Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 39,00 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Erstmals veröffentlichte Fotos von Heinrich Pieroth aus den 1920er bis 1950er Jahren.Heinrich Pieroth (1893-1964) war Fotograf in Mayen und konzentrierte sich in seinen Arbeiten ganz auf seine Heimatregion. Von den 1920er Jahren bis in die 1950er Jahre hielt er in beeindruckenden Fotos die Landschaften, ihre Bewohner und deren Alltag im Südosten der Eifel fest. Das Rheinische Bildarchiv betreut den fotografischen Nachlass von Heinrich Pieroth, der in großen Teilen nun erstmals veröffentlicht wird. In diesem Band ist dieser fotografische Schatz zu entdecken: In enger kontinuierlicher…mehr

Produktbeschreibung
Erstmals veröffentlichte Fotos von Heinrich Pieroth aus den 1920er bis 1950er Jahren.Heinrich Pieroth (1893-1964) war Fotograf in Mayen und konzentrierte sich in seinen Arbeiten ganz auf seine Heimatregion. Von den 1920er Jahren bis in die 1950er Jahre hielt er in beeindruckenden Fotos die Landschaften, ihre Bewohner und deren Alltag im Südosten der Eifel fest. Das Rheinische Bildarchiv betreut den fotografischen Nachlass von Heinrich Pieroth, der in großen Teilen nun erstmals veröffentlicht wird. In diesem Band ist dieser fotografische Schatz zu entdecken: In enger kontinuierlicher Beobachtung schuf der Fotograf ein visuelles Gedächtnis der Eifel - zu einer Zeit, als nicht nur die bis heute ländlich geprägte Region die Schwelle zur Moderne überschritt, sondern auch die Fotografie selbst.
Autorenporträt
Katja Hoffmann ist Redakteurin und Lektorin mit dem Schwerpunkt Kultur und kulturelles Erbe. Für den Bildband »In der Eifel« hat sie die Glasplatten-Sammlung des Pieroth-Nachlasses gesichtet und die wichtigsten Motivgruppen zusammengestellt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2020

Streifzüge mit dem Linienbus

Die Eifel ist ein karger Landstrich. Dennoch fühlte sich Heinrich Pieroth dort wohl. In Mayen führte er ein Porträtstudio. In der Freizeit aber erkundete er mit seiner Kamera die Umgebung.

Von Klaus Simon

Der härteste Winter, den ich je erlebt habe, war ein Sommer in der Eifel." Das stammt von Thomas D., dem Frontmann der Musikgruppe Die Fantastischen Vier. Was launig formuliert klingt, ist gleichwohl ein treffender Satz über das spröde Mittelgebirge tief im Westen des Landes. Und Deutschlands dienstältester Rapper weiß durchaus, wovon er textet. Der gebürtige Schwabe lebt seit etwa zwanzig Jahren in einem Dorf bei Daun. In der Eifel.

Die Eifel zu lieben, bedarf es eines besonderen Blicks und einer gewissen Unerschütterlichkeit. Dort gleich sein ganzes Leben verbracht, von wenigen Wanderjahren abgesehen, hat Heinrich Pieroth. Im Jahr 1893 in Mayen zur Welt gekommen, begann Pieroth mit vierzehn Jahren eine Lehre in der Kleinstadt im Fotoatelier der Geschwister Sinemus. Er ging auf Wanderschaft. Und er kehrte zurück. Vom Ende des Ersten Weltkriegs unterhielt er bis zu seinem Tod 1964 im Erdgeschoss des Elternhauses das "Photographische Atelier Heinrich Pieroth". In den zwanziger Jahren begann Pieroth, die Eifel in Streifzügen zu erkunden. Für die folgenden vierzig Jahre war die Kamera immer dabei, wenn er sich auf den Weg machte. Wie auch die Armut.

Noch in den dreißiger Jahren galt die Eifel als eine der ärmsten Gegenden im Deutschen Reich. Es ist eine Armut mit einer sehr langen Geschichte, die von Generation zu Generation vererbt wurde und die sich tief in die Gesichter der von Pieroth porträtierten Bewohner gegraben hat: der Schäfer, Bauern, Imker, Viehhändler, Lohgerber, Pflastersteinschläger, selbst der Dorfhonoratioren - und bisweilen meint man, hinter den Konterfeis tauche noch immer der Befehl von 1689 auf: "Zerstören Sie, demolieren Sie!" So hatte es der Kriegsminister François Michel Le Tellier de Louvois von General Louis-François de Boufflers gefordert, der damals mit seiner Armee in der Eifel stand. Der dritte Raubzug des französischen Sonnenkönigs in die Rheinlande schien im Frühjahr selbigen Jahres zum Scheitern verurteilt. Louvois gab Order zur verbrannten Erde. Als die Franzosen wieder abzogen, berichteten die Chronisten von einem entvölkerten und verwüsteten Landstrich. Dabei war er genau genommen schon zuvor, in der Jülicher Fehde 1542 bis 1543, in den niederländischen Unabhängigkeitskriegen, im Dreißigjährigen Krieg verheert worden. Das neuerliche Desaster schien deshalb nur so etwas wie der Schlusspunkt eines besiegelten Schicksals.

Hungersnöte und Wolfsplagen brachten der Eifel im neunzehnten Jahrhundert den Ruf als "Rheinisches Sibirien" ein. Das ruppige Klima, an den Nord- und Westflanken des Mittelgebirges tobt sich so ziemlich jeder Tiefausläufer aus, der vom Atlantik Richtung Deutschland heranzieht, magere Böden und noch magerere Ernten taten ein Übriges. Die Eifel wurde zum Auswandererland. Bis heute zählt die Region zu den am dünnsten besiedelten Deutschlands.

In den Abwehrschlachten am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Dörfer und Städte noch einmal verwüstet. Pieroths Heimatstadt Mayen fiel bei alliierten Luftangriffen im Dezember 1944 und Januar 1945 fast komplett in Schutt und Asche. Das Tageslichtatelier mit den gläsernen Dach- und Wandflächen war zerstört. Nicht jedoch sein Archiv, das rechtzeitig in einem Bunker unter der Mayener Genovevaburg eingelagert worden war. Die dadurch geretteten, vom Rheinischen Bildarchiv konservatorisch betreuten und erforschten Arbeiten, schätzungsweise fünftausend Glasnegative und vierhundert Mittelformatnegativfilme, ergeben das Bild einer Region und ihrer Bewohner an der Schwelle zur Moderne.

Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts schauen in die Kamera des umherwandernden Fotografen oder lassen sich von Pieroth bei ihren Tätigkeiten ablichten. Herz-Jesu-Priester geben sich selbstsicher. Eine Hundertjährige trägt zerschlissene Tracht. Städter haben zur Wanderung Knickerbockers angezogen. Pilgerinnen sind im Sonntagsstaat zum Kloster Maria Martenthal aufgebrochen. Glockengießer posieren stolz vor dem Geläut. Doch anders als der berühmte Kollege und Zeitgenosse August Sander, der zwischen den beiden Weltkriegen ebenfalls die Eifel mit der Kamera bereist hat, verfolgte Pieroth kein epochemachendes Großprojekt. Vielmehr konzentrierte er sich fast ausschließlich auf die Südosteifel, wo die Kornkammer der Maisfelder auf den Basalttagebau bei Mayen und die Schiefergruben am Katzenberg trifft.

Pieroth nutzte für die Streifzüge den Linienbus der Kraftpost. Auch das erklärt den engen Radius. Mehr noch aber dürfte die bedingungslose Liebe zu seiner Heimat der wahre Grund für die geographische Beschränkung gewesen sein. "Ein Stück Eifelschönheit einzufangen" - darum ist es ihm gegangen. Er findet sie überall: wenn der Rauhreif die Fichten und den Ginster weiß glasiert hat. Wenn die Maare geheimnisvoll still in der Landschaft liegen. Wenn er sich auf die Furchen in den Landstraßen konzentriert, von den eisenbeschlagenen Rädern der Pferdefuhrwerke in den Boden gedrückt. Wenn Wegekreuze aus Basalt der Zeit, dem Wind und dem Wetter getrotzt haben und dennoch die Spuren der Zeit auf ihnen liegen. Stroh bedeckt Dächer. Noch dürfen Burgen bröckeln, der Kirchenputz trägt Flecken, die Dorfgassen sind ungepflastert. Elend ist auf seinen Bildern trotz aller Armut nicht zu sehen.

In der Eifel. Fotografien von Heinrich Pieroth aus den 1920er bis 1950er Jahren. Bearbeitet von Katja Hoffmann. Herausgegeben vom Rheinischen Bildarchiv Köln. Emons Verlag, Köln 2020. 320 Seiten, etwa 300 Abbildungen. Gebunden, 39,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr