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  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Edition Metzengerstein
  • Verlag: Festa
  • Seitenzahl: 158
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 210g
  • ISBN-13: 9783935822060
  • ISBN-10: 3935822065
  • Artikelnr.: 09782135
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2001

Schiefe Ebene der Wirklichkeit
Schauermusik: Thomas Ligotti pfeift in fremden Kellern

Seine Figuren wissen nicht, womit sie ihr meist auswegloses, immer bedrückendes Schicksal verdient haben. In seinen Städten, deren Fassaden die blankgeputzten Stirnen von Totenschädeln sind, fließt dunkles Blut durch schmutzige Adern. Seine Erzählstimmen unterscheiden selten zwischen Schlaf und Wachen; jede Seite, die er geschrieben hat, liest sich wie ein Ausriß aus den Traumtagebüchern von Leuten, die schockweise Betablocker nehmen, um ihre Pulsfrequenz zu senken, und Antidepressiva, damit die Betablocker ihre Verdauung nicht über Gebühr schädigen.

Der 1953 geborene amerikanische Horrorschriftsteller Thomas Ligotti gehört neben Poppy Z. Brite, Joe Lansdale und Michael Marano zu den begabtesten jungen Autoren düsterer Phantastik in den Vereinigten Staaten; zugleich ist er, der sich neben den unvermeidlichen Urvätern Edgar Allan Poe und H.P. Lovecraft auch explizit auf europäische, besonders deutschsprachige Autoren wie Thomas Bernhard, Gottfried Benn und Georg Trakl beruft, wohl der genrefernste unter ihnen.

Wo die Horrorliteratur der Gegenwart gern stark cinematische Züge aufweist und mit Vorliebe grausige Taten und furchtbare Bilder schildert, legt Ligotti alles Gewicht auf stimmungsvolle Momentaufnahmen beklemmender Zustände, in denen psychologische von sozialen, konkrete von abstrakten Bezügen selten deutlich unterschieden werden. Immer ist die Wirklichkeit in Ligottis Erzählungen, die kaum je mehr als zwanzig Seiten umfassen, eine schiefe Ebene, auf der man unausweichlich tiefer abrutscht - "Bis zu jener Nacht hatte ich nicht vermutet, daß sich ein Keller unter dem Mietshaus befand, in dessen Erdgeschoß ich wohnte" stellt etwa der Erzähler der Geschichte "Wenn du das Singen hörst, wirst du wissen, es ist Zeit" beiläufig fest. In solcher Beiläufigkeit klingt ein wichtiges Moment der Grundgestimmtheit bei Ligotti: das träge, widerwillige Entdecken der schon vorab bekannten Tatsache, daß es immer noch schlimmer kommt, als man ohnehin schon befürchtet hat. Immer begegnen dem Ich, durch dessen Augen zu schauen man mittels verhaltener, eindringlicher Prosa gezwungen wird, an den entscheidenen Punkten des Handlungsgangs irgendwelche alten Vetteln mit bösen Bemerkungen auf der Zunge, verirrte Kranke mit entstellten Gesichtern, entlassene Strafgefangene oder Clowns, die sich zu oft die Lippen lecken.

Ligottis nach "Teatro Grottesco" zweiter auf deutsch erschienener Erzählungsband "In einer fremden Stadt, in einem fremden Land" enthält neben anderen Texten die vier Vignetten des Titel-Zyklus, die aus einer Kollaboration mit den Musikern David Tibet, Steven Stapleton und Christoph Heemann hervorgingen. Die CD, der diese Arbeiten in einem Begleitheft beilagen, ist vergriffen, aber auch ohne Musikbegleitung wird beim Lesen überdeutlich, daß Ligotti - ein zu spät geborener Symbolist, wenn es je einen gab - als einer der ganz wenigen unheimlichen Autoren der Gegenwart das Musikalische, Nichtreferentielle, Vage und Offene zur Erzeugung von Schauer und Beklemmung nutzt, wo selbst die Besten seiner Generation sonst allzu oft das plakative Bild und den magenumdrehenden Schock bevorzugen. Ohne solche Schocks, die auch Ligottis Literatur kennt, wäre die heutige Horrorliteratur zwar nicht der Rede wert, denn dann täten es auch Neuauflagen der Altmeister. Aber ohne Autoren wie Ligotti verdirbt der Boden, in dem die offensichtlicheren und grelleren Albträume des Genres keimen und Wurzeln schlagen können.

DIETMAR DATH

Thomas Ligotti: "In einer fremden Stadt, in einem fremden Land". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Monika Angerhuber, Edition Metzengerstein/Festa Verlag, Almersbach, 158 S., br., 19,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Es ist nach "Teatro Grottesco" bereits der zweite Band Erzählungen des amerikanischen Horrorschriftstellers, der nun erschienen ist. Wie Rezensent Dietmar Dath schreibt, setzt der 1953 geborene Horror-Autor in seinen Erzählungen, die im Schnitt nicht länger als 20 Seiten seien, mehr auf die Wirkung "stimmungsvoller Momentaufnahmen beklemmender Zustände" als auf grausige Taten und Handlungen. Das Vage und Atmosphärische stehe im Vordergrund. Der Rezensent, der sich offenbar auf das Angenehmste gegruselt hat, lobt vor allem, dass Ligoti mit dem "Musikalischen, Nichtreferenziellen, Vagen" arbeitet, um "Schauer" zu erzeugen. Da braucht es keine "magenumdrehenden Schocks" mehr - schon allein die Grundstimmung des Buchs erzeuge beklemmende Effekte: Es kommt immer "noch schlimmer, als man ohnehin schon befürchtet hat."

© Perlentaucher Medien GmbH