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Der Biologe und Verhaltensforscher Professor Eibl-Eibesfeldt macht sich Gedanken über die Zukunftsaussichten der Menschheit. Wir sind zwar ein "Volltreffer der Evolution", gefährden aber durch ungezügeltes Machtstreben und Konkurrenzdenken unser Überleben. Der Autor stellt provozierende Fragen: Haben Vernunft und Moral im freien Wettbewerb noch eine Chance? Wie können wir der Falle des Kurzzeitdenkens entrinnen? Können wir unsere Zukunft verantwortlich gestalten?

Produktbeschreibung
Der Biologe und Verhaltensforscher Professor Eibl-Eibesfeldt macht sich Gedanken über die Zukunftsaussichten der Menschheit. Wir sind zwar ein "Volltreffer der Evolution", gefährden aber durch ungezügeltes Machtstreben und Konkurrenzdenken unser Überleben. Der Autor stellt provozierende Fragen: Haben Vernunft und Moral im freien Wettbewerb noch eine Chance? Wie können wir der Falle des Kurzzeitdenkens entrinnen? Können wir unsere Zukunft verantwortlich gestalten?
Autorenporträt
Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Prof. Dr. Dr. h.c., geb. 1928 in Wien, Leiter des Humanethologischen Filmarchivs der Max-Planck-Gesellschaft, Direktor des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Stadtethologie in Wien, bis 1996 Leiter der humanethologischen Forschungsstelle in der Max-Planck-Gesellschaft; langjährige Zusammenarbeit mit Konrad Lorenz, zahlreiche Forschungsexpeditionen (u.a. zwei Xarifa-Expeditionen mit Hans Hass) und Veröffentlichungen
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.1999

Womit man alles rechnen muß
Wenn ihr dem Rat des alten Weisen folgt: Irenäus Eibl-Eibesfeld hat die Gabe der Hellsicht

Irenäus Eibl-Eibesfeld warnt vor der Falle des Kurzzeitdenkens und schreibt ein Buch für Kurzzeitleser. Der eilige Zeitgenosse kann die Lektüre guten Gewissens am Schluß beginnen, wo der Autor ein Kondensat in dreiunddreißig Thesen gibt, gefolgt von einem Streitgespräch mit Daniel Cohn-Bendit. Essenz und Dissens auf zweiundzwanzig Seiten - Musterbeispiel für ressourcenschonendes Schreiben.

Die Thesen beeindrucken weitaus mehr durch ihre stolze Zahl als durch den Inhalt. Zur Sicherheit hat der Autor ihnen eine Reihe von Kapiteln vorangestellt, die seine politischen Überlegungen als wissenschaftlich motiviert erscheinen lassen sollen. Der Biologe und Verhaltensforscher umreißt anthropologische Grundzüge, beschreibt stammesgeschichtliche Vorprogrammierungen und Belastungen. "Und damit muß man eben rechnen." Das Gros der Thesen rekapituliert daher evolutionsbiologische Allgemeinplätze und allerlei Befunde aus der Verhaltensforschung. Zu was für Schlüssen aber kommt der Autor, der uns Wege aus der Kurzzeitfalle weisen will?

Er fordert ein Überlebensethos, das die Interessen künftiger Generationen berücksichtigen soll. Die vom Verlag versprochenen "provozierenden Thesen" müssen andere sein. Vielleicht, daß Eibl-Eibesfeldt vor der Globalisierung warnt, die Abkehr vom Sozialstaat beklagt und sich zu einem Europa der Nationen bekennt? Wohl kaum, und die entsprechenden Vorschläge sind auch nicht gerade kreativ. Gegen die Globalisierung empfiehlt Eibl-Eibesfeldt Handelsbeschränkungen. Er hegt zugleich den Wunsch (ohne diesen zu begründen), auch Rußland möge in "nicht allzu ferner Zeit" der Europäischen Union beitreten. Das wohlfeile Bekenntnis zu Europa, das sich als Vorbild weltweiter "ökosozialer Friedensregionen" bewähren müsse, steht unvermittelt neben dem Festhalten am traditionellen Nationalstaatsdenken. Ob Rußland sich dem erhofften "abendländischen Patriotismus" so einfach anschließen wird, interessiert den sonst so entschiedenen Integrationsskeptiker wenig.

Provozierend ist einzig und allein, wie Eibl-Eibesfeldt seine bekannten Ansichten zum Thema Einwanderung und Migration als Konsequenz weitsichtigen Verantwortungsbewußtseins darstellt. Das Boot ist voll, die Schotten dicht! Im flotten, wissenschaftlich aufgepeppten Mix aus Fakten und Forderungen klingt das natürlich etwas edler. Die "ökologische Tragfähigkeit" ist erschöpft, und die Sicherung des inneren Friedens "macht eine Begrenzung der Immigration aus kulturell und anthropologisch ferner stehenden Populationen notwendig". Ceterum censeo. Halbwegs originell ist immerhin der Vorschlag zur Lösung des Flüchtlings- und Asylproblems, das nach Eibl-Eibesfeldt in die Kompetenz der Vereinten Nationen fällt. Diese sollten "in der Nähe der Krisengebiete Regionen militärisch besetzen, sie mit allen Infrastrukturen für Erziehung und Wohlergehen ausstatten und als Schutzregionen für Flüchtende jeder Art ausweisen". Genial: Wer Ungarn und Bulgarien okkupiert, braucht keine Balkanflüchtlinge mehr aufzunehmen! Mit dialektischer Raffinesse hebt Eibl-Eibesfeldt als Vorteil hervor, daß der Weltgemeinschaft bei dieser Lösung ihre ungelösten Probleme stets vor Augen blieben. Bleibt zu hoffen, daß die Tagesschau allabendlich von Madagaskar berichten wird.

Vom vergleichenden Verhaltensforscher erführe man gerne, wie und in welchen Grenzen ein Zusammenleben verschiedener Kulturen und Ethnien möglich ist. Die homogene Volksgemeinschaft ist hierzulande schließlich nur mehr eine kontrafaktische Annahme. Das abschließende Streitgespräch mit Daniel Cohn-Bendit, ein Wiederabdruck aus dem "Stern" von 1992, wird so zum Offenbarungseid, denn Eibl-Eibesfeldt kann (oder will) keine Kriterien für ethnische und kulturelle Identität sowie die vielbeschworene "kulturelle Tragekapazität" angeben. Da bleibt nur die Berufung auf das, was man früher gesundes Volksempfinden nannte: Regt sich der Ausländerhaß, ist das Boot eben voll. Die Tatsache, daß Ressentiments häufig dort in Gewalt umschlagen, wo der Ausländeranteil eher niedrig ist, kümmert Eibl-Eibesfeldt nicht. Er verlangt vom Fremden Assimilation. Die Auffassung, dadurch lasse sich die Eskalation in einer Angstsituation vermeiden, ist allerdings reichlich naiv. Wenn der rechte Skin die Wut bekommt, dann haut er auf den "Neger", ob der nun assimiliert ist oder nicht. Auch damit muß man rechnen.

Einwanderung "bedeutet Verunsicherung, weil Menschen gezwungen werden, sich mit neuen, fremden Menschen, deren Kultur und Lebensweise auseinanderzusetzen. Das ist ein Problem." So klar und einfach formuliert Streitpartner Cohn-Bendit, ohne die Autorität ethologischer Studien zu bemühen. Eine Reglementierung der Einwanderung sei völlig in Ordnung, vor allem aber gelte es, das Zusammenleben möglichst gut zu regeln. Nur dann kann Integration gelingen. Gerade als "Generalist, Kulturwesen und Zielsetzer", wie Eibl-Eibesfeldt den Homo sapiens charakterisiert, muß sich der Mensch nicht mit dem ostinaten Hinweis auf eine archaische Fremdenfurcht begnügen. Selbst der Ethologe kann sich die hoffnungsvolle Bemerkung nicht verkneifen: "Wir stehen einander bei aller ethnischen Buntheit und Vielfalt im Grunde doch sehr nahe." Oder, wie der Gesprächsmoderator mit Blick auf die polnische Einwanderung ins Ruhrgebiet einwirft: "Am Ende ist doch aber dabei Schimanski herausgekommen." Vielleicht lebt Eibl-Eibesfeldt schon in einer halbwegs konfliktfreien multikulturellen Gesellschaft, während er sie noch als Schrecken an die Wand malt. Die Herausforderung für das Langzeitdenken lautet: Wir müssen uns Schimanski als einen dunkelhäutigen Menschen vorstellen.

ACHIM BAHNEN

Irenäus Eibl-Eibesfeldt: "In der Falle des Kurzzeitdenkens". Piper Verlag, München 1998. 222 S., Abb., geb., 36,- DM.

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