Kanada im Winter 1989. Die Schauspielerin Madeleine Blais wird in der Scheune ihrer Großmutter erhängt aufgefunden. Alles deutet auf Selbstmord hin. Madeleine war in einer Krise, ihre Karriere offenbar am Ende. Nur Madeleines Großmutter ist davon überzeugt, dass es sich um einen Mord handelt, und bittet Pierre Rousseau, einen engen Freund der Familie, nach dem mysteriösen Anhalter zu suchen, den Madeleine in der Nacht ihres Todes mit auf ihr Zimmer genommen hat...
Ein Thriller aus Kanada
Jeder Thriller lebt von der Aufregung, die ein so alltägliches Phänomen wie der Tod hervorruft. Dieser ist „am ersten Weihnachtstag 1989” in die Stille des kanadischen Winters eingebrochen und hat in einer Nachbarstadt Montreals das Leben einer Schauspielerin beendet, ein in aller Welt verehrtes Objekt der Begierde. Selbstmord lautet das amtliche Untersuchungsergebnis, an das jedoch der Ich-Erzähler nicht glauben mag. Die Tote, die „an einem Dachsparren in der alten Scheune” hängt, ist nämlich seine Frau, von der er sich vor Jahren getrennt hat, weil ihre Karriereplanungen irgendwann auseinander liefen. Auf der Suche nach dem Leben vor ihrem Tod durchstreift er die Künstlerkreise und politischen Zirkel der Hauptstadt, aber auch die mit kräftigen Strichen skizzierte Provinz („ein guter Ort, um zu sterben”) und gerät dabei in gefährliche Verwicklungen. Vor allem aber verstrickt er sich in seine eigene Vergangenheit, die ihn stärker und wohl auch obsessiver an seine Frau gebunden hat, als er zunächst zugeben will. Obwohl er in dem spannenden Puzzle am Ende selbst als verdächtig erscheint, fällt des Rätsels Lösung vergleichsweise banal aus. So ist er eben auch, der Tod.
HERIBERT HOVEN
LISA APPIGNANESI: In der Stille des Winters. Roman. Aus dem Englischen von Wolf-Dietrich Müller. Aufbau-Verlag, Berlin 2000. 412 Seiten, 46 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de