Damit die einen überleben, müssen die anderen sterben.
Grace ist frisch verheiratet mit Henry Winter, einem jungen Mann aus reichem Hause, als sie sich am Vorabend des ersten Weltkriegs auf der Zarin Alexandra einschifft. Doch nach einer mysteriösen Explosion sinkt der Ozeandampfer, und Henry erkauft seiner Frau einen Platz in einem Rettungsboot.
Den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert, treibt das überladene Boot wochenlang auf offener See. In einer Atmosphäre aus Misstrauen und unterdrückter Aggression stellen sich existentielle Fragen.
Sollen die Stärkeren sich opfern, damit die Schwächeren überleben können? Oder besser umgekehrt? Wer darf das entscheiden? Und sitzt Grace überhaupt zu Recht in diesem Boot?
Grace überlebt die Katastrophe, findet sich aber Wochen später vor einem Gericht in New York wieder. Die Anklage lautet auf Mord.
Grace ist frisch verheiratet mit Henry Winter, einem jungen Mann aus reichem Hause, als sie sich am Vorabend des ersten Weltkriegs auf der Zarin Alexandra einschifft. Doch nach einer mysteriösen Explosion sinkt der Ozeandampfer, und Henry erkauft seiner Frau einen Platz in einem Rettungsboot.
Den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert, treibt das überladene Boot wochenlang auf offener See. In einer Atmosphäre aus Misstrauen und unterdrückter Aggression stellen sich existentielle Fragen.
Sollen die Stärkeren sich opfern, damit die Schwächeren überleben können? Oder besser umgekehrt? Wer darf das entscheiden? Und sitzt Grace überhaupt zu Recht in diesem Boot?
Grace überlebt die Katastrophe, findet sich aber Wochen später vor einem Gericht in New York wieder. Die Anklage lautet auf Mord.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Martin Halter wird nicht warm mit der Erzählerin dieses vom Rezensenten als durchaus eindringliche Studie über Moral, Macht und Manipulation bezeichneten Romans. Die Ausgangssituation, der Leser sitzt mit der Erzählerin 1914 in einem Rettungsboot, in dem die Insassen auf Gedeih und Verderb miteinander ringen, ist auch nicht gerade angenehm. Halter begegnet Hysterie, den Grenzen der Ethik und ungeschönter sozialdarwinistsicher Brutaliät. Richtig schwer tut sich Halter mit der von der Erzählerin mit rationaler Kälte vorgenommenen Analyse der Gruppendynamik an Bord. So viel Logik ermüdet den Rezensenten.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2013Lasst sie doch einfach reden
Nach dem Schiffbruch: Charlotte Rogan kämpft im Ozean ums Überleben
Die amerikanische Autorin Charlotte Rogan spricht in ihrem ersten Roman große moralische Fragen an: Zählt das eine Leben mehr als das andere? Wer soll darüber entscheiden? Darf man Menschenleben opfern, um andere zu retten? Gibt es Grenzen der Gerechtigkeit? Frauen und Kinder zuerst?
Grace Winter, 22 Jahre alt, aus deren Perspektive der Roman "In einem Boot" erzählt wird, gehört zu den Überlebenden einer Schiffskatastrophe und steht nun vor Gericht. Gemeinsam mit ihrem frisch angetrauten Ehemann hatte sie kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den Dampfer "Zarin Alexandra" bestiegen. Nach einer Explosion versinkt das Schiff auf seinem Weg von England nach Amerika im Meer. Es rettet sich, wer kann.
Darunter Grace, die in letzter Sekunde Platz in einem der überfüllten seeuntüchtigen Kutter findet, in Rettungsboot Nummer 14, gemeinsam mit 39 anderen Männern, Frauen und einem Kind. Zu viele für das gebrechliche Boot, weswegen ein Überlebenskampf beginnt, der einem beim Lesen das Atmen verschlägt. Rogan erzählt davon, drastisch und lebenserfahren, in schneidenden Dialogen und kühler Grausamkeit sowie in einer Sprache, die Alexandra Ernst in ein glasklares Deutsch überführte. Dabei passt sie sich der Zeit vor hundert Jahren an, indem sie im Zweifel die altertümlichere Formulierung wählt - in diesem Roman siegt man nicht bloß, man obsiegt.
Den Alltag der Geretteten im Roman bestimmen Hunger, Kälte, Durst und Notdurft, wobei die Extremerfahrung archaische menschliche Eigenschaften nach oben spült wie Müll: Missgunst, Neid, Arroganz, Hass, Boshaftigkeit und Wahnsinn. Rogan macht klar, dass die Klassengesellschaft vor keinem Rettungsboot haltmacht, wie ihre Besatzung überhaupt die Gesellschaft im Kleinen nachbildet. Dabei besitzt sie ein besonderes Faible für die Klassenunterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie spielt mit Geschlechterklischees und feministischen Unterströmungen, benennt Unterschiede zwischen Damen und Herren und setzt sie mit der offen patriarchalen Gesellschaft der damaligen Zeit in Missklang.
In ihrer zeitversetzt erzählten Geschichte erweckt Rogan den Anschein, Grace Winter schreibe sich ihre Erinnerungen von der Seele und kreuzt diese Schilderungen dann mit dem Fortgang des Prozesses. Ihre Ich-Erzählerin erweist sich dabei als auf einen Schlag dämlich und neunmalklug, gewitzt und überheblich, menschlich und inhuman. Der Roman aber bestaunt ihr wankelmütiges Wesen. Und erzählt darüber hinaus (und an ihr vorbei) mit philosophischer Sanftmut von den Untiefen der menschlichen Natur und den Gefährdungen der Tugend wie des Lasters.
SHIRIN SOJITRAWALLA
Charlotte Rogan: "In einem Boot".
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Verlag Script 5, München 2013. 333 S., geb., 18,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nach dem Schiffbruch: Charlotte Rogan kämpft im Ozean ums Überleben
Die amerikanische Autorin Charlotte Rogan spricht in ihrem ersten Roman große moralische Fragen an: Zählt das eine Leben mehr als das andere? Wer soll darüber entscheiden? Darf man Menschenleben opfern, um andere zu retten? Gibt es Grenzen der Gerechtigkeit? Frauen und Kinder zuerst?
Grace Winter, 22 Jahre alt, aus deren Perspektive der Roman "In einem Boot" erzählt wird, gehört zu den Überlebenden einer Schiffskatastrophe und steht nun vor Gericht. Gemeinsam mit ihrem frisch angetrauten Ehemann hatte sie kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den Dampfer "Zarin Alexandra" bestiegen. Nach einer Explosion versinkt das Schiff auf seinem Weg von England nach Amerika im Meer. Es rettet sich, wer kann.
Darunter Grace, die in letzter Sekunde Platz in einem der überfüllten seeuntüchtigen Kutter findet, in Rettungsboot Nummer 14, gemeinsam mit 39 anderen Männern, Frauen und einem Kind. Zu viele für das gebrechliche Boot, weswegen ein Überlebenskampf beginnt, der einem beim Lesen das Atmen verschlägt. Rogan erzählt davon, drastisch und lebenserfahren, in schneidenden Dialogen und kühler Grausamkeit sowie in einer Sprache, die Alexandra Ernst in ein glasklares Deutsch überführte. Dabei passt sie sich der Zeit vor hundert Jahren an, indem sie im Zweifel die altertümlichere Formulierung wählt - in diesem Roman siegt man nicht bloß, man obsiegt.
Den Alltag der Geretteten im Roman bestimmen Hunger, Kälte, Durst und Notdurft, wobei die Extremerfahrung archaische menschliche Eigenschaften nach oben spült wie Müll: Missgunst, Neid, Arroganz, Hass, Boshaftigkeit und Wahnsinn. Rogan macht klar, dass die Klassengesellschaft vor keinem Rettungsboot haltmacht, wie ihre Besatzung überhaupt die Gesellschaft im Kleinen nachbildet. Dabei besitzt sie ein besonderes Faible für die Klassenunterschiede zwischen Männern und Frauen. Sie spielt mit Geschlechterklischees und feministischen Unterströmungen, benennt Unterschiede zwischen Damen und Herren und setzt sie mit der offen patriarchalen Gesellschaft der damaligen Zeit in Missklang.
In ihrer zeitversetzt erzählten Geschichte erweckt Rogan den Anschein, Grace Winter schreibe sich ihre Erinnerungen von der Seele und kreuzt diese Schilderungen dann mit dem Fortgang des Prozesses. Ihre Ich-Erzählerin erweist sich dabei als auf einen Schlag dämlich und neunmalklug, gewitzt und überheblich, menschlich und inhuman. Der Roman aber bestaunt ihr wankelmütiges Wesen. Und erzählt darüber hinaus (und an ihr vorbei) mit philosophischer Sanftmut von den Untiefen der menschlichen Natur und den Gefährdungen der Tugend wie des Lasters.
SHIRIN SOJITRAWALLA
Charlotte Rogan: "In einem Boot".
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Verlag Script 5, München 2013. 333 S., geb., 18,95 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main