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Der Pfleger schloss die Tür hinter ihm. Der Psychiater Dr. Navratzuy sah dem neuen Patienten neugierig entgegen: "Hans Davidsohn?" Hoddis antwortete nicht, zog seine Mütze fest und tief in die Stirn. Hoddis murmelte: "Diese monströsen Menschen sollen aufhören, dauernd meine Bude zu berennen." Währenddessen starrte er auf die Hände des Arztes. Dr. Navratzuy öffnete die Akte. Und mit ihm der Autor Fritz Bremer. Schon in den ersten Sätzen seiner "Fragmente einer Biographie" nimmt er uns "an die Hand", um einen außergewöhnlichen Menschen kennen zu lernen. Mit Hilfe von Krankenakten, Briefen und…mehr

Produktbeschreibung
Der Pfleger schloss die Tür hinter ihm. Der Psychiater Dr. Navratzuy sah dem neuen Patienten neugierig entgegen: "Hans Davidsohn?" Hoddis antwortete nicht, zog seine Mütze fest und tief in die Stirn. Hoddis murmelte: "Diese monströsen Menschen sollen aufhören, dauernd meine Bude zu berennen." Währenddessen starrte er auf die Hände des Arztes. Dr. Navratzuy öffnete die Akte.
Und mit ihm der Autor Fritz Bremer. Schon in den ersten Sätzen seiner "Fragmente einer Biographie" nimmt er uns "an die Hand", um einen außergewöhnlichen Menschen kennen zu lernen. Mit Hilfe von Krankenakten, Briefen und Erinnerungen der Wegbegleiter geht Bremer auf die Suche nach der Persönlichkeit des Hans Davidsohn, der sich Jakob van Hoddis nannte. Bereits 1911 erschien das vielleicht berühmteste expressionistische Gedicht "Weltende", mit dem van Hoddis Literaturgeschichte schrieb: "Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, in allen Lüften hallt es wie Geschrei...".
Kurz darauf traten die ersten Anzeichen einer psychotischen Erkrankung auf und eine jahrzehntelange Odyssee begann. Sein Leben als Pflegling und Patient verschiedener psychiatrischer Kliniken endete im Mai 1942 mit der Deportation und Ermordung in Polen. Hans Davidsohn starb als Jude, als "verbrannter Dichter" und als Psychiatriepatient.
Fritz Bremer lässt den Menschen Jakob van Hoddis wieder lebendig werden, ohne Überhöhung und ohne übertriebene Schonung. Und er unternimmt mit ihm schließlich eine Zeitreise an eine der wichtigsten Geburtsstätten der Psychiatriereform - ins Triest der 70er Jahre.
"Visionen? Hatten Sie Visionen?", fragte der Arzt. "Ich sage ja, ich habe lebhaft geträumt", erklärte Hoddis beiläufig, "so dass ich nicht weiß, ob's nur ein Traum oder wirkliche Vision war. Sie verstehen?"

Die Journalistin Irene Stratenwerth skizziert in ihrem aktuellen Nachwort, was seit der Erstauflage dieses Buches 1996 alles in Bewegung gekommen ist: Ihre Reisen zu den in Israel lebenden Verwandten des Hans Davidsohn,die Recherchen über die letzte Jüdische Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn bei Koblenz und die vielfältige Würdigung des Lebens und der Werke von Jakob van Hoddis in der Öffentlichkeit, u. a. durch eine Ausstellung im Frühsommer 2001 im Berliner Centrum Judaicum.
Rezensionen
"Bremer ist ein Tatsachensammler, der sich mit den Tatsachen nicht zufrieden gibt. Er nimmt sich das Recht auf Einmischung." (Basler Zeitung)

"Fritz Bremer hat hier keine Biographie geschrieben, das Buch ist ein Roman. Und diesen habe ich teils mit zitternder Hand, teils mit feuchten Augen gelesen. Brillant kann er erzählen." (Dr. med. Mabuse)

"Lohnenswert. Zumal jetzt auch nachzulesen ist, was seit der Erstausgabe 1996 alles in Bewegung gekommen ist." (Der Eppendorfer)

"Was ist nun für mich der größte Gewinn dieser Erzählung der Lebenssplitter eines Künstlers? Das Faszinierende und Beruhigende ist, dass all die Ticks, die Manierismen, die Naivitäten, die Ungehobeltheiten, die Verweigerungen bis hin zur äußeren Verwahrlosung vom Biografen Bremer zitiert werden können, ohne dass er van Hoddis denunziert." (Soziale Psychiatrie)

"Bremers Biographie fragt, ohne es auszusprechen: Wie würde uns jemand wie Hoddis heute begegnen? Als eine jener Gestalten, die, unverständliches Zeug murmelnd, durch die Städte streifen und auf Lüftungsschächten schlafen? Oder als braver Patient der Drehtür-Psychiatrie, eingepackt in den dicken Mantel antipsychotischer Medikamente?" (Die ZEIT)

"Der Band ist auch lesbar als Beitrag zur Psychiatriegeschichte zu Beginn dieses Jahrhunderts." (Soziale Psychiatrie)