In den nördlichen Bundesstaaten Indiens, den "Sieben Schwestern", herrschen die Gesetze der Klans und Krieger. Peter van Ham und seiner Frau gelingt es 1996 erstmals in die urtümliche Welt der Dschungelberge zwischen Tibet und Burma zu reisen, die 55 Jahre lang gesperrt waren. Dort erlebt er Initiierungsfeste, Tieropfer und Schlangenkult. Er trifft auf eine der letzten vom Mutterrecht geprägten Kulturen Indiens, wo die Erbfolge durch die jüngste Tochter bestimmt wird und Männer Emanzipationsbewegungen gründen.Höhepunkt der Erzählung ist die Begegnung mit den Naga, einer Gruppe von rituellen Kopfjägern, die van Ham in ihre Bräuche einweihen. Ein außergewöhnliches Buch über ein kaum erforschtes Gebiet der Erde, wo sich uralte, vergessen geglaubte Traditionen bewahrt haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2007Männer am neuen Herd
In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begegnete der österreichische Ethnologe Christoph von Fürer-Haimendorf im weltabgeschiedenen Nordosten Indiens dem Bergvolk der Apa Tani und verewigte es in seinem Buch "Glückliche Barbaren". Angeregt von dessen Lektüre, reisten Peter van Ham und seine Frau 1996 als erste Europäer seit Fürer-Haimendorf auf den Spuren der Apa Tani, die im Subansiri-Distrikt von Arunachal Pradesh auf fast zweitausend Meter Höhe leben. Die Tour führt durch viele bis heute nur mit regierungsamtlicher Erlaubnis zugängliche Regionen. So konnte der Autor, der Sperrgebiete als sein Metier beschreibt, manche Gegend nur unter Vermittlung oder in Begleitung von Tourismusbeauftragten, Regierungsbeamten oder gar bewaffneten Eskorten besuchen, was bei aller Pionierarbeit die Authentizität der Berichterstattung ein wenig in Frage stellt. Gleichwohl betont er die Bodenhaftung und Traditionsverwurzelung Nordostindiens im Gegensatz zu den esoterischen Kulturen des Westhimalajas. Das Buch gibt Einsichten in indigene Gesetze und Tabus, in Fruchtbarkeitskulte und agrarische Festkalender, in gesellschaftliche Hierarchien und Geschlechterverhältnisse. Beeindruckend ist die Reise in den matriarchalischen Staat Meghalaya einschließlich des Besuchs bei den Vorsitzenden einer "Vereinigung des neuen Herdes" genannten männlichen Emanzipationsbewegung. Immer wieder geht van Ham den vermeintlichen Fortschrittsschüben und Identitätsbedrohungen Nordostindiens nach. Am lautesten fällt die Verwestlichungskritik - neben der britischen Kolonialisierung - an der als Zivilisierungsmaßnahme missverstandenen Missionierung und Christianisierung aus. Ferner beleuchtet das informative, ohne Exotismus und Voyeurismus auskommende Buch am Beispiel des Nagalands die nach der Unabhängigkeit sich neu eröffnenden Konfliktlinien, Korruptionsfälle und Untergrundbewegungen. Immer wieder aber erhält der Leser auch pittoreske Einblicke in kulturelle Praktiken - etwa die mittlerweile nur noch symbolisch betriebene Kopfjagd. Ein Glossar zur verwirrenden Vielfalt der Ethnien, Rituale und Glaubensformen wäre wünschenswert gewesen.
sg
"In den Bergen der Kopfjäger. Indiens wilder Nordosten" von Peter van Ham. Frederking & Thaler Verlag, München 2006. 256 Seiten, 48 Farbfotos, eine Karte. Gebunden, 19,90 Euro. ISBN 3-89405-664-9.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begegnete der österreichische Ethnologe Christoph von Fürer-Haimendorf im weltabgeschiedenen Nordosten Indiens dem Bergvolk der Apa Tani und verewigte es in seinem Buch "Glückliche Barbaren". Angeregt von dessen Lektüre, reisten Peter van Ham und seine Frau 1996 als erste Europäer seit Fürer-Haimendorf auf den Spuren der Apa Tani, die im Subansiri-Distrikt von Arunachal Pradesh auf fast zweitausend Meter Höhe leben. Die Tour führt durch viele bis heute nur mit regierungsamtlicher Erlaubnis zugängliche Regionen. So konnte der Autor, der Sperrgebiete als sein Metier beschreibt, manche Gegend nur unter Vermittlung oder in Begleitung von Tourismusbeauftragten, Regierungsbeamten oder gar bewaffneten Eskorten besuchen, was bei aller Pionierarbeit die Authentizität der Berichterstattung ein wenig in Frage stellt. Gleichwohl betont er die Bodenhaftung und Traditionsverwurzelung Nordostindiens im Gegensatz zu den esoterischen Kulturen des Westhimalajas. Das Buch gibt Einsichten in indigene Gesetze und Tabus, in Fruchtbarkeitskulte und agrarische Festkalender, in gesellschaftliche Hierarchien und Geschlechterverhältnisse. Beeindruckend ist die Reise in den matriarchalischen Staat Meghalaya einschließlich des Besuchs bei den Vorsitzenden einer "Vereinigung des neuen Herdes" genannten männlichen Emanzipationsbewegung. Immer wieder geht van Ham den vermeintlichen Fortschrittsschüben und Identitätsbedrohungen Nordostindiens nach. Am lautesten fällt die Verwestlichungskritik - neben der britischen Kolonialisierung - an der als Zivilisierungsmaßnahme missverstandenen Missionierung und Christianisierung aus. Ferner beleuchtet das informative, ohne Exotismus und Voyeurismus auskommende Buch am Beispiel des Nagalands die nach der Unabhängigkeit sich neu eröffnenden Konfliktlinien, Korruptionsfälle und Untergrundbewegungen. Immer wieder aber erhält der Leser auch pittoreske Einblicke in kulturelle Praktiken - etwa die mittlerweile nur noch symbolisch betriebene Kopfjagd. Ein Glossar zur verwirrenden Vielfalt der Ethnien, Rituale und Glaubensformen wäre wünschenswert gewesen.
sg
"In den Bergen der Kopfjäger. Indiens wilder Nordosten" von Peter van Ham. Frederking & Thaler Verlag, München 2006. 256 Seiten, 48 Farbfotos, eine Karte. Gebunden, 19,90 Euro. ISBN 3-89405-664-9.
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