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Persönliche Beobachtungen als GesellschaftsanalyseIsabelle Graw (geb. 1962 in Hamburg, lebt in Berlin) ist Herausgeberin der Zeitschrift Texte zur Kunst. Seit 2002 lehrt sie als Professorin an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste - Städelschule in Frankfurt am Main. In diesem Buch hält sie all jene Erlebnisse und Gedanken fest, die nicht in ihre kunsthistorischen Texte einfließen. Noch nie zuvor hat Graw direkter und offener zu ihren Leser_innen gesprochen als in diesen 162 Notizen."Bestürzend ehrlich wird das sie Umgebende analysiert: Waxing Studios, die Ankunft syrischer…mehr

Produktbeschreibung
Persönliche Beobachtungen als GesellschaftsanalyseIsabelle Graw (geb. 1962 in Hamburg, lebt in Berlin) ist Herausgeberin der Zeitschrift Texte zur Kunst. Seit 2002 lehrt sie als Professorin an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste - Städelschule in Frankfurt am Main. In diesem Buch hält sie all jene Erlebnisse und Gedanken fest, die nicht in ihre kunsthistorischen Texte einfließen. Noch nie zuvor hat Graw direkter und offener zu ihren Leser_innen gesprochen als in diesen 162 Notizen."Bestürzend ehrlich wird das sie Umgebende analysiert: Waxing Studios, die Ankunft syrischer Flüchtlinge in Deutschland, Ausstellungen und Trauer, aber auch Wahlergebnisse und Familienpolitik. Graw enthüllt auf subtile Weise, wie Eindrücke und Überzeugungen aus ihren jeweiligen Umständen entstehen." - Chris Kraus, amerikanische Filmemacherin und Autorin von I Love Dick"In klaren, markanten Vignetten zeigt Isabelle Graw, wie Selbstprüfung und Beobachtungen ineinandergreifen und ein dichtes Netz der Analyse bilden. Dieses Buch ist einzigartig und originell - literarisch, psychologisch und soziologisch zugleich." - Eva Illouz, französisch-israelische Soziologin
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens-Christian Rabe staunt, wie Isabelle Graw die Gefahren des "Denktagebuchs" umschifft, indem sie allerhand Zufälligkeiten des Alltags in echte Zeitgenossenschaft überführt. Ob die Herausgeberin der "Texte zur Kunst" über Waxing, Daft Punk, Biopolitik oder den Kunstmarkt schreibt, meist fühlt sich Rabe nicht allzu sehr in die Vergangenheit der zwischen 2014 und 2017 verfassten Notizen zurückgebeamt, sondern im Hier und Jetzt. Stark erscheint ihm die Fähigkeit der Autorin zur Selbstkritik, die aber nicht zur Ego-Nummer wird, wie er erleichtert feststellt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.02.2021

Epiphanien im Alltag
In ihrem Denktagebuch übt sich die Kunsttheoretikerin Isabelle Graw in pointierter Zeitgenossenschaft
Das Denktagebuch ist eine riskante intellektuelle Form, wenn man es zum Buch macht und veröffentlicht. Das Prinzip, sich eine Weile ernsthaft, aber fragmentarisch Gedanken über alles zu machen, was einem der Tag so zufällig vor die Augen und ins Hirn spült, zwingt, wenn man kein weltabgewandter Einsiedler sein möchte, zu absoluter Zeitgenossenschaft. Dabei besteht ständig die Gefahr, dass Banalitäten aller Art geboren werden, denn im besten Fall interessiert einen ja das, was neu erscheint mehr als das längst Bekannte. Über das Neue jedoch muss notgedrungen ungesicherter nachgedacht werden. Wenn es gelingt, kann sich dafür auch einstellen, was selten ist: gedankliche Originalität bei maximaler Zugänglichkeit der Gegenstände des Nachdenkens. Adornos „Minima Moralia“ oder Roland Barthes „Mythen des Alltags“ sind so zu raren intellektuellen Bestellern geworden.
Jetzt hat sich Isabelle Graw in ihrem neuen Buch „In einer anderen Welt“ an der Form versucht, Professorin für Kunsttheorie an der Frankfurter Städelschule und seit vielen Jahren Herausgeberin der Zeitschrift „Texte zur Kunst“. In 160 meist bloß eine Seite langen Kapiteln, geht es um alles, also von Körperhaaren, Kunstmarkt, Ehe, Liebe, Rassismus, sexueller Belästigung und Biopolitik auf Ibiza bis zur Band Daft Punk, Madonna, die Sendung „Germany’s Next Top Model“, Zeh-OPs und „Linke Männer“.
Entstanden ist der Band schon in den Jahren 2o14 bis 2017, was gerade im Moment unendlich lange her erscheint, Graw bringt trotzdem das Kunststück fertig, dass man sich doch immer sehr im Hier-und-Jetzt fühlt, was ganz nebenbei im Corona-Hier-und-Jetzt sehr tröstlich ist. Man mag so lange nicht mehr mit dem Hin-und-her-Springen aufhören, bis man plötzlich feststellt, dass man das Buch ja schon durchgelesen hat. Auf fast jeder Seite finden sich gedankliche Epiphanien unterschiedlicher Art und Größe. Zu der Beobachtung, dass sie selbst inzwischen das Waxing, also die Entfernung von Scham-, Bein- und Achselhaaren ganz erholsam findet: „Einmal mehr zeigt sich, wie es dem kulturellen Kapitalismus gelingt, unser Selbstverständnis und unser Erleben so zu formen, dass sich eine eigentlich schmerzhafte Prozedur in ein als angenehm empfundenes Erlebnis verwandelt.“
Hier zeigt sich im Übrigen, schon ganz am Anfang des Bandes, die große Stärke der Notizen Graws: Sich selbst als Gegenstand der Kritik nicht vornehm (oder überheblich, wie oft bei männlichen Versuchen dieser Art) auszusparen, ohne aus dem Denken jedoch eine große Ego-Nummer draus zu machen.
Besonders gekonnt und bedenkenswert gelingt es im Stück über die Paulskirchen-Rede gegen Populismus, Rassismus, Sexismus und Homophobie der Publizistin Carolin Emcke, mit der Graw offensichtlich – sie nennt sie im Text nur mit ihrem Vornamen – befreundet zu sein scheint: „Bei Ihrem Auftritt ist mir aber auch ein Aspekt aufgefallen, den ich oft bei Linken (auch bei mir selbst) beobachtet habe: Ich meine den Hang, sich im Recht und überlegen zu wähnen. (. . .) In ihrer Rede gab es eine Tendenz zu einfachen Polarisierung (. . .) . Man fühlte sich an eine protestantische Predigt erinnert, die die Gemeinde dazu bekehren will, mutiger zu sein und dem Hass entschlossener entgegenzutreten. Zwar ist sachlich nichts gegen einen solchen Aufruf einzuwenden, aber der Hass liegt in dieser Perspektive immer außerhalb, bei den anderen, ,bösen‘, während das ,Gute‘ der eigenen Position außer Frage zu stehen scheint.“
JENS-CHRISTIAN RABE
Isabelle Graw:
In einer anderen
Welt – Notizen
2014-2017.
Dr. Cantz’sche
Verlagsgesellschaft,
Berlin 2020.
200 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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