Because of the importance of Robert Frank's The Americans; because he turned to filmmaking in 1959, the same year the book appeared in the United States; and because he made very different kinds of pictures when he returned to still photography in the 1970s, most of Frank's American work of the 1950s is poorly known. This book, based on the important Frank collection at the Cantor Arts Center at Stanford University, is the first to focus on that work. Its careful sequence of 131 plates integrates 22 photographs from The Americans with more than 100 unknown or unfamiliar images to chart the major themes and pictorial strategies of Frank's work in the United States in the 1950s. Peter Galassi's text presents a thorough reconsideration of Frank's first photographic career and examines in detail how he used the full range of photography's vital 35mm vocabulary to reclaim the medium's artistic tradition from the hegemony of the magazines.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2015Diese bestimmte Zivilisation
Für sein Buch "Die Amerikaner", einen Meilenstein der Fotografiegeschichte, hatte Robert Frank nur dreiundachtzig Motive ausgewählt. Nun zeigt ein überwältigender Bildband, welch großartige Aufnahmen seiner Reise uns entgangen sind.
Von Freddy Langer
Es waren ausgedehnte Reisen, die der Schweizer Fotograf Robert Frank Mitte der fünfziger Jahre in den Vereinigten Staaten unternommen hat. Von New York nach Detroit zunächst, bald darauf von New York nach Savannah, Georgia. Das war im Sommer 1955. Und schon im Herbst darauf fuhr er in einem Straßenkreuzer von der Größe eines Schiffs von New York aus nach Miami, weiter nach San Francisco und anschließend, längst war es wieder Sommer geworden, über Indianapolis zurück nach New York. "Exakte Route von Indianapolis aus unbekannt; keine Fotografien", heißt es buchhalterisch exakt zum letzten Stück der mehr als fünfzehntausend Kilometer langen Fahrt in dem jetzt erschienenen Bildband "Robert Frank in America".
Ansonsten sind auf einer Karte nicht nur die Strecken eingezeichnet, die Robert Frank genommen hat, sondern auch die Orte, an denen er seine berühmten Aufnahmen machte - während der wohl bedeutendsten Reise der Fotografiegeschichte. Noch einmal hatte sich ein Fotograf auf den Weg gemacht, das Land zu erkunden; fast so, wie knapp hundert Jahre zuvor all die Expeditionsfotografen, die im Auftrag der Regierung festhielten, wie es jenseits des Mississippis aussah. Was sie mit zurückbrachten, waren detaillierte Dokumentationen der Topographie: der Wüsten, Berge und Schluchten - Bilder eines Märchenlands, das vor ihnen kaum ein Weißer erblickt hatte.
Bei Robert Frank sah das anders aus. Auch ihm wurde die Reise bezahlt: mit einem Guggenheim-Stipendium. Aber sein Auftrag an sich selbst war ein anderer. Er wollte "diese bestimmte Zivilisation" festhalten, die sich in Amerika entwickelt habe und von dort aus ausbreite. Ihm schwebte nicht weniger als ein Blick in die Seele der Nation vor. Was er mit zurückbrachte, war erschütternd. Ein unverhohlener Rassismus sprach ebenso aus den Bildern wie eine bemitleidenswerte Entfremdung der Menschen voneinander. Bilder von Flaggen, Musikboxen, Autos und Kreuzen kehren dabei leitmotivisch wieder, fast wie das Thema einer Sinfonie oder der lautmalerische Rhythmus eines Gedichts.
Heute gilt das Buch als Klassiker, und noch immer spürt man die Wucht, die von den Bildern, aber eben auch ihrer sehr sorgfältigen Zusammenstellung damals ausging - streng destilliert aus dem Material der insgesamt siebenundzwanzigtausend Belichtungen, von denen Robert Frank zunächst tausend Aufnahmen auf Papier abzog, bevor er die Auswahl für sein Buch "Die Amerikaner" auf dreiundachtzig Motive zusammenstrich.
Seine Arbeitsabzüge hat Robert Frank in den Sechzigern verkauft, um einen seiner Filme zu finanzieren. Und erst über Umwege landeten mehr als hundertfünfzig davon in der Sammlung des Cantor Arts Center der Stanford University in Kalifornien. Diese Bilder sind die Grundlage für das Buch "Robert Frank in America". Die größte Überraschung: Die Bilder sind keineswegs schlechter als jene, die man kannte. Robert Frank, das wird hier deutlich, war es damals nicht um eine Best-of-Auswahl zu tun, vielmehr ordnete er jedes Motiv einem erzählerischen Gesamtkonzept unter.
Einer solchen, klug ersonnenen Struktur folgt auch das neue Buch - Thema ist wiederum die Isolation des Menschen. Dabei beginnt der neue Band erheblich fröhlicher als das Werk von damals. Fast keck lupft auf dem ersten Bild ein älterer Herr in schweren Stiefeln und dicker Jacke seinen Hut, in der anderen Hand einige Unterlagen - und man würde sich nicht wundern, wenn er sagte: "Guten Tag, ich bin ihr Guide, darf ich sie mitnehmen auf eine Reise durch mein Land." Dann folgen Bilder anderer Männer, ähnlich zuversichtlich gestimmt, bis endlich einer von ihnen vor einem Berg Müll auf der Straße stehen bleibt und resigniert zu Boden schaut. Wie vor einem Scherbenhaufen. Und jetzt folgen auch hier nur noch Aufnahmen der Kehrseite des amerikanischen Traums.
Wie Mehltau liegt allerorten Tristesse über dem Leben. Öde Landstriche, traurige Blicke. Selbst Stillleben mit Fernsehgeräten oder den Interieurs von Bars und Restaurants entlockt Robert Frank eine gesellschaftskritische Dimension. Enttäuschung spricht aus den Fotografien, die Enttäuschung eines Schweizers, der sich so viel vom vermeintlich gelobten Land versprochen hatte. Doch bei ihm gelingt es nicht einmal den Gesichtern von John F., Jacqueline und Robert Kennedy, die er 1956 in Chicago bei einer Wahlkampfveranstaltung aufgenommen hat, Optimismus auszustrahlen.
"Robert Frank in America", herausgegeben von Peter Galassi. Text in Englisch. Steidl Verlag, Göttingen 2014. 200 Seiten, 131 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 48 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für sein Buch "Die Amerikaner", einen Meilenstein der Fotografiegeschichte, hatte Robert Frank nur dreiundachtzig Motive ausgewählt. Nun zeigt ein überwältigender Bildband, welch großartige Aufnahmen seiner Reise uns entgangen sind.
Von Freddy Langer
Es waren ausgedehnte Reisen, die der Schweizer Fotograf Robert Frank Mitte der fünfziger Jahre in den Vereinigten Staaten unternommen hat. Von New York nach Detroit zunächst, bald darauf von New York nach Savannah, Georgia. Das war im Sommer 1955. Und schon im Herbst darauf fuhr er in einem Straßenkreuzer von der Größe eines Schiffs von New York aus nach Miami, weiter nach San Francisco und anschließend, längst war es wieder Sommer geworden, über Indianapolis zurück nach New York. "Exakte Route von Indianapolis aus unbekannt; keine Fotografien", heißt es buchhalterisch exakt zum letzten Stück der mehr als fünfzehntausend Kilometer langen Fahrt in dem jetzt erschienenen Bildband "Robert Frank in America".
Ansonsten sind auf einer Karte nicht nur die Strecken eingezeichnet, die Robert Frank genommen hat, sondern auch die Orte, an denen er seine berühmten Aufnahmen machte - während der wohl bedeutendsten Reise der Fotografiegeschichte. Noch einmal hatte sich ein Fotograf auf den Weg gemacht, das Land zu erkunden; fast so, wie knapp hundert Jahre zuvor all die Expeditionsfotografen, die im Auftrag der Regierung festhielten, wie es jenseits des Mississippis aussah. Was sie mit zurückbrachten, waren detaillierte Dokumentationen der Topographie: der Wüsten, Berge und Schluchten - Bilder eines Märchenlands, das vor ihnen kaum ein Weißer erblickt hatte.
Bei Robert Frank sah das anders aus. Auch ihm wurde die Reise bezahlt: mit einem Guggenheim-Stipendium. Aber sein Auftrag an sich selbst war ein anderer. Er wollte "diese bestimmte Zivilisation" festhalten, die sich in Amerika entwickelt habe und von dort aus ausbreite. Ihm schwebte nicht weniger als ein Blick in die Seele der Nation vor. Was er mit zurückbrachte, war erschütternd. Ein unverhohlener Rassismus sprach ebenso aus den Bildern wie eine bemitleidenswerte Entfremdung der Menschen voneinander. Bilder von Flaggen, Musikboxen, Autos und Kreuzen kehren dabei leitmotivisch wieder, fast wie das Thema einer Sinfonie oder der lautmalerische Rhythmus eines Gedichts.
Heute gilt das Buch als Klassiker, und noch immer spürt man die Wucht, die von den Bildern, aber eben auch ihrer sehr sorgfältigen Zusammenstellung damals ausging - streng destilliert aus dem Material der insgesamt siebenundzwanzigtausend Belichtungen, von denen Robert Frank zunächst tausend Aufnahmen auf Papier abzog, bevor er die Auswahl für sein Buch "Die Amerikaner" auf dreiundachtzig Motive zusammenstrich.
Seine Arbeitsabzüge hat Robert Frank in den Sechzigern verkauft, um einen seiner Filme zu finanzieren. Und erst über Umwege landeten mehr als hundertfünfzig davon in der Sammlung des Cantor Arts Center der Stanford University in Kalifornien. Diese Bilder sind die Grundlage für das Buch "Robert Frank in America". Die größte Überraschung: Die Bilder sind keineswegs schlechter als jene, die man kannte. Robert Frank, das wird hier deutlich, war es damals nicht um eine Best-of-Auswahl zu tun, vielmehr ordnete er jedes Motiv einem erzählerischen Gesamtkonzept unter.
Einer solchen, klug ersonnenen Struktur folgt auch das neue Buch - Thema ist wiederum die Isolation des Menschen. Dabei beginnt der neue Band erheblich fröhlicher als das Werk von damals. Fast keck lupft auf dem ersten Bild ein älterer Herr in schweren Stiefeln und dicker Jacke seinen Hut, in der anderen Hand einige Unterlagen - und man würde sich nicht wundern, wenn er sagte: "Guten Tag, ich bin ihr Guide, darf ich sie mitnehmen auf eine Reise durch mein Land." Dann folgen Bilder anderer Männer, ähnlich zuversichtlich gestimmt, bis endlich einer von ihnen vor einem Berg Müll auf der Straße stehen bleibt und resigniert zu Boden schaut. Wie vor einem Scherbenhaufen. Und jetzt folgen auch hier nur noch Aufnahmen der Kehrseite des amerikanischen Traums.
Wie Mehltau liegt allerorten Tristesse über dem Leben. Öde Landstriche, traurige Blicke. Selbst Stillleben mit Fernsehgeräten oder den Interieurs von Bars und Restaurants entlockt Robert Frank eine gesellschaftskritische Dimension. Enttäuschung spricht aus den Fotografien, die Enttäuschung eines Schweizers, der sich so viel vom vermeintlich gelobten Land versprochen hatte. Doch bei ihm gelingt es nicht einmal den Gesichtern von John F., Jacqueline und Robert Kennedy, die er 1956 in Chicago bei einer Wahlkampfveranstaltung aufgenommen hat, Optimismus auszustrahlen.
"Robert Frank in America", herausgegeben von Peter Galassi. Text in Englisch. Steidl Verlag, Göttingen 2014. 200 Seiten, 131 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 48 Euro.
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