Countering our divisive times, In Defense of Globalism makes the conservative case in favor of international organizations and cooperation. Moving beyond empty political rhetoric, Dalibor Rohac's meticulous research and clear analysis assess and explain the strengths, flaws, and relevant trade-offs of different forms of global governance.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungWider die Nationalisten
Neue Ordnungspolitik für die Globalisierung
Die Globalisierung ist nicht erst durch die Verwerfungen der Corona-Krise ins Stottern geraten, eine Verlangsamung bei den Handels- und Kapitalverflechtungen deutete sich schon in den vergangenen Jahren an. Vor allem aber scheint sich jüngst ein Wandel im Denken über die Globalisierung zu vollziehen: War sie um die Jahrtausendwende noch vor allem das Objekt von Kritik aus dem linken Teil des politischen Spektrums, marschierten vor einigen Jahren bei den Protesten gegen das TTIP-Abkommen oft linke und rechte Globalisierungskritiker Seite an Seite. Beide Kritikergruppen haben im "Globalismus" eine neue Ideologie ausgemacht, die den Nationalstaat und dessen demokratische Souveränität im Kern bedrohe.
Vor diesem Hintergrund hat der slowakische, in Washington tätige Ökonom Dalibor Rohac ein packendes und zugleich nüchternes Buch geschrieben, in dem er den Begriff "Globalismus" aufgreift und mit dessen Hilfe Liberale und Konservative anregt, ihre Haltung zur Globalisierung zu überdenken. Wie im Vorfeld des Brexits, als er ein Plädoyer für die EU verfasste und damit den britischen Konservativen ins Gewissen redete, führt Rohac auch im vorliegenden Buch theoretische und historische Argumente an, wie den Versuchungen zu widerstehen ist, die rechtspopulistische Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks verbreiten.
Wie alles, was der Mensch geschaffen hat, ist auch die Globalisierung alles andere als vollkommen. Rohac behauptet keineswegs, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Vielmehr bietet er dem interessierten Laien Werkzeuge an, wie die Institutionen und Organisationen der Globalisierung besser verstanden und auch reformiert werden können. Unter Institutionen versteht Rohac, ganz im Sinne der Freiburger Schule, die Spielregeln für einzelne Prozesse der Globalisierung, unter Organisationen hingegen die konkreten bürokratischen Gebilde. Sein theoretischer Zugang fußt vor allem auf den Erkenntnissen von Vincent und Elinor Ostrom und deren Begriff der "Polyzentrizität": Die beiden Politikwissenschaftler begründeten an der Indiana University die Bloomingtoner Schule der politischen Ökonomie, deren Ergebnisse im Jahre 2009 mit dem Ökonomie-Nobelpreis für Elinor Ostrom ausgezeichnet wurden.
Ein polyzentrischer Zugang zur Globalisierung hat viele Vorteile für ihr Verstehen und Gestalten. Diese Sicht betont, dass die globale Governance-Architektur gerade seit der Nachkriegszeit aus sehr unterschiedlichen Institutionen und Organisationen besteht, die auf verschiedenen Ebenen liegen, dynamisch sind und oft in überlappender, nicht immer widerspruchsfreier Weise wirken. Der Nationalstaat ist ein Knoten innerhalb dieses Geflechts. Die Behauptung vieler Populisten, dass trotz der heutigen Dichte der politischen und ökonomischen Verflechtungen eine volle Souveränität des Nationalstaats möglich sei, entlarvt Rohac als gefährlichen Mythos. Stattdessen hilft der Ostrom'sche Polyzentrismus, die institutionelle Vielfalt zu entschlüsseln und dabei zu lernen, dass die Moderne für Menschen wie Staaten vor allem eins bedeutet: In gegenseitigen Abhängigkeiten zu leben, welche die Quelle ökonomischer Prosperität sind und von den politischen Beteiligten laufend neu geordnet werden.
Rohac zeigt mit seinem historischen Material eindrücklich, warum gerade für Liberale die heutige Globalisierung zwar nicht die beste aller möglichen, aber vielleicht die beste aller gewesenen Welten sein könnte. Der Wohlstand der Nachkriegszeit, der gerade in den vier besonders globalisierungsintensiven Jahrzehnten seit 1980 zum weltweiten Rückgang der absoluten Armut beitrug; der Rückgang kriegerischer Gewalt und die zunehmende Beachtung des Völkerrechts; die Ausbreitung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; der Aufbau vieler internationaler Organisationen auch jenseits der UN, die strukturell die Interessen kleinerer Staaten adäquat zu berücksichtigen versuchen - all das ist sicher ausbaufähig und reformbedürftig, aber in historischer Perspektive doch sehr beachtlich und das Ergebnis der Spielregeln der vergangenen Jahrzehnte.
Rohacs Globalismus, den er in der langen Tradition des Kosmopolitismus von Immanuel Kant bis Friedrich August von Hayek verortet, richtet sich nicht pauschal gegen den Nationalstaat oder den Patriotismus. Auch ist das kein Plädoyer für grenzenlose Offenheit, sondern - Rohac bezieht sich dabei explizit auf die Ordoliberalen - für eine neue Ordnungspolitik der Globalisierung. Grenzen wird es zwar weiterhin geben, bloß hinterfragt Rohac die Behauptungen von Nationalisten, dass die nationalstaatlichen Grenzen mit kulturellen Grenzen gleichzusetzen seien oder dass eine kosmopolitische Identität kaum mit der Achtung für die eigene Kultur einhergehen könne. Die reformerische Stoßrichtung seines Buches zielt gerade darauf ab, dass der Nationalstaat oft gleichzeitig zu groß und zu klein ist: Zu groß im Sinne einer Verdrängung der dezentralen Lösungsmechanismen in föderalen Gebilden, aber zu klein für die Lösung von wirklich globalen Problemen wie dem Klimawandel oder der aktuellen Pandemie. Der Ansatz setzt hierbei die Bereitschaft voraus, die Kompetenzen zwischen den verschiedenen Ebenen ständig zu hinterfragen und neu auszutarieren. Im Sinne der Subsidiarität werden Lösungen auf möglichst dezentraler Ebene vorgezogen.
Rohacs Buch überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch rhetorisch. Sein besonnener Stil trägt zu einer umso eindrücklicheren Warnung vor denjenigen bei, die mit wohlklingenden Begriffen wie Souveränität eigentlich Abschottung, Protektionismus und Isolationismus meinen.
STEFAN KOLEV
Dalibor Rohac: In Defense of Globalism, Rowman & Littlefield, Lanham 2019, 157 Seiten, 33 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Neue Ordnungspolitik für die Globalisierung
Die Globalisierung ist nicht erst durch die Verwerfungen der Corona-Krise ins Stottern geraten, eine Verlangsamung bei den Handels- und Kapitalverflechtungen deutete sich schon in den vergangenen Jahren an. Vor allem aber scheint sich jüngst ein Wandel im Denken über die Globalisierung zu vollziehen: War sie um die Jahrtausendwende noch vor allem das Objekt von Kritik aus dem linken Teil des politischen Spektrums, marschierten vor einigen Jahren bei den Protesten gegen das TTIP-Abkommen oft linke und rechte Globalisierungskritiker Seite an Seite. Beide Kritikergruppen haben im "Globalismus" eine neue Ideologie ausgemacht, die den Nationalstaat und dessen demokratische Souveränität im Kern bedrohe.
Vor diesem Hintergrund hat der slowakische, in Washington tätige Ökonom Dalibor Rohac ein packendes und zugleich nüchternes Buch geschrieben, in dem er den Begriff "Globalismus" aufgreift und mit dessen Hilfe Liberale und Konservative anregt, ihre Haltung zur Globalisierung zu überdenken. Wie im Vorfeld des Brexits, als er ein Plädoyer für die EU verfasste und damit den britischen Konservativen ins Gewissen redete, führt Rohac auch im vorliegenden Buch theoretische und historische Argumente an, wie den Versuchungen zu widerstehen ist, die rechtspopulistische Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks verbreiten.
Wie alles, was der Mensch geschaffen hat, ist auch die Globalisierung alles andere als vollkommen. Rohac behauptet keineswegs, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Vielmehr bietet er dem interessierten Laien Werkzeuge an, wie die Institutionen und Organisationen der Globalisierung besser verstanden und auch reformiert werden können. Unter Institutionen versteht Rohac, ganz im Sinne der Freiburger Schule, die Spielregeln für einzelne Prozesse der Globalisierung, unter Organisationen hingegen die konkreten bürokratischen Gebilde. Sein theoretischer Zugang fußt vor allem auf den Erkenntnissen von Vincent und Elinor Ostrom und deren Begriff der "Polyzentrizität": Die beiden Politikwissenschaftler begründeten an der Indiana University die Bloomingtoner Schule der politischen Ökonomie, deren Ergebnisse im Jahre 2009 mit dem Ökonomie-Nobelpreis für Elinor Ostrom ausgezeichnet wurden.
Ein polyzentrischer Zugang zur Globalisierung hat viele Vorteile für ihr Verstehen und Gestalten. Diese Sicht betont, dass die globale Governance-Architektur gerade seit der Nachkriegszeit aus sehr unterschiedlichen Institutionen und Organisationen besteht, die auf verschiedenen Ebenen liegen, dynamisch sind und oft in überlappender, nicht immer widerspruchsfreier Weise wirken. Der Nationalstaat ist ein Knoten innerhalb dieses Geflechts. Die Behauptung vieler Populisten, dass trotz der heutigen Dichte der politischen und ökonomischen Verflechtungen eine volle Souveränität des Nationalstaats möglich sei, entlarvt Rohac als gefährlichen Mythos. Stattdessen hilft der Ostrom'sche Polyzentrismus, die institutionelle Vielfalt zu entschlüsseln und dabei zu lernen, dass die Moderne für Menschen wie Staaten vor allem eins bedeutet: In gegenseitigen Abhängigkeiten zu leben, welche die Quelle ökonomischer Prosperität sind und von den politischen Beteiligten laufend neu geordnet werden.
Rohac zeigt mit seinem historischen Material eindrücklich, warum gerade für Liberale die heutige Globalisierung zwar nicht die beste aller möglichen, aber vielleicht die beste aller gewesenen Welten sein könnte. Der Wohlstand der Nachkriegszeit, der gerade in den vier besonders globalisierungsintensiven Jahrzehnten seit 1980 zum weltweiten Rückgang der absoluten Armut beitrug; der Rückgang kriegerischer Gewalt und die zunehmende Beachtung des Völkerrechts; die Ausbreitung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; der Aufbau vieler internationaler Organisationen auch jenseits der UN, die strukturell die Interessen kleinerer Staaten adäquat zu berücksichtigen versuchen - all das ist sicher ausbaufähig und reformbedürftig, aber in historischer Perspektive doch sehr beachtlich und das Ergebnis der Spielregeln der vergangenen Jahrzehnte.
Rohacs Globalismus, den er in der langen Tradition des Kosmopolitismus von Immanuel Kant bis Friedrich August von Hayek verortet, richtet sich nicht pauschal gegen den Nationalstaat oder den Patriotismus. Auch ist das kein Plädoyer für grenzenlose Offenheit, sondern - Rohac bezieht sich dabei explizit auf die Ordoliberalen - für eine neue Ordnungspolitik der Globalisierung. Grenzen wird es zwar weiterhin geben, bloß hinterfragt Rohac die Behauptungen von Nationalisten, dass die nationalstaatlichen Grenzen mit kulturellen Grenzen gleichzusetzen seien oder dass eine kosmopolitische Identität kaum mit der Achtung für die eigene Kultur einhergehen könne. Die reformerische Stoßrichtung seines Buches zielt gerade darauf ab, dass der Nationalstaat oft gleichzeitig zu groß und zu klein ist: Zu groß im Sinne einer Verdrängung der dezentralen Lösungsmechanismen in föderalen Gebilden, aber zu klein für die Lösung von wirklich globalen Problemen wie dem Klimawandel oder der aktuellen Pandemie. Der Ansatz setzt hierbei die Bereitschaft voraus, die Kompetenzen zwischen den verschiedenen Ebenen ständig zu hinterfragen und neu auszutarieren. Im Sinne der Subsidiarität werden Lösungen auf möglichst dezentraler Ebene vorgezogen.
Rohacs Buch überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch rhetorisch. Sein besonnener Stil trägt zu einer umso eindrücklicheren Warnung vor denjenigen bei, die mit wohlklingenden Begriffen wie Souveränität eigentlich Abschottung, Protektionismus und Isolationismus meinen.
STEFAN KOLEV
Dalibor Rohac: In Defense of Globalism, Rowman & Littlefield, Lanham 2019, 157 Seiten, 33 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main