgen machen, dass er als Houdini verkleidet war? Vielleicht wird er nun immer um Dich herumgeistern? Oder er wird einfach verschwinden?" Eine zerknitterte Serviette, auf die mit Kugelschreiber eine E-Mail-Adresse notiert wurde, weist auf weitere Kontakte hin. Kleine Geschenke folgen, Kinokarten, ein Hemd, ein "Scrabble"-Spiel, Musik-CDs und Schallplatten. Alles hat Stil und Geschmack.
Verschiedene Souvenirs zeugen von schönen Nächten im New Yorker St. Regis Hotel und dem Chateau Marmont in Los Angeles. Doch Zweifel kommen auf, als ein Freund an Harold schreibt, ". . . das machst Du immer, Du fängst eine neue Beziehung an, und dann vermisst Du Deine Exfreundin. Das ist doch verrückt . . .". Der Brief ist eine Beigabe zu Alain Robbe-Grillets Roman "The Voyeur" und trägt eine Taxe von 12 bis 25 Dollar.
Harold lässt einen silbernen Tortenheber (50/60 Dollar) für Lenore mit den Worten "Bravo Buttertart" gravieren, als sie befördert wird und von nun an regelmäßig eine Kolumne über Kuchen und Torten zu schreiben hat. Auch einige ihrer Artikel kommen unter den Hammer, und es ist amüsant zu verfolgen, wie die Rezepte mit dem Niedergang ihrer Beziehung schwerer und bitterer werden. Harold ist ständig auf Reisen (Waschbeutel mit diversem Inhalt: 40/55 Dollar), er trinkt (vier Art-déco-Martini-Gläser: 40/60 Dollar) und raucht (sechs Aschenbecher: 20/40 Dollar). Sie ist launisch und empfindlich (Autographen Nr. 1247 bis 1249: 10/20 Dollar). Auch im Gekritzel auf einem Theaterprogramm deuten sich Schwierigkeiten an (10/15 Dollar). Er will einen Cheeseburger, sie nicht. Und dann ist da der Regenschirm, den Lenores Exfreund Hugh Nash bei ihr vergessen hat, grün mit braunem Ledergriff (10/20 Dollar), und eine Reise nach Venedig zu ihrem Geburtstag, die in Tränen endet. Auf Streit folgen Versöhnungen: zerbrochenes Porzellan und teure Weinflaschen. Eine Weile scheint es wieder gutzugehen, und sie zieht sogar bei Harold ein. Doch schließlich zerbricht die Beziehung nach vier Jahren vollends. Die Auktion endet mit Los Nummer 1332, "gepressten vierblättrigen Kleeblättern unterschiedlicher Herkunft, aus der Sammlung von Lenore Doolan, 20/45 Dollar".
Der Berlin Verlag plant für das kommende Jahr eine deutsche Übersetzung, und auch die Filmrechte sind schon vergeben: Brad Pitt und Natalie Portman sollen das romantische Paar spielen. Ist es denn wirklich aus und vorbei mit Harold und Lenore? Noch vor der ersten Losnummer publiziert das fiktive Auktionsteam Strachan & Quinn zum Geleit den Text einer Postkarte jüngeren Datums: "Als wir uns vor einem Jahr zufällig in der Oyster Bar getroffen haben, hast Du mich gefragt, ob ich jemals das Ende einer Beziehung bereut habe", schreibt Harold: "Damals habe ich nichts gesagt, aber ich wünschte, ich hätte ja gesagt. Ja, du. Das wäre meine Antwort."
Leanne Shapton: "Important Artifacts and Personal Property from the Collection of Lenore Doolan and Harold Morris, Including Books, Street Fashion, and Jewelry". Sarah Crichton Books, Farrar, Straus and Giroux, New York 2009. 136 S., zahlr. Schwarzweiß-Abb. brosch., 18 Dollar.
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