Verfilmt unter dem Titel »Die Unbeugsamen« - »ein sehr lesenswertes Buch« Margarete Stokowski.
Die Bundesrepublik war lange eine Männerrepublik. Frauen, die sich politisch engagierten, waren wenig sichtbar. »In der Männer-Republik« ist die spannende Chronik des Kampfes um politische Gleichberechtigung, der bis heute anhält.
Erst ein Sitzstreik von CDU-Frauen vor dem Kabinettsaal hatte Kanzler Konrad Adenauer 1961 gezwungen, Elisabeth Schwarzhaupt als erste Ministerin in sein viertes Kabinett aufzunehmen. Was ihn nicht daran hinderte, die Regierungsmitglieder weiterhin mit »Guten Morgen, meine Herren« zu begrüßen. Als in den Achtzigerjahren mit dem Einzug der Grünen in den deutschen Bundestag der Feminismus auf die politische Tagesordnung trat, war das Hohngelächter groß. Und auch Angela Merkel schlug in ihren Anfangsjahren noch jede Menge männlicher Ignoranz entgegen. Dennoch gab es von Anfang an in allen Parteien großartige Frauen, die sich politisch engagierten. Von ihnen und ihren Kämpfen um Macht und Gleichberechtigung erzählt Torsten Körner in dieser brillant geschriebenen weiblichen Geschichte der Bonner Republik.
Die Bundesrepublik war lange eine Männerrepublik. Frauen, die sich politisch engagierten, waren wenig sichtbar. »In der Männer-Republik« ist die spannende Chronik des Kampfes um politische Gleichberechtigung, der bis heute anhält.
Erst ein Sitzstreik von CDU-Frauen vor dem Kabinettsaal hatte Kanzler Konrad Adenauer 1961 gezwungen, Elisabeth Schwarzhaupt als erste Ministerin in sein viertes Kabinett aufzunehmen. Was ihn nicht daran hinderte, die Regierungsmitglieder weiterhin mit »Guten Morgen, meine Herren« zu begrüßen. Als in den Achtzigerjahren mit dem Einzug der Grünen in den deutschen Bundestag der Feminismus auf die politische Tagesordnung trat, war das Hohngelächter groß. Und auch Angela Merkel schlug in ihren Anfangsjahren noch jede Menge männlicher Ignoranz entgegen. Dennoch gab es von Anfang an in allen Parteien großartige Frauen, die sich politisch engagierten. Von ihnen und ihren Kämpfen um Macht und Gleichberechtigung erzählt Torsten Körner in dieser brillant geschriebenen weiblichen Geschichte der Bonner Republik.
»Ein Buch, das vor mutigen Frauen nur so strotzt [...]. Einfach beeindruckend!« Oberösterreichische Nachrichten 20210925
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Helene Bubrowski erfährt bei Torsten Körner von den harten Grabenkämpfen der ersten Frauen auf der politischen Bühne der Bonner Republik. Widerständlerinnen, Wegbereiterinnen und widerliche männliche Sexisten sind laut Bubrowski zu begutachten, wenn der Autor mitunter vergessene politische Vorreiterinnen wie Lenelotte von Bothmer, Helga Schuchardt oder Gabriele Potthast und ihre sexistischen Widersacher und "Busengrapscher" zu Wort kommen lässt. Eine andere Geschichte der Bonner Republik, an der Bubrowski Körners eigene Kommentare allerdings eher störend erscheinen, weil der Autor sich unnötigerweise entrüstet. Die Berichte stehen ganz gut für sich, findet die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.03.2020„Was sollen wir mit einer Frau im Kabinett?“
Kanzler Konrad Adenauer sträubte sich lange, doch 1961 saß dann doch die erste Ministerin auf die Regierungsbank.
Torsten Körner hat das Bonner Macho-Biotop in seinem Buch „Männerrepublik“ unter die Lupe genommen
VON DORION WEICKMANN
Im November 1966 betanzt die Bonner Politprominenz das Parkett des Bundespresseballs. Es sind harte Zeiten, zumindest für Kanzler Ludwig Erhard: Gerade erst hat die FDP die schwarz-gelbe Koalition platzen lassen. Das tut dem Amüsement in Robe und Frack zwar keinen Abbruch. Aber natürlich liefert das Regierungsdebakel jede Menge Gesprächsstoff, der „bei Sekt und heißen Rhythmen“ durchgehechelt wird. So vermeldet es wenig später die Wochenschau und zeigt dazu Aufnahmen von debattierenden Herrenzirkeln – keine Frau weit und breit. Nur Sekunden später gleitet das Kameraauge an weiblichen Hälsen hinunter, bis in die Tiefe der Dekolletés. Ob Gattin, ob Politikerin – die Bestimmung des Weibes ist es nun mal, dem starken Geschlecht den Steigbügel zu halten. Daran haben weder die grundgesetzlich verbriefte Gleichberechtigung noch die Parlamentarierinnen etwas geändert, die mal mehr, mal weniger streitbar in den Bundestagsdebatten ihre Stimmen erheben. Was sowieso nur denen gelingt, die einen sehr langen Atem, diplomatisches Geschick und eine dicke Haut ihr eigen nennen.
Davon zeugt Torsten Körners fabelhaftes Kollektivporträt „In der Männerrepublik“, das Werden und Wirken westdeutscher Politikerinnen nachzeichnet. Lektürefazit nach mehr als dreihundert Seiten: Im Biotop des Bonner Plenarsaals wucherten über Jahrzehnte hinweg Sexismus, Machismo und Diskriminierung in allerfeinster „Me Too“-Manier, gezüchtet und kultiviert von Saubermännern jeder Couleur. Deren Namen sind häufig in Erinnerung geblieben. Wer aber kennt noch Aenne Brauksiepe, Elinor Hubert oder Margot Kalinke? Selbst die wortgewaltige Marie-Elisabeth Lüders, die dem Hohen Haus mehr als einmal die Leviten las und 1954 (!) am Beispiel der Kellner und Kellnerinnen des Bundeshausrestaurants gegen ungleiche Bezahlung Front machte – selbst Lüders wäre garantiert vergessen, stünde nicht im Berliner Regierungsviertel ein nach ihr benanntes Gebäude. So wie viele Kolleginnen gehört die FDP-Frau zur „unsichtbaren Generation“ (Körner) jener Nachkriegspolitikerinnen, die am liebsten kleingehalten wurden. Auch von den eigenen Fraktionsfreunden. Die misogyne Betriebstemperatur befeuerte Konrad Adenauer, der vom Kanzleramt aus wissen ließ: „Was sollen wir mit einer Frau im Kabinett? Dann können wir nicht mehr so offen reden.“
Was in der Politik geschah, bestimmte auch andernorts die Routinen. Beim Fernsehen beispielsweise, wo Werner Höfer allsonntäglich zum „Internationalen Frühschoppen“ lud, einer Journalistenrunde mit weiblicher Minderheitsbeteiligung, die der Gastgeber mit altväterlichen Monologen ein- und auszuleiten pflegte. Als das ZDF 1971 mit Wibke Bruhns die erste Frontfrau der „heute“-Nachrichten kürte, stand die Männerrepublik kopf: „Unmögliche Frisur! Schließen Sie die Bluse!“ Ähnliche Invektiven bekamen auch Politikerinnen wie Lenelotte von Bothmer zu hören, die im Hosenanzug am Rednerpult erschien und dafür Kommentare weit unterhalb der Gürtellinie kassierte: „Sie sind ein unanständiges, würdeloses Weib.“
Vollends die Fassung verloren Vertreter der Volksparteien, als die Grünen auf der Bildfläche erschienen – und mit ihnen eine ganze Armada angriffslustiger Feministinnen. Die Schmähungen, die sie sich anhören mussten, nehmen den Ton heutiger Shitstorms vorweg. „Die ist auch besser im Bett als hier im Parlament,“ schallte es etwa 1984 Gabriele Potthast von der Regierungsbank entgegen. Allerdings taten sich auch die Grünen-Granden schwer mit der paritätischen Teilung der Macht. So zog sich der überparteilich fraternisierende Joschka Fischer mehr als einmal den Unmut selbst der allerfriedfertigsten Frauen zu, allen voran Antje Vollmer.
Eine Klasse für sich und zugleich ein Psycho-Problemfall erster Ordnung war Petra Kelly: Galionsfigur des Öko-Aufbruchs, die ihre Lebensdramen und -traumata in der Öffentlichkeit verhandelte und dennoch charismatisch glänzte. Zwischen der grünen Vorkämpferin und dem Patriarchenprimus Helmut Kohl macht Torsten Körner eine interessante Wahlverwandtschaft aus: Beide setzten ihre Körper als Herrschaftsinstrumente ein. Hier die zusehends ausgezehrte Aktivistin mit den dunklen Schatten unter den Augen, dort der beleibte Riese, der jede Szene im Handumdrehen dirigieren, jeden Auftritt allein dank seines Umfangs dominieren konnte – ihre Dünnhäutigkeit und seine Dickfelligkeit waren Elemente persönlicher Inszenierungen, Markenzeichen sozusagen. Dass Körner auch Hannelore Kohls Untergang rekonstruiert und als Tragödie einer begabten, aber allzu bescheidenen Frau beschreibt, ist insofern nur folgerichtig.
Mit Angela Merkel als vorerst letztem Eintrag endet diese aufschlussreiche Genealogie der bundesdeutschen Politfrauen. Noch aufschlussreicher fiele sie aus, wenn der Autor zumindest ein, zwei Mal einen Blick hinter die DDR-Kulissen gewagt hätte, wo Genossinnen wie Margot Honecker die Fäden zogen. Haben sie die gleichen Chauvi-Sprüche einstecken müssen wie Potthast & Co. und ebenso wenig Fair Play erlebt? Fragen, die Torsten Körner vielleicht schon auf seiner Agenda hat. Schön wär’s!
Als Lenelotte von Bothmer
im Hosenanzug ans Pult trat,
hieß es: „Würdeloses Weib!“
Torsten Körner:
In der Männerrepublik.
Wie Frauen die Politik
eroberten.
Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2020. 368 Seiten,
22 Euro. E-Book: 18,99 Euro.
Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) wurde 1961 als erste Ressortchefin der Republik vereidigt. Sie war für Gesundheit zuständig. Unten links Kanzler Konrad Adenauer.
dpa
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Kanzler Konrad Adenauer sträubte sich lange, doch 1961 saß dann doch die erste Ministerin auf die Regierungsbank.
Torsten Körner hat das Bonner Macho-Biotop in seinem Buch „Männerrepublik“ unter die Lupe genommen
VON DORION WEICKMANN
Im November 1966 betanzt die Bonner Politprominenz das Parkett des Bundespresseballs. Es sind harte Zeiten, zumindest für Kanzler Ludwig Erhard: Gerade erst hat die FDP die schwarz-gelbe Koalition platzen lassen. Das tut dem Amüsement in Robe und Frack zwar keinen Abbruch. Aber natürlich liefert das Regierungsdebakel jede Menge Gesprächsstoff, der „bei Sekt und heißen Rhythmen“ durchgehechelt wird. So vermeldet es wenig später die Wochenschau und zeigt dazu Aufnahmen von debattierenden Herrenzirkeln – keine Frau weit und breit. Nur Sekunden später gleitet das Kameraauge an weiblichen Hälsen hinunter, bis in die Tiefe der Dekolletés. Ob Gattin, ob Politikerin – die Bestimmung des Weibes ist es nun mal, dem starken Geschlecht den Steigbügel zu halten. Daran haben weder die grundgesetzlich verbriefte Gleichberechtigung noch die Parlamentarierinnen etwas geändert, die mal mehr, mal weniger streitbar in den Bundestagsdebatten ihre Stimmen erheben. Was sowieso nur denen gelingt, die einen sehr langen Atem, diplomatisches Geschick und eine dicke Haut ihr eigen nennen.
Davon zeugt Torsten Körners fabelhaftes Kollektivporträt „In der Männerrepublik“, das Werden und Wirken westdeutscher Politikerinnen nachzeichnet. Lektürefazit nach mehr als dreihundert Seiten: Im Biotop des Bonner Plenarsaals wucherten über Jahrzehnte hinweg Sexismus, Machismo und Diskriminierung in allerfeinster „Me Too“-Manier, gezüchtet und kultiviert von Saubermännern jeder Couleur. Deren Namen sind häufig in Erinnerung geblieben. Wer aber kennt noch Aenne Brauksiepe, Elinor Hubert oder Margot Kalinke? Selbst die wortgewaltige Marie-Elisabeth Lüders, die dem Hohen Haus mehr als einmal die Leviten las und 1954 (!) am Beispiel der Kellner und Kellnerinnen des Bundeshausrestaurants gegen ungleiche Bezahlung Front machte – selbst Lüders wäre garantiert vergessen, stünde nicht im Berliner Regierungsviertel ein nach ihr benanntes Gebäude. So wie viele Kolleginnen gehört die FDP-Frau zur „unsichtbaren Generation“ (Körner) jener Nachkriegspolitikerinnen, die am liebsten kleingehalten wurden. Auch von den eigenen Fraktionsfreunden. Die misogyne Betriebstemperatur befeuerte Konrad Adenauer, der vom Kanzleramt aus wissen ließ: „Was sollen wir mit einer Frau im Kabinett? Dann können wir nicht mehr so offen reden.“
Was in der Politik geschah, bestimmte auch andernorts die Routinen. Beim Fernsehen beispielsweise, wo Werner Höfer allsonntäglich zum „Internationalen Frühschoppen“ lud, einer Journalistenrunde mit weiblicher Minderheitsbeteiligung, die der Gastgeber mit altväterlichen Monologen ein- und auszuleiten pflegte. Als das ZDF 1971 mit Wibke Bruhns die erste Frontfrau der „heute“-Nachrichten kürte, stand die Männerrepublik kopf: „Unmögliche Frisur! Schließen Sie die Bluse!“ Ähnliche Invektiven bekamen auch Politikerinnen wie Lenelotte von Bothmer zu hören, die im Hosenanzug am Rednerpult erschien und dafür Kommentare weit unterhalb der Gürtellinie kassierte: „Sie sind ein unanständiges, würdeloses Weib.“
Vollends die Fassung verloren Vertreter der Volksparteien, als die Grünen auf der Bildfläche erschienen – und mit ihnen eine ganze Armada angriffslustiger Feministinnen. Die Schmähungen, die sie sich anhören mussten, nehmen den Ton heutiger Shitstorms vorweg. „Die ist auch besser im Bett als hier im Parlament,“ schallte es etwa 1984 Gabriele Potthast von der Regierungsbank entgegen. Allerdings taten sich auch die Grünen-Granden schwer mit der paritätischen Teilung der Macht. So zog sich der überparteilich fraternisierende Joschka Fischer mehr als einmal den Unmut selbst der allerfriedfertigsten Frauen zu, allen voran Antje Vollmer.
Eine Klasse für sich und zugleich ein Psycho-Problemfall erster Ordnung war Petra Kelly: Galionsfigur des Öko-Aufbruchs, die ihre Lebensdramen und -traumata in der Öffentlichkeit verhandelte und dennoch charismatisch glänzte. Zwischen der grünen Vorkämpferin und dem Patriarchenprimus Helmut Kohl macht Torsten Körner eine interessante Wahlverwandtschaft aus: Beide setzten ihre Körper als Herrschaftsinstrumente ein. Hier die zusehends ausgezehrte Aktivistin mit den dunklen Schatten unter den Augen, dort der beleibte Riese, der jede Szene im Handumdrehen dirigieren, jeden Auftritt allein dank seines Umfangs dominieren konnte – ihre Dünnhäutigkeit und seine Dickfelligkeit waren Elemente persönlicher Inszenierungen, Markenzeichen sozusagen. Dass Körner auch Hannelore Kohls Untergang rekonstruiert und als Tragödie einer begabten, aber allzu bescheidenen Frau beschreibt, ist insofern nur folgerichtig.
Mit Angela Merkel als vorerst letztem Eintrag endet diese aufschlussreiche Genealogie der bundesdeutschen Politfrauen. Noch aufschlussreicher fiele sie aus, wenn der Autor zumindest ein, zwei Mal einen Blick hinter die DDR-Kulissen gewagt hätte, wo Genossinnen wie Margot Honecker die Fäden zogen. Haben sie die gleichen Chauvi-Sprüche einstecken müssen wie Potthast & Co. und ebenso wenig Fair Play erlebt? Fragen, die Torsten Körner vielleicht schon auf seiner Agenda hat. Schön wär’s!
Als Lenelotte von Bothmer
im Hosenanzug ans Pult trat,
hieß es: „Würdeloses Weib!“
Torsten Körner:
In der Männerrepublik.
Wie Frauen die Politik
eroberten.
Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2020. 368 Seiten,
22 Euro. E-Book: 18,99 Euro.
Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) wurde 1961 als erste Ressortchefin der Republik vereidigt. Sie war für Gesundheit zuständig. Unten links Kanzler Konrad Adenauer.
dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2020Ihren Stimmen Gehör verschaffen
Die schauerlich-amüsante Geschichte der Politikerinnen in der Bonner Republik
"In dieser Republik ist Frauenpolitik ein Bohren harter Bretter. Wir haben noch viel zu tun. Wir Frauen in allen Parteien können uns noch nicht in allen Parteien durchsetzen. (. . .) Ich gebe erst Ruhe (. . .), wenn es fünfzig Prozent sind." Es war die erste Rede der jungen SPD-Abgeordneten Renate Schmidt im Januar 1981 im Bundestag. Der Frauenanteil im Bundestag lag damals bei 8,5 Prozent, Schmidts Forderung schien unerhört. Erst ein Sitzstreik von CDU-Frauen vor dem Kabinettssaal hatte Konrad Adenauer 1961 überhaupt dazu gebracht, Elisabeth Schwarzhaupt zur ersten Ministerin der Bundesrepublik zu berufen. 1985 war es ein großer Erfolg für die Frauen-Union, dass Rita Süssmuth und damit eine zweite Frau ins Kabinett rückte. Die großen Männer dieser Zeit waren sich einig, dass Politik nichts für Frauen sei.
Was diejenigen aushalten mussten, die sich trotzdem hineinwagten, hat der Journalist Torsten Körner zusammengetragen. "In der Männer-Republik - Wie Frauen die Politik eroberten" erzählt von Frauen, "die den ihnen zugewiesenen Platz verlassen haben", "die Politikerinnen wurden, um sich und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen", so beschreibt Körner seine Protagonistinnen. Es ist verdienstvoll, dass der Autor selbst Politikerinnen Gehör verschafft, die teils in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie diese Republik mitgeprägt haben. Sie haben harte Kämpfe ausgetragen, Widerstände überwunden und dadurch späteren Generationen von Frauen den Weg geebnet.
Die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer erzählt, wie sie im April 1970 im Hosenanzug ans Rednerpult des Bundestags trat. Sie war die erste Frau, die sich das traute. Eigentlich trug von Bothmer nie Hosen, aber sie fühlte sich von den männlichen Kollegen herausgefordert, die der Meinung waren, eine Frau in Hosen beschädige die Würde des Hohen Hauses. Richard Jaeger, der damalige Bundestagsvizepräsident von der CSU, hatte mehrfach verlauten lassen, er werde keine Frau mit Hose im Bundestag dulden. Als von Bothmer es trotzdem wagte, fing der Saal an zu lachen und zu krakeelen. Man möge doch das Licht ausmachen, hieß es. Die Abgeordnete erhielt hinterher eine Flut von Briefen, manche mit Gratulationen, aber auch viele Beschimpfungen und Drohungen: "Sie sind ein unanständiges, würdeloses Weib!", "Sie sind eine ganz disziplinlose Person", "Armes Deutschland! So tief bist Du gesunken mit Deinen Parteiweibern", "Nächstens kommen Sie wohl oben ohne!", "Sie Schwein, Sie." Sexistische Schmähungen gehörten nach den Berichten der Politikerinnen zum Alltag der Bonner Republik. Die FDP-Abgeordnete Helga Schuchardt erinnert sich an den Spruch eines männlichen Kollegen: "Das einzig Weibliche an der Politikerin ist die Legislaturperiode." Doch viele Politikerinnen hatten noch kein Mittel gefunden, sich gegen Belästigungen zu wehren. Auch das kann Schuchardt erzählen: 1976 fuhr ihr der CSU-Politiker Richard Stücklen, der kurz darauf Bundestagspräsident werden sollte, mit dem Daumen über den Rücken. Auf ihre Frage, was das denn gewesen sei, sagte er: "Wir haben gewettet. Trägt sie einen BH oder trägt sie keinen?" Nachdem die "Zeit" über den Vorfall berichtetet hatte, war nicht Stücklen beschämt, sondern Schuchardt. Sie suchte ihn auf und entschuldigte sich, dass daraus eine Schlagzeile geworden sei. "Das hat mein liberales Image gestärkt", antwortete ihr ein grinsender Stücklen. Die meisten Frauen aus Union, SPD und FDP, die Körner zu Wort kommen lässt, sind sich einig, dass es damals karrierehemmend gewesen wäre, sich über sexistische Vorfälle auszulassen. Aus heutiger Sicht erscheint es vielen als Fehler, sich nicht gewehrt zu haben.
Die sexistischen Angriffe auf grüne Abgeordnete beschreibt Körner als besonders heftig. Gabriele Potthast, die damals jüngste Abgeordnete im Bundestag, musste sich 1983 im Plenum des Bundestags anhören: "Die ist auch besser im Bett als hier im Parlament." Die grünen Frauen schossen zurück, provozierten, brachen Tabus. In der Debatte über die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe - damals noch straffrei -, beschrieb Waltraud Schoppe die Ehe als Schauplatz gewaltsamer Unterdrückung der Frau und bescheinigte den Unionsabgeordneten politische Mittäterschaft. Doch auch in ihren eigenen Reihen hatten die Grünen einen "Busengrapscher": Klaus Hecker war Mitglied der ersten grünen Fraktion, musste den Bundestag aber daraufhin wieder verlassen. Die Häme in den anderen Parteien war groß. Als Schoppe sich an alle Parlamentarier mit der Forderung wandte, "den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen", schlugen ihr schallendes Gelächter entgegen und Sätze wie "Mit dir will ja sowieso keiner pennen."
Körners 360 Seiten lange Geschichte der Bonner Republik lebt von solchen Anekdoten, viele sind schauerlich, manche amüsant. Zusammen eröffnen sie eine neue, lehrreiche Perspektive auf die Jahre zwischen der Gründung der Bundesrepublik und dem Umzug nach Berlin. Die Berichte der Politikerinnen, mit denen sich der Autor getroffen hat, stehen für sich. Unnötig und zuweilen sogar störend ist daher Körners eigene Entrüstung, zum Beispiel wenn er rügt, dass die Straßen, die nach wichtigen Politikerinnen benannt sind, nicht das Bonner Regierungsviertel kreuzen, sondern im Neubaugebiet in Bonn-Ückesdorf liegen, und dass Anwohner noch nicht einmal wissen, wer die Frauen hinter den Namen sind. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, dass ein männlicher Autor versucht, die weibliche Perspektive zu vermitteln. Im Vorwort schreibt Körner: "Wer als Mann die Chance hat, die Grenzen des eigenen Geschlechts und Denkens im Dialog mit dem anderen zu begreifen, auch zu verstehen (. . .), welche Gewalt von Männern bewusst oder unbewusst ausgeht, sollte diese Möglichkeit nutzen."
"In der Männer-Republik" schärft den Blick auf die gegenwärtige Situation von Frauen im politischen Betrieb. Die Bonner Republik war eine andere Zeit, aber tatsächlich liegen die Erlebnisse der Protagonistinnen nicht sehr lange zurück. Viel haben die Frauen seither erreicht, einiges steht noch aus. Nun plant sogar die CDU eine Frauenquote: zunächst dreißig Prozent der Vorstandsämter, von 2025 an 50 Prozent. Sollte es tatsächlich so kommen, könnte Renate Schmidt Ruhe geben.
HELENE BUBROWSKI
Torsten Körner: "In der Männer-Republik - Wie Frauen die Politik eroberten".
Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln 2020. 368 Seiten, 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die schauerlich-amüsante Geschichte der Politikerinnen in der Bonner Republik
"In dieser Republik ist Frauenpolitik ein Bohren harter Bretter. Wir haben noch viel zu tun. Wir Frauen in allen Parteien können uns noch nicht in allen Parteien durchsetzen. (. . .) Ich gebe erst Ruhe (. . .), wenn es fünfzig Prozent sind." Es war die erste Rede der jungen SPD-Abgeordneten Renate Schmidt im Januar 1981 im Bundestag. Der Frauenanteil im Bundestag lag damals bei 8,5 Prozent, Schmidts Forderung schien unerhört. Erst ein Sitzstreik von CDU-Frauen vor dem Kabinettssaal hatte Konrad Adenauer 1961 überhaupt dazu gebracht, Elisabeth Schwarzhaupt zur ersten Ministerin der Bundesrepublik zu berufen. 1985 war es ein großer Erfolg für die Frauen-Union, dass Rita Süssmuth und damit eine zweite Frau ins Kabinett rückte. Die großen Männer dieser Zeit waren sich einig, dass Politik nichts für Frauen sei.
Was diejenigen aushalten mussten, die sich trotzdem hineinwagten, hat der Journalist Torsten Körner zusammengetragen. "In der Männer-Republik - Wie Frauen die Politik eroberten" erzählt von Frauen, "die den ihnen zugewiesenen Platz verlassen haben", "die Politikerinnen wurden, um sich und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen", so beschreibt Körner seine Protagonistinnen. Es ist verdienstvoll, dass der Autor selbst Politikerinnen Gehör verschafft, die teils in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie diese Republik mitgeprägt haben. Sie haben harte Kämpfe ausgetragen, Widerstände überwunden und dadurch späteren Generationen von Frauen den Weg geebnet.
Die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer erzählt, wie sie im April 1970 im Hosenanzug ans Rednerpult des Bundestags trat. Sie war die erste Frau, die sich das traute. Eigentlich trug von Bothmer nie Hosen, aber sie fühlte sich von den männlichen Kollegen herausgefordert, die der Meinung waren, eine Frau in Hosen beschädige die Würde des Hohen Hauses. Richard Jaeger, der damalige Bundestagsvizepräsident von der CSU, hatte mehrfach verlauten lassen, er werde keine Frau mit Hose im Bundestag dulden. Als von Bothmer es trotzdem wagte, fing der Saal an zu lachen und zu krakeelen. Man möge doch das Licht ausmachen, hieß es. Die Abgeordnete erhielt hinterher eine Flut von Briefen, manche mit Gratulationen, aber auch viele Beschimpfungen und Drohungen: "Sie sind ein unanständiges, würdeloses Weib!", "Sie sind eine ganz disziplinlose Person", "Armes Deutschland! So tief bist Du gesunken mit Deinen Parteiweibern", "Nächstens kommen Sie wohl oben ohne!", "Sie Schwein, Sie." Sexistische Schmähungen gehörten nach den Berichten der Politikerinnen zum Alltag der Bonner Republik. Die FDP-Abgeordnete Helga Schuchardt erinnert sich an den Spruch eines männlichen Kollegen: "Das einzig Weibliche an der Politikerin ist die Legislaturperiode." Doch viele Politikerinnen hatten noch kein Mittel gefunden, sich gegen Belästigungen zu wehren. Auch das kann Schuchardt erzählen: 1976 fuhr ihr der CSU-Politiker Richard Stücklen, der kurz darauf Bundestagspräsident werden sollte, mit dem Daumen über den Rücken. Auf ihre Frage, was das denn gewesen sei, sagte er: "Wir haben gewettet. Trägt sie einen BH oder trägt sie keinen?" Nachdem die "Zeit" über den Vorfall berichtetet hatte, war nicht Stücklen beschämt, sondern Schuchardt. Sie suchte ihn auf und entschuldigte sich, dass daraus eine Schlagzeile geworden sei. "Das hat mein liberales Image gestärkt", antwortete ihr ein grinsender Stücklen. Die meisten Frauen aus Union, SPD und FDP, die Körner zu Wort kommen lässt, sind sich einig, dass es damals karrierehemmend gewesen wäre, sich über sexistische Vorfälle auszulassen. Aus heutiger Sicht erscheint es vielen als Fehler, sich nicht gewehrt zu haben.
Die sexistischen Angriffe auf grüne Abgeordnete beschreibt Körner als besonders heftig. Gabriele Potthast, die damals jüngste Abgeordnete im Bundestag, musste sich 1983 im Plenum des Bundestags anhören: "Die ist auch besser im Bett als hier im Parlament." Die grünen Frauen schossen zurück, provozierten, brachen Tabus. In der Debatte über die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe - damals noch straffrei -, beschrieb Waltraud Schoppe die Ehe als Schauplatz gewaltsamer Unterdrückung der Frau und bescheinigte den Unionsabgeordneten politische Mittäterschaft. Doch auch in ihren eigenen Reihen hatten die Grünen einen "Busengrapscher": Klaus Hecker war Mitglied der ersten grünen Fraktion, musste den Bundestag aber daraufhin wieder verlassen. Die Häme in den anderen Parteien war groß. Als Schoppe sich an alle Parlamentarier mit der Forderung wandte, "den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen", schlugen ihr schallendes Gelächter entgegen und Sätze wie "Mit dir will ja sowieso keiner pennen."
Körners 360 Seiten lange Geschichte der Bonner Republik lebt von solchen Anekdoten, viele sind schauerlich, manche amüsant. Zusammen eröffnen sie eine neue, lehrreiche Perspektive auf die Jahre zwischen der Gründung der Bundesrepublik und dem Umzug nach Berlin. Die Berichte der Politikerinnen, mit denen sich der Autor getroffen hat, stehen für sich. Unnötig und zuweilen sogar störend ist daher Körners eigene Entrüstung, zum Beispiel wenn er rügt, dass die Straßen, die nach wichtigen Politikerinnen benannt sind, nicht das Bonner Regierungsviertel kreuzen, sondern im Neubaugebiet in Bonn-Ückesdorf liegen, und dass Anwohner noch nicht einmal wissen, wer die Frauen hinter den Namen sind. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, dass ein männlicher Autor versucht, die weibliche Perspektive zu vermitteln. Im Vorwort schreibt Körner: "Wer als Mann die Chance hat, die Grenzen des eigenen Geschlechts und Denkens im Dialog mit dem anderen zu begreifen, auch zu verstehen (. . .), welche Gewalt von Männern bewusst oder unbewusst ausgeht, sollte diese Möglichkeit nutzen."
"In der Männer-Republik" schärft den Blick auf die gegenwärtige Situation von Frauen im politischen Betrieb. Die Bonner Republik war eine andere Zeit, aber tatsächlich liegen die Erlebnisse der Protagonistinnen nicht sehr lange zurück. Viel haben die Frauen seither erreicht, einiges steht noch aus. Nun plant sogar die CDU eine Frauenquote: zunächst dreißig Prozent der Vorstandsämter, von 2025 an 50 Prozent. Sollte es tatsächlich so kommen, könnte Renate Schmidt Ruhe geben.
HELENE BUBROWSKI
Torsten Körner: "In der Männer-Republik - Wie Frauen die Politik eroberten".
Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln 2020. 368 Seiten, 22,- [Euro].
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