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Martina Hefters Buch In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen schillert zwischen Gedicht, Essay und szenischen Schreibformen. Wie schon in "Es könnte auch schön werden", ihrer dichten Auseinandersetzung mit Pflegearbeit, sind die Texte im neuen Band so radikal persönlich, wie sie fiktional sind. Im titelgebenden Essay in Versen "In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen" schläft eine Mutter im übriggebliebenen, klapprigen Bett eines erwachsenen Kindes. Auf der Suche nach einem neuen Bett denkt sie über Holzwirtschaft und Möbelproduktion, über westlichen Lebensstandard und Askese nach.…mehr

Produktbeschreibung
Martina Hefters Buch In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen schillert zwischen Gedicht, Essay und szenischen Schreibformen. Wie schon in "Es könnte auch schön werden", ihrer dichten Auseinandersetzung mit Pflegearbeit, sind die Texte im neuen Band so radikal persönlich, wie sie fiktional sind. Im titelgebenden Essay in Versen "In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen" schläft eine Mutter im übriggebliebenen, klapprigen Bett eines erwachsenen Kindes. Auf der Suche nach einem neuen Bett denkt sie über Holzwirtschaft und Möbelproduktion, über westlichen Lebensstandard und Askese nach. Welcher Preis ist für ein neues Bett zu zahlen? Ist es möglich, auf dem Fußboden zu schlafen? Kann Askese ein taugliches, gegenwärtiges Mittel sein, nachhaltig und ressourcenschonend, "gut" zu leben? Im Mittelpunkt der Sage "Flammen" steht Artemis Cynthia Moll, die seit ihrer frühen Jugend in einem Baumhaus im Wald lebt, Falken hält, Bogen schießt und das Wesen der Liebe erkunden will. In den Wald sind Klimaflüchtlinge aus Leipzig gezogen, die versuchen, ihre naiv-utopischen Vorstellungen von Gesellschaft zu verwirklichen - und vielleicht grandios scheitern. "Flammen" fragt zudem, inwieweit die Mythengestalt Artemis heute zum weiblichen Role-Model taugt, befragt das emanzipatorische Potenzial ihrer Attribute Fitness und Sportlichkeit, Kampfkunst, Falknerei und Asexualität. Im langen Gedichtmonolog "LinnMeier ( 2019)" spricht diese über ihre Zeit als magersüchtige Jugendliche und die Erfahrung sexueller Gewalt. Passagen der Reflexion über Fehlernährung und Hunger und des poetischen Sprechens, die die euphorischen Momente des Hungers widerspiegeln, stehen Passagen von großer Direktheit und Wut über das Erlebte gegenüber. "Geistern" schließlich sind Gedichte, die Geister auferstehen lassen.
Autorenporträt
Martina Hefter lebt in Leipzig und arbeitet als Autorin und auf dem Gebiet der szenischen Performance sowie regelmäßig als Gastdozentin für Lyrik und performative Schreibweisen, u. a. am Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst Wien, am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie an der Kunsthochschule Halle Burg Giebichenstein. Ihr Band Es könnte auch schön werden, kookbooks 2019, war eine der Lyrikempfehlungen 2019 und erschien in griechischer Übersetzung. Den zentralen Text des Bandes setzte sie als Solo-Bühnenarbeit für das Festival KOOK.MONO. schrift spricht in Berlin um sowie mit dem Performancekollektiv Pik7 für die Schaubühne Lindenfels in Leipzig. Martina Hefter erhielt u. a. den Lyrikpreis Meran sowie den Münchner Lyrikpreis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Tobias Lehmkuhl staunt, wie gut sich Magie und Profanes ergänzen in Martina Hefters Gedichten. Ambitioniert und leicht zugleich erscheinen ihm die in fünf Zyklen angeordneten, sprachlich aber eher einfach gehaltenen Texte um Magersucht, Einsamkeit, Sex, um Foodporn und ein lyrisches Ich in Symbiose mit Bäumen und Gras. Beim Lesen beschleicht Lehmkuhl ein Verdacht: Als eigne den Texten eine zweite Ebene, auf der Göttinnen und Fabelwesen ihr (Un-)Wesen treiben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kapitalismus aufessen
Holz aus poetischen Wäldern: Martina Hefters Langgedichte stärken eine heute seltene Lyrikform

Lange Gedichte kommen einem nicht alle Tage unter die Augen. Aber doch mit dem vierten Lyrikband der Leipziger Autorin und Performerin Martina Hefter. Er enthält fünf lange Gedichte, das umfangreichste hat immerhin 26 Seiten. Der Titel "In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen" klingt wie ein poetisches Statement. Welches Holz wurde aus welchen poetischen Wäldern geholt oder meinetwegen geklaut? Und wurde ein Bett geschreinert?

Tatsächlich reiht das Titelgedicht eine Menge Einfälle und Beobachtungen zum Bett aneinander. Da ist von chinesischen Zwischenhändlern die Rede, die in Taiga-Wäldern illegal Holz entnehmen und an Ikea verkaufen. Aber auch von diesem Vorsatz: "Nur noch Haferflocken essen. / Kapitalismus aufessen, Hunger abschaffen, Wälder reparieren, Bäume schützen." Mal kracht ein Bett zusammen, mal steht es im Wald, mal soll ein neues Bett geflochten werden. Das bringt Abwechslung der Stimmung, doch keine Konsistenz im Ganzen. Es ist so potentiell wie passiv: "Dass ich Resource [sic!] bin. / Dass ich entnommen werde wie Holz."

Immerhin will die Autorin unserem Verständnis aufhelfen. Im Anhang des Bandes erwähnt sie Wörter, die ihr beim Schreiben des Gedichts "Flammen" wichtig wurden: "Baumhaus", "Artemis" und eben "Flammen". Am Anfang - heißt es - stand die Vorstellung einer Person, die in einem Baumhaus lebt. Artemis kam hinzu, als die Autorin nach griechischen Göttinnen googelte. Schließlich sind da "Flammen", als sie hört, dass jemand mit seiner "Flamme" im Kino war. Daraus sollte eine Liebesgeschichte entstehen, die einer dreifach bezeichneten Persona zugeschrieben wird: "Ich bin Artemis Cynthia Moll, meine Eltern hatten ein Geschäft für Sportmoden und fuhren auf griechische Mythologie ab." Die unglückliche Figurensynthese lässt die angestrebte Liebesgeschichte ins Groteske abgleiten. Das alles ist willkürlich und will es auch sein. Gegen Vorwürfe ließe sich der heitere Dogmatismus der Verfasserin anführen, die behauptet: "Alle Dinge können alles Mögliche sein."

In zwei anderen Texten aber schließt Martina Hefter das bloß Mögliche aus und legt sich fest. Sie verkürzt zwei Wörter; sie lauten nun Sx und Menshen. Sollen diese Wörter minimiert oder verstärkt werden? Hefter denkt über Sx nicht gerade günstig: "Schlechter Sx oder kein Sx / lieber kein Sx, aber nein es musste ja sein / zu schwach sein für Sx und trotzdem mitmachen." Noch stärker reduziert das zweite Wort. Da heißt es: "Ein einziges Gespenst ab jetzt, die Menshen. / Freundlich, mild, ohne Knochen." Die "Menshen" werden zum negativen Ganzen, zum Gespenst. Das ist nicht gerade menschenfreundlich, aber entschieden. Hefters Gedichte haben kleine Haken, die sich im Gedächtnis festsetzen. HARALD HARTUNG.

Martina Hefter: "In die Wälder gehen. Holz für ein Bett klauen." Gedichte.

Kookbooks, Berlin 2021. 95 S., geb., 19,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Geister muss es auch geben
Nährwerttabellen zu Gedichten: Martina Hefters Lyrik
Einen so ambitionierten und zugleich leichtfüßigen Gedichtband hat es lange nicht mehr gegeben. Ambitioniert, weil „In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen“ gleich aus fünf groß angelegten Zyklen besteht. Leichtfüßig, weil sie in einem scheinbar ganz alltäglichen Sprachgestus gehalten sind. Der längste Zyklus des Bandes, „Linn Meier (†2019)“, könnte auch als Theatermonolog aufgeführt werden. Tatsächlich ist ihm eine Art Regieanweisung vorangestellt: „Im Fall, der Text wird gesprochen, könnte man während des Sprechens eine typische Mädchenzimmereinrichtung auseinanderbauen.“
„Linn Meier (†2019)“ ist der Monolog einer magersüchtigen Teenagerin, gesprochen, wie es im Text selbst heißt, im „Fatsuit/ damit niemand in Ohnmacht fällt/ an diesem wunderbaren Abend“. Tempo und Intensität des Textes erwecken den Eindruck, es hier mit einem authentischen Dokument zu tun zu haben, einem Dokument existenzieller Einsamkeit: Während der Rest der Welt munter Futter in sich reinschaufelt und jedermann und jede Frau immer weiter in Richtung anderer Körper ausbeult, um sich mit diesen zu vereinen, zählt Linn Meier Kalorien und findet nichts abstoßender, als die Vorstellung, Sex zu haben.
Sie macht sich Gedanken über den Hunger der Welt und wie sich ihr eigenes, planmäßiges Verhungern dazu verhält. Sie erstellt Listen von Gerichten, die sie doch nicht essen wird, und am Ende – da verwandelt sich das vermeintliche Dokument in eine Art poetische Vision – schläft Linn Meier ein, oder entschläft doch eher, um in einer anderen Welt als „Athena Linn Meier“ aufzuerstehen, mit Muskeln, die den Fatsuit sprengen.
Erwähnt sei nur, dass im Zyklus „Flammen“ eine andere, sehr gegenwärtige Göttin, „Cynthia Artemis Moll“, auftaucht, und dass der titelgebende Zyklus im Amazonas und damit im Reich Holz klauender Amazonen einsetzt.
Direkt mit „Linn Meier (†2019)“, als eine Art hochpoetisches Gegen- oder Ergänzungsstück, korrespondiert der Zyklus
„Essays über Pflanzen. Stillleben“. Auch hier wird die „Nährwerttabelle“ aus dem Schrank geholt, auch hier werden „Foodpornos“ geschaut, allerdings ist die Lage nicht ganz so eindeutig und das lyrische Ich der Nahrung gegenüber keineswegs so feindlich eingestellt wie Linn Meier. Fast steht es mit den Pflanzen in einer symbiotischen Beziehung: „Ich hab das grüne Blut der Bäume, es rauscht in mir./ Das weiche wundersame schlafende Gras flammt/ in meinen Augen, flammt, wenn ich in den Garten schau:/ Hausmeister hat wieder Gift gespritzt, verdorrt liegt das Unkraut, gestorben./ Noch bin ich wach. Es ist Nacht.“
Rätselhaft, traumhaft sind die Gedichte in „Essays über Pflanzen“, wie man überhaupt mit der Zeit den Eindruck gewinnt, in Martina Hefters Gedichten gäbe es eine zweite, fast unsichtbare und von Mischwesen, von Waldgeistern und Teufeln bevölkerte Ebene.
In ihrem letzten Gedichtband, der „Es könnte auch schön werden“ heißt und aus Besuchen bei ihrer Schwiegermutter im Pflegeheim hervorgegangen ist, sind es tatsächlich kleine Teufel gewesen, die auf der Station ihr Unwesen trieben. Dass Linn Meier von Teufeln getrieben ist, braucht nicht extra benannt zu werden. Artemis und Athena sind selbst Wesen nur halb von dieser Welt.
Im letzten Zyklus von „In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen“ heißt es denn auch: „Uns Geister muss es auch geben./ Wir grüßen euch./ Die ihr immer so irdisch aus eurer Haut schaut.“ In Martina Hefters Gedichten liegen die magische Welt der Poesie und die profane Gegenwart des Maggi-Kochstudios erstaunlich nah beieinander. Und sie ergänzen sich gut.
TOBIAS LEHMKUHL
„Ich habe das
grüne Blut der Bäume,
es rauscht in mir.“
Martina Hefter:
In die Wälder gehen,
Holz für ein Bett klauen. Kookbooks, Berlin 2020.
96 Seiten, 19,90 Euro.
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