Der vielfach ausgezeichnete Journalist Alex Perry reiste als Auslandskorrespondent vom »Time Magazine« über sieben Jahre durch Afrika und schrieb 'In Afrika: Reise in die Zukunft' - eine literarische, hervorragend recherchierte und ganz und gar verblüffende Geschichte des neuen Afrika.
Perry beschreibt ein Afrika, das sich in einer Phase geradezu wütender Selbstbehauptung befindet. Auf seiner Reise traf er Unternehmer und Warlords, Professoren und Drogenschmuggler, Präsidenten und Dschihadisten und ermöglicht uns so einen ebenso eindringlichen wie facettenreichen Blick auf das moderne Gesicht Afrikas. Um sich letztendlich befreien zu können, muss Afrika - so Perry - den Islamisten, Diktatoren und Entwicklungshelfern die Stirn bieten. Für Leser von Henning Mankells Sachbüchern über Afrika und 'Kongo: Eine Geschichte' von David Van Reybrouck.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Perry beschreibt ein Afrika, das sich in einer Phase geradezu wütender Selbstbehauptung befindet. Auf seiner Reise traf er Unternehmer und Warlords, Professoren und Drogenschmuggler, Präsidenten und Dschihadisten und ermöglicht uns so einen ebenso eindringlichen wie facettenreichen Blick auf das moderne Gesicht Afrikas. Um sich letztendlich befreien zu können, muss Afrika - so Perry - den Islamisten, Diktatoren und Entwicklungshelfern die Stirn bieten. Für Leser von Henning Mankells Sachbüchern über Afrika und 'Kongo: Eine Geschichte' von David Van Reybrouck.
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buecher-magazin.deVerhungernde Babys in der Wüste, Nashörner und Wilderer in der Savanne, Entwicklungshilfeempfänger und Kindersoldaten, nackte Tänzer oder notgeile Seuchenüberträger und dann diese Leute in zu kleinen Booten, die alle unbedingt nach Europa wollen. Lang leben die Stereotypen über den Kontinent im Süden mit seiner über eine Milliarde Menschen. Deren 54 Nationen werden nie benannt: "In Afrika" heißt es kategorisch. Auslandskorrespondent Alex Perry verspricht, die Klischeesafari zu beenden. So erfahren wir von den Lügen der britischen Hilfsorganisation Oxfam zur Dürrekatastrophe in Somalia und dem Zynismus des damaligen Premiers Abdiweli Mohamed Ali, aber auch von den Rückkehrern aus Australien, den USA oder Skandinavien nach Mogadischu, die ihre Hauptstadt wieder aufbauen. Perry verweist auf die künstlichen Staatsgrenzen und die Völkermorde des Kolonialismus. Und die Hominidenfunde wie "Lucy" im Rift Valley und das Auseinanderbrechen der Kontinentalplatten entlang dieses Grabens, daher der englische Originaltitel, "The Rift. A New Africa Breaks Free". Nicht wirklich ein neues Afrikabild, aber ein gut gemeinter Versuch, neues Bedenken alter Fakten zu inspirieren.
© BÜCHERmagazin, Jutta Vahrson (jv)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2016Sollten Afrikas Hoffnungen auf den Investitionen Chinas ruhen?
Ökonomische Abhängigkeit vom Westen, despotische Autokraten, Dschihadisten auf dem Vormarsch: Alex Perry zeichnet ein ziemlich düsteres Bild afrikanischer Zustände und baut trotzdem auf die Zukunft des Kontinents.
Der Klappentext verspricht viel. Um das "wahre Afrika" soll es gehen, um das Gesicht eines Kontinents, der heute auf dem besten Weg sei, zu einer neuen ökonomischen und politischen Macht zu werden. Doch reproduzieren die Reportagen, die der englische Auslandskorrespondent Alex Perry in den letzten zehn Jahren für namhafte Nachrichtenmagazine verfasst hat, zunächst nur bereits sattsam bekannte Bilder. Die große Hungersnot in Südäthiopien im Jahr 2008, der Hunderttausende zum Opfer fielen; die anarchischen Zustände in Somalias Hauptstadt Mogadischu, in der sich einheimische Warlords, ausländische Söldner und islamistische Al-Shabaab-Milizen bereits seit Jahren Gefechte liefern; oder der blutige Bürgerkrieg in der Republik Südsudan - der jüngste afrikanische Staat, auf dessen Abspaltung man noch vor wenigen Jahren so große Hoffnungen gesetzt hatte.
Um Antworten auf die Frage, weshalb es den Ländern des subsaharischen Afrikas nicht gelingen will, mit ihren Problemen fertig zu werden, ist der Autor nicht verlegen. Die Folgen jahrhundertelanger Ausbeutung und kolonialer Unterdrückung ließen sich nicht über Nacht beseitigen. An der ökonomischen Abhängigkeit vom Westen habe die politische Unabhängigkeit kaum etwas geändert. Die dünne Besiedlung und die Weiträumigkeit des Kontinents seien bis heute eines der größten Entwicklungshemmnisse geblieben. Der Selbstbehauptung Afrikas stehen Perry zufolge gegenwärtig vor allem drei Faktoren entgegen: das Scheitern der humanitären Interventionen, der Despotismus afrikanischer Autokraten und der Dschihadismus, der auch südlich der Sahara immer mehr Anhänger gewinnt.
Dass das Elend Afrikas bis heute mit Fotografien hungernder Kinder in Verbindung gebracht wird, geht auf die Kampagne zurück, die John Lennon und andere Popstars bereits vor über vierzig Jahren gegen den Krieg in Biafra initiiert hatten. Die großen traurigen Augen und aufgequollenen Bäuche drängen sich immer wieder auf, wenn von neuen Desastern, von Dürreperioden oder Hungerkatastrophen die Rede ist. Im Lauf der Jahrzehnte ist aus der Spendenbereitschaft, die solche Bilder evozieren, ein ganzer Wirtschaftszweig hervorgegangen. In Hilfsorganisationen arbeiten inzwischen weltweit 600 000 Menschen, während die Vereinten Nationen mit über zweihundert Flugzeugen allein für Friedenseinsätze die größte Fluggesellschaft Afrikas unterhalten. Doch wer von dem Geldfluss in erster Linie profitiert, sind die großen amerikanischen Nahrungsmittelkonzerne, bei denen ihre Einkäufe zu tätigen die Hilfsorganisationen des Landes verpflichtet sind. Auch wenn es dann oft Monate dauert, bis die Lebensmittel ihren Bestimmungsort erreichen, ihre Verteilung oft nach politischer Opportunität erfolgt und vieles einfach in den Lagerhallen verrottet, tragen sie insgesamt dazu bei, die einheimische Landwirtschaft zu zerstören. Im Aufzeigen solcher Absurditäten liegt die Stärke von Perrys Berichten.
Perry hatte verschiedentlich Gelegenheit, führende afrikanische Politiker aus nächster Nähe zu beobachten. Einige erklärten sich auch zu Interviews bereit. Auf diese Weise entstehen beeindruckende Einblicke in die inneren Gefüge der Macht. Mugabe, den greisen Herrscher Simbabwes, porträtiert er als einen Mann, der immer noch in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges zu leben glaubt und den wirtschaftlichen Niedergang ignoriert, der seinem Land heute eine der höchsten Inflationsraten der Welt beschert. Dagegen kommt der ruandische Staatspräsident Kagame relativ gut weg, obgleich Menschenrechtsaktivisten auch ihm zahlreiche politische Verbrechen vorwerfen. Der Autor neigt manchmal dazu, wörtlich wiedergegebene Gespräche mit Informanten dazu zu verwenden, Gerüchte in den Rang von Tatsachen zu erheben. Aber selbst wenn nur ein Teil von dem stimmt, was man sich zum Beispiel in Südafrika über die Verschwendungssucht, die Korrumpierbarkeit und die zahlreichen Eskapaden Jakob Zumas erzählt, dann ist es kaum zu glauben, dass er von seiner Partei, dem ANC, erst kürzlich wieder im Amt des südafrikanischen Staatspräsidenten bestätigt worden ist. Unter seiner Regierung hat sich die Ungleichheit so verschlimmert, dass Südafrika heute in dieser Hinsicht weltweit den vierten Platz belegt, bei einer Arbeitslosenquote von vierzig Prozent.
Umso erklärungsbedürftiger bleibt, woraus Zuma und viele andere, ähnlich agierende Politiker ihre Popularität beziehen. Ihre Erfolge allein auf Wahlmanipulationen und Bestechung zurückzuführen wäre zu billig. Hier liegt offensichtlich ein Demokratieverständnis vor, das sich mit dem westlicher Staaten nur bedingt deckt. Leider stößt das Wissen des Afrika-Korrespondenten in diesen Fällen bald an seine Grenzen. Hier möchte man ihm empfehlen, sich doch einmal in neueren ethnologischen Untersuchungen umzusehen. Sie zeigen nämlich, dass in den an Verwandtschaftsbindungen ausgerichteten Netzwerken afrikanischer Politiker Face-to-face-Beziehungen allemal eine größere Rolle spielen als die Verpflichtung auf abstrakt gefasste Regeln, Werte und Normen europäischer Provenienz.
Deutlich wird dadurch auch, woher der sich heute in Somalia, Kenia, Nordnigeria oder Mali immer stärker ausbreitende Islamismus seine Anziehungskraft bezieht. Bei allem Fanatismus weist er ein ethisches Grundgefüge auf, das religiöse Loyalitäten an die Stelle ethnischer Zugehörigkeiten und verwandtschaftlicher Bindungen setzt. Hierin mag anfangs auch das Erfolgsgeheimnis der somalischen Al-Shabaab-Milizen bestanden haben, das ihnen dabei half, sich gegen die traditionellen Clanführer durchzusetzen und das Land zumindest für eine Zeit lang zu befrieden. Doch hat der Islamismus als moralische Instanz in Afrika letztlich noch mehr versagt als in anderen Teilen der Welt.
Erst auf den letzten hundert Seiten des Buches kommt Perry auf das zu sprechen, was dessen Titel ankündigt, nämlich die Zukunft des Kontinents. Für ihn liegt sie in einer Kommerzialisierung der Landwirtschaft, die Afrika in die Lage versetzen soll, bald nicht nur sich selbst, sondern die ganze Welt zu ernähren. Auch führt er die Initiativen einer Reihe von Einzelpersönlichkeiten wie etwa des Bürgermeisters der Megalopole Lagos oder des ehemaligen Gouverneurs der nigerianischen Zentralbank an, die ehrgeizige Programme zum Ausbau der städtischen Infrastruktur und der Datentechnologie vorgelegt haben. Und natürlich darf auch der Hinweis auf das wirtschaftliche Engagement Chinas nicht fehlen.
Doch das alles ist etwas mager, wenn man es mit den Horrorszenarios vergleicht, mit denen er seine Leser auf den vorangehenden vierhundert Seiten traktiert. Man fragt sich, woher Perry seinen Optimismus nimmt. Weshalb sollten solche Großprojekte gelingen, wenn schon die sehr viel kleineren zum Scheitern verurteilt waren? Tatsächlich fällt er mit solchen Zukunftsentwürfen hinter die eigene Einsicht zurück, dass die Länder Afrikas endlich aufhören sollen, sich ihre Entwicklungsziele von anderen vorschreiben zu lassen. Zur Selbstbehauptung des Kontinents gehört auch, dass er sich nicht nur vor den Bevormundungen besserwisserischer Entwicklungshelfer und Militärberater, sondern auch vor Journalisten hüten sollte.
KARL-HEINZ KOHL
Alex Perry, "In Afrika". Reise in die Zukunft.
Aus dem Englischen von Michael Bischoff. S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, geb., 24,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ökonomische Abhängigkeit vom Westen, despotische Autokraten, Dschihadisten auf dem Vormarsch: Alex Perry zeichnet ein ziemlich düsteres Bild afrikanischer Zustände und baut trotzdem auf die Zukunft des Kontinents.
Der Klappentext verspricht viel. Um das "wahre Afrika" soll es gehen, um das Gesicht eines Kontinents, der heute auf dem besten Weg sei, zu einer neuen ökonomischen und politischen Macht zu werden. Doch reproduzieren die Reportagen, die der englische Auslandskorrespondent Alex Perry in den letzten zehn Jahren für namhafte Nachrichtenmagazine verfasst hat, zunächst nur bereits sattsam bekannte Bilder. Die große Hungersnot in Südäthiopien im Jahr 2008, der Hunderttausende zum Opfer fielen; die anarchischen Zustände in Somalias Hauptstadt Mogadischu, in der sich einheimische Warlords, ausländische Söldner und islamistische Al-Shabaab-Milizen bereits seit Jahren Gefechte liefern; oder der blutige Bürgerkrieg in der Republik Südsudan - der jüngste afrikanische Staat, auf dessen Abspaltung man noch vor wenigen Jahren so große Hoffnungen gesetzt hatte.
Um Antworten auf die Frage, weshalb es den Ländern des subsaharischen Afrikas nicht gelingen will, mit ihren Problemen fertig zu werden, ist der Autor nicht verlegen. Die Folgen jahrhundertelanger Ausbeutung und kolonialer Unterdrückung ließen sich nicht über Nacht beseitigen. An der ökonomischen Abhängigkeit vom Westen habe die politische Unabhängigkeit kaum etwas geändert. Die dünne Besiedlung und die Weiträumigkeit des Kontinents seien bis heute eines der größten Entwicklungshemmnisse geblieben. Der Selbstbehauptung Afrikas stehen Perry zufolge gegenwärtig vor allem drei Faktoren entgegen: das Scheitern der humanitären Interventionen, der Despotismus afrikanischer Autokraten und der Dschihadismus, der auch südlich der Sahara immer mehr Anhänger gewinnt.
Dass das Elend Afrikas bis heute mit Fotografien hungernder Kinder in Verbindung gebracht wird, geht auf die Kampagne zurück, die John Lennon und andere Popstars bereits vor über vierzig Jahren gegen den Krieg in Biafra initiiert hatten. Die großen traurigen Augen und aufgequollenen Bäuche drängen sich immer wieder auf, wenn von neuen Desastern, von Dürreperioden oder Hungerkatastrophen die Rede ist. Im Lauf der Jahrzehnte ist aus der Spendenbereitschaft, die solche Bilder evozieren, ein ganzer Wirtschaftszweig hervorgegangen. In Hilfsorganisationen arbeiten inzwischen weltweit 600 000 Menschen, während die Vereinten Nationen mit über zweihundert Flugzeugen allein für Friedenseinsätze die größte Fluggesellschaft Afrikas unterhalten. Doch wer von dem Geldfluss in erster Linie profitiert, sind die großen amerikanischen Nahrungsmittelkonzerne, bei denen ihre Einkäufe zu tätigen die Hilfsorganisationen des Landes verpflichtet sind. Auch wenn es dann oft Monate dauert, bis die Lebensmittel ihren Bestimmungsort erreichen, ihre Verteilung oft nach politischer Opportunität erfolgt und vieles einfach in den Lagerhallen verrottet, tragen sie insgesamt dazu bei, die einheimische Landwirtschaft zu zerstören. Im Aufzeigen solcher Absurditäten liegt die Stärke von Perrys Berichten.
Perry hatte verschiedentlich Gelegenheit, führende afrikanische Politiker aus nächster Nähe zu beobachten. Einige erklärten sich auch zu Interviews bereit. Auf diese Weise entstehen beeindruckende Einblicke in die inneren Gefüge der Macht. Mugabe, den greisen Herrscher Simbabwes, porträtiert er als einen Mann, der immer noch in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges zu leben glaubt und den wirtschaftlichen Niedergang ignoriert, der seinem Land heute eine der höchsten Inflationsraten der Welt beschert. Dagegen kommt der ruandische Staatspräsident Kagame relativ gut weg, obgleich Menschenrechtsaktivisten auch ihm zahlreiche politische Verbrechen vorwerfen. Der Autor neigt manchmal dazu, wörtlich wiedergegebene Gespräche mit Informanten dazu zu verwenden, Gerüchte in den Rang von Tatsachen zu erheben. Aber selbst wenn nur ein Teil von dem stimmt, was man sich zum Beispiel in Südafrika über die Verschwendungssucht, die Korrumpierbarkeit und die zahlreichen Eskapaden Jakob Zumas erzählt, dann ist es kaum zu glauben, dass er von seiner Partei, dem ANC, erst kürzlich wieder im Amt des südafrikanischen Staatspräsidenten bestätigt worden ist. Unter seiner Regierung hat sich die Ungleichheit so verschlimmert, dass Südafrika heute in dieser Hinsicht weltweit den vierten Platz belegt, bei einer Arbeitslosenquote von vierzig Prozent.
Umso erklärungsbedürftiger bleibt, woraus Zuma und viele andere, ähnlich agierende Politiker ihre Popularität beziehen. Ihre Erfolge allein auf Wahlmanipulationen und Bestechung zurückzuführen wäre zu billig. Hier liegt offensichtlich ein Demokratieverständnis vor, das sich mit dem westlicher Staaten nur bedingt deckt. Leider stößt das Wissen des Afrika-Korrespondenten in diesen Fällen bald an seine Grenzen. Hier möchte man ihm empfehlen, sich doch einmal in neueren ethnologischen Untersuchungen umzusehen. Sie zeigen nämlich, dass in den an Verwandtschaftsbindungen ausgerichteten Netzwerken afrikanischer Politiker Face-to-face-Beziehungen allemal eine größere Rolle spielen als die Verpflichtung auf abstrakt gefasste Regeln, Werte und Normen europäischer Provenienz.
Deutlich wird dadurch auch, woher der sich heute in Somalia, Kenia, Nordnigeria oder Mali immer stärker ausbreitende Islamismus seine Anziehungskraft bezieht. Bei allem Fanatismus weist er ein ethisches Grundgefüge auf, das religiöse Loyalitäten an die Stelle ethnischer Zugehörigkeiten und verwandtschaftlicher Bindungen setzt. Hierin mag anfangs auch das Erfolgsgeheimnis der somalischen Al-Shabaab-Milizen bestanden haben, das ihnen dabei half, sich gegen die traditionellen Clanführer durchzusetzen und das Land zumindest für eine Zeit lang zu befrieden. Doch hat der Islamismus als moralische Instanz in Afrika letztlich noch mehr versagt als in anderen Teilen der Welt.
Erst auf den letzten hundert Seiten des Buches kommt Perry auf das zu sprechen, was dessen Titel ankündigt, nämlich die Zukunft des Kontinents. Für ihn liegt sie in einer Kommerzialisierung der Landwirtschaft, die Afrika in die Lage versetzen soll, bald nicht nur sich selbst, sondern die ganze Welt zu ernähren. Auch führt er die Initiativen einer Reihe von Einzelpersönlichkeiten wie etwa des Bürgermeisters der Megalopole Lagos oder des ehemaligen Gouverneurs der nigerianischen Zentralbank an, die ehrgeizige Programme zum Ausbau der städtischen Infrastruktur und der Datentechnologie vorgelegt haben. Und natürlich darf auch der Hinweis auf das wirtschaftliche Engagement Chinas nicht fehlen.
Doch das alles ist etwas mager, wenn man es mit den Horrorszenarios vergleicht, mit denen er seine Leser auf den vorangehenden vierhundert Seiten traktiert. Man fragt sich, woher Perry seinen Optimismus nimmt. Weshalb sollten solche Großprojekte gelingen, wenn schon die sehr viel kleineren zum Scheitern verurteilt waren? Tatsächlich fällt er mit solchen Zukunftsentwürfen hinter die eigene Einsicht zurück, dass die Länder Afrikas endlich aufhören sollen, sich ihre Entwicklungsziele von anderen vorschreiben zu lassen. Zur Selbstbehauptung des Kontinents gehört auch, dass er sich nicht nur vor den Bevormundungen besserwisserischer Entwicklungshelfer und Militärberater, sondern auch vor Journalisten hüten sollte.
KARL-HEINZ KOHL
Alex Perry, "In Afrika". Reise in die Zukunft.
Aus dem Englischen von Michael Bischoff. S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, geb., 24,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Tim Neshitov bedauert, dass der amerikanisch-britische Journalist Alex Perry es nicht bei der Beschreibung seiner Erlebnisse und Erkenntnisse aus 15 Jahren Afrika belässt, bei seinen Erfahrungen mit dem Unternehmergeist, dem Humor seiner Menschen und bei der realistischen Darstellung der postkolonialen Misere, verursacht laut Autor durch die Entwicklungshilfe, durch Despoten und Dschihadisten. Sobald Perry seinen Text zu einer Geschichte und zu einem Zukunftsausblick des gesamten Kontinents hochjazzt, wird er laut Neshitov leider pathetisch und auch ungenau.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das Buch ist ein aufwühlender, tief beeindruckender Beitrag zur Afrika-Diskussion. Klaus Huhold Wiener Zeitung 20160322