Dieses Buch erzählt die Geschichte eines Jungen aus Kloten, der durch eine Familientragödie als Vierzehnjähriger Vollwaise wurde und sich zu einer der wortmächtigsten Figuren der Schweiz hochkämpfte, von dem langjährige Weggefährten überzeugt sind, dass er nicht nur die SVP stärkte, sondern mit seinen Auftritten im deutschen Fernsehen mitgeholfen hat, den Boden zu legen für den Aufstieg der AfD: Roger Köppel, Journalist, Verleger der «Weltwoche» und SVP-Nationalrat. Für diese nicht autorisierte Biografie führte der preisgekrönte Reporter Daniel Ryser hunderte Stunden Interviews mit früheren und heutigen Vertrauten, von ehemaligen Schulfreunden über Wegbegleiter aus der Medienszene bis zum Tessiner Milliardär und Financier Tito Tettamanti - und selbstverständlich mit Roger Köppel selbst.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2018Die zwei Seiten
des „Krawall-Schweizers“
Daniel Rysers lesenswertes Buch über Roger Köppel
Roger Köppel, in der Schweiz als Chefredaktor und Verleger des rechts-konservativen Magazins Weltwoche und Nationalrat der ähnlich ausgerichteten Schweizerischen Volkspartei (SVP) weltbekannt, ist auch in Deutschland kein Nobody. Dies liegt weniger an seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Welt (2004 bis 2006) als an denkwürdigen Auftritten im deutschen Fernsehen. In einem Beschwerdebrief an ARD und ZDF schien es einem sozialdemokratischen Abgeordneten im Schweizer Nationalrat so, dass Köppel jedes Mal „ranmüsse“, wenn sich in Deutschland niemand finden lasse, der „ausreichend menschenverachtend“ über Muslime, Ausländer oder Flüchtlinge herziehe. Köppel gefällt sich offenbar in dieser Rolle, kokettiert jedenfalls damit: die Frontseite eines Schweizers Boulevardblatts, die ihn als „Krawall-Schweizer“ tituliert, ziert „sorgfältig eingerahmt“ sein Büro.
Zu finden sind all diese Informationen in einem jüngst erschienenen Buch, das – so der Untertitel – über den „Weg von Roger Köppel“ berichten will. Geschrieben wurde es von Daniel Ryser, 39, einem mehrfach ausgezeichneten Schweizer Journalisten, der mit Köppel professionelles Talent, nicht aber die politische Ausrichtung teilt. Ryser ist eher im „linken Mainstream“ zu verorten und damit in einem Umfeld, gegen das Köppel obsessiv ankämpft.
Ryser will die Geschichte Köppels erzählen – und er wählt hierfür eine Methode, die wohl allein der Persönlichkeit Köppels gerecht werden kann. Denn Köppels Biografie ist eine unablässige Folge von grundstürzenden Veränderungen und Widersprüchen. Sein Verhalten beim persönlichen Umgang, das immer wieder als angenehm, humorvoll und charmant geschildert wird, steht in schroffem Kontrast zu seinen berserkerhaften Auftritten vor Publikum. Seine oft gelobte Intelligenz, seine Bildung, seine Belesenheit passen schwerlich zu seiner demonstrativen Abwertung jeglicher Intellektualität.
Wie also kann man das Leben eines derart changierenden Charakters besser beschreiben als durch die ungefilterten, authentischen Zeugnisse der Menschen, die Köppel in einzelnen Phasen seines Lebens begegnet sind, die ihn begleitet, sich oft von ihm abgewandt haben und mit ihm berufliche wie auch private Erfahrungen in den unterschiedlichsten Rollen und Umgebungen machen durften?
Ryser hat mehr als zwei Jahre recherchiert und eine Vielzahl von Gesprächen mit Freund und Feind geführt. Entstanden ist ein Buch, das über weite Strecken wörtliche Zitate wiedergibt, die Ryser – nicht durchweg mit Erfolg – zu ordnen und einzuordnen versucht. Als Autor stellt er den Kontext her, bisweilen erläutert er auch, ist dabei stets zurückhaltend und vermittelt in mehr als hundert Fußnoten Hintergrundinformationen. All dies geschieht fair. Der Autor wird deshalb reflexhaft kritisiert, er habe sich mit Köppel verbrüdert. Ryser ist kein, Köppel fragt tatsächlich einmal danach, „Auftragskiller“. Anfänglich will Köppel sich verweigern, spricht dann aber – nolens volens – immer wieder mit Ryser. Er kommt im Buch ausführlich zu Wort. Wird Köppel nicht selten mit wenig schmeichelhaften Rechercheergebnissen konfrontiert, gibt Ryser die Fragen und Antworten, die Diskussion, das Ausweichen, das Hin und Her im Wortlaut wieder. Und Köppel spielt mit. So schafft Ryser zwar keine autorisierte Biografie, aber die ihm zugeschriebenen Zitate werden von Köppel gegengelesen und er hat anschließend (abgesehen von einer rechtlich problematischen Stelle) „nur wenig zu beanstanden“.
Rysers Konzept, mit seinen Recherchen ein Mosaik aus Tatsachen zu liefern, überlässt es den Lesern, welches Bild des Protagonisten sie erkennen wollen. Es ist möglich, Köppel als Fehlgeleiteten, vielleicht auch ehrlich Getriebenen zu sehen, der sich berufen sieht, nicht nur die Schweiz zu retten, sondern im Einklang mit dem von ihm hofierten Stephen Bannon gleich ganz Europa. Dazu passt aktuell, dass Köppel nicht nur nach Chemnitz eilt, um „Hetzjagden“ sogleich als „linksextreme Propagandalüge“ zu entlarven, sondern auch in Zürich, Wien und Berlin zu seinem „Gipfeltreffen der freien Rede“ mit Thilo Sarrazin lädt.
Völlig im Sinne von Köppels Mantra der Meinungspluralität ist daher auch der Eindruck plausibel, dass ein ebenso talentierter wie ehrgeiziger Journalist die Chance nutzen will, über das publizistisch zunächst noch dünn besetzte national-konservative Meinungsspektrum im Schnellgang zu reüssieren. Hierzu musste sich Köppel vom selbsterklärten rechten Sozialdemokraten zum lautstarken Bewunderer des von ihm schlicht als „genial“ erkannten SVP-Volkstribunen Christoph Blocher wandeln, um schließlich daran denken zu können, ihn einstmals als Politiker und Stratege beerben zu dürfen.
Egal, welches Bild sich fügt, es bleibt nicht erspart, sich mit Köppels Meinungsäußerungen auseinanderzusetzen. Demokratie und Freiheit erzwingen Zumutungen, wer nicht aggressiv für ihre Abschaffung kämpft, darf sich Gehör verschaffen. Wer anderer Meinung ist, darf und muss widersprechen – und das am besten leidenschaftlich und mit der Mächtigkeit von Fakten, wie sie auch Rysers Recherchen in Fülle liefern.
REINHARD GAIER
Reinhard Gaier war Richter des Bundesverfassungsgerichts und ist derzeit Gastprofessor am Chinesisch-Deutschen Institut für Rechtswissenschaft in Peking.
Kritiker werfen dem Autor
vor, er habe sich mit dem
SVP-Politiker verbrüdert
Es ist möglich, Köppel
als Fehlgeleiteten, vielleicht auch
ehrlich Getriebenen zu sehen
Daniel Ryser:
In Badehosen nach
Stalingrad. Der Weg von
Roger Köppel. Echtzeit-Verlag, Basel 2018.
272 Seiten, 32 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
des „Krawall-Schweizers“
Daniel Rysers lesenswertes Buch über Roger Köppel
Roger Köppel, in der Schweiz als Chefredaktor und Verleger des rechts-konservativen Magazins Weltwoche und Nationalrat der ähnlich ausgerichteten Schweizerischen Volkspartei (SVP) weltbekannt, ist auch in Deutschland kein Nobody. Dies liegt weniger an seiner Tätigkeit als Chefredakteur der Welt (2004 bis 2006) als an denkwürdigen Auftritten im deutschen Fernsehen. In einem Beschwerdebrief an ARD und ZDF schien es einem sozialdemokratischen Abgeordneten im Schweizer Nationalrat so, dass Köppel jedes Mal „ranmüsse“, wenn sich in Deutschland niemand finden lasse, der „ausreichend menschenverachtend“ über Muslime, Ausländer oder Flüchtlinge herziehe. Köppel gefällt sich offenbar in dieser Rolle, kokettiert jedenfalls damit: die Frontseite eines Schweizers Boulevardblatts, die ihn als „Krawall-Schweizer“ tituliert, ziert „sorgfältig eingerahmt“ sein Büro.
Zu finden sind all diese Informationen in einem jüngst erschienenen Buch, das – so der Untertitel – über den „Weg von Roger Köppel“ berichten will. Geschrieben wurde es von Daniel Ryser, 39, einem mehrfach ausgezeichneten Schweizer Journalisten, der mit Köppel professionelles Talent, nicht aber die politische Ausrichtung teilt. Ryser ist eher im „linken Mainstream“ zu verorten und damit in einem Umfeld, gegen das Köppel obsessiv ankämpft.
Ryser will die Geschichte Köppels erzählen – und er wählt hierfür eine Methode, die wohl allein der Persönlichkeit Köppels gerecht werden kann. Denn Köppels Biografie ist eine unablässige Folge von grundstürzenden Veränderungen und Widersprüchen. Sein Verhalten beim persönlichen Umgang, das immer wieder als angenehm, humorvoll und charmant geschildert wird, steht in schroffem Kontrast zu seinen berserkerhaften Auftritten vor Publikum. Seine oft gelobte Intelligenz, seine Bildung, seine Belesenheit passen schwerlich zu seiner demonstrativen Abwertung jeglicher Intellektualität.
Wie also kann man das Leben eines derart changierenden Charakters besser beschreiben als durch die ungefilterten, authentischen Zeugnisse der Menschen, die Köppel in einzelnen Phasen seines Lebens begegnet sind, die ihn begleitet, sich oft von ihm abgewandt haben und mit ihm berufliche wie auch private Erfahrungen in den unterschiedlichsten Rollen und Umgebungen machen durften?
Ryser hat mehr als zwei Jahre recherchiert und eine Vielzahl von Gesprächen mit Freund und Feind geführt. Entstanden ist ein Buch, das über weite Strecken wörtliche Zitate wiedergibt, die Ryser – nicht durchweg mit Erfolg – zu ordnen und einzuordnen versucht. Als Autor stellt er den Kontext her, bisweilen erläutert er auch, ist dabei stets zurückhaltend und vermittelt in mehr als hundert Fußnoten Hintergrundinformationen. All dies geschieht fair. Der Autor wird deshalb reflexhaft kritisiert, er habe sich mit Köppel verbrüdert. Ryser ist kein, Köppel fragt tatsächlich einmal danach, „Auftragskiller“. Anfänglich will Köppel sich verweigern, spricht dann aber – nolens volens – immer wieder mit Ryser. Er kommt im Buch ausführlich zu Wort. Wird Köppel nicht selten mit wenig schmeichelhaften Rechercheergebnissen konfrontiert, gibt Ryser die Fragen und Antworten, die Diskussion, das Ausweichen, das Hin und Her im Wortlaut wieder. Und Köppel spielt mit. So schafft Ryser zwar keine autorisierte Biografie, aber die ihm zugeschriebenen Zitate werden von Köppel gegengelesen und er hat anschließend (abgesehen von einer rechtlich problematischen Stelle) „nur wenig zu beanstanden“.
Rysers Konzept, mit seinen Recherchen ein Mosaik aus Tatsachen zu liefern, überlässt es den Lesern, welches Bild des Protagonisten sie erkennen wollen. Es ist möglich, Köppel als Fehlgeleiteten, vielleicht auch ehrlich Getriebenen zu sehen, der sich berufen sieht, nicht nur die Schweiz zu retten, sondern im Einklang mit dem von ihm hofierten Stephen Bannon gleich ganz Europa. Dazu passt aktuell, dass Köppel nicht nur nach Chemnitz eilt, um „Hetzjagden“ sogleich als „linksextreme Propagandalüge“ zu entlarven, sondern auch in Zürich, Wien und Berlin zu seinem „Gipfeltreffen der freien Rede“ mit Thilo Sarrazin lädt.
Völlig im Sinne von Köppels Mantra der Meinungspluralität ist daher auch der Eindruck plausibel, dass ein ebenso talentierter wie ehrgeiziger Journalist die Chance nutzen will, über das publizistisch zunächst noch dünn besetzte national-konservative Meinungsspektrum im Schnellgang zu reüssieren. Hierzu musste sich Köppel vom selbsterklärten rechten Sozialdemokraten zum lautstarken Bewunderer des von ihm schlicht als „genial“ erkannten SVP-Volkstribunen Christoph Blocher wandeln, um schließlich daran denken zu können, ihn einstmals als Politiker und Stratege beerben zu dürfen.
Egal, welches Bild sich fügt, es bleibt nicht erspart, sich mit Köppels Meinungsäußerungen auseinanderzusetzen. Demokratie und Freiheit erzwingen Zumutungen, wer nicht aggressiv für ihre Abschaffung kämpft, darf sich Gehör verschaffen. Wer anderer Meinung ist, darf und muss widersprechen – und das am besten leidenschaftlich und mit der Mächtigkeit von Fakten, wie sie auch Rysers Recherchen in Fülle liefern.
REINHARD GAIER
Reinhard Gaier war Richter des Bundesverfassungsgerichts und ist derzeit Gastprofessor am Chinesisch-Deutschen Institut für Rechtswissenschaft in Peking.
Kritiker werfen dem Autor
vor, er habe sich mit dem
SVP-Politiker verbrüdert
Es ist möglich, Köppel
als Fehlgeleiteten, vielleicht auch
ehrlich Getriebenen zu sehen
Daniel Ryser:
In Badehosen nach
Stalingrad. Der Weg von
Roger Köppel. Echtzeit-Verlag, Basel 2018.
272 Seiten, 32 Euro
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