Der Traum von ewiger Jugend ist uralt. Wer hat ihn nicht schon geträumt? Hanif Kureishi macht ihn in diesem Roman zum Ausgangspunkt einer Odyssee, auf der vieles nicht das ist, was es zu sein vorgibt, und an deren Ende eine überraschende Erkenntnis steht ...
Adam, ein 65-jähriger Dramatiker, kann sich nur schwer abfinden, alt zu werden. Obwohl nicht wirklich unglücklich, glaubt er doch, dass sein Leben zu schnell vergangen sei.
Auf einer Party erfährt Adam von einer geheimen Klinik. Dort können wohlhabende Leute ihr Gehirn in einen jüngeren toten Körper verpflanzen lassen, um so den Traum ewiger Jugend für sich wahr werden zu lassen. Ein Verehrer seiner Bücher unterbreitet auch Adam das Angebot, für sechs Monate in einem anderen Körper zu leben.
In seinem neuen Ich beginnt Adam, jetzt Leo genannt, als Backpacker Europa zu bereisen. Dabei macht er exzessive, rauschhafte Erfahrungen mit Frauen und Drogen. Doch schon bald langweilt ihn das oberflächliche Leben, das er nun zu führen gezwungen ist. Ein Gefühl der Gefangenschaft im eigenen Körper ergreift von ihm Besitz.
Adam, ein 65-jähriger Dramatiker, kann sich nur schwer abfinden, alt zu werden. Obwohl nicht wirklich unglücklich, glaubt er doch, dass sein Leben zu schnell vergangen sei.
Auf einer Party erfährt Adam von einer geheimen Klinik. Dort können wohlhabende Leute ihr Gehirn in einen jüngeren toten Körper verpflanzen lassen, um so den Traum ewiger Jugend für sich wahr werden zu lassen. Ein Verehrer seiner Bücher unterbreitet auch Adam das Angebot, für sechs Monate in einem anderen Körper zu leben.
In seinem neuen Ich beginnt Adam, jetzt Leo genannt, als Backpacker Europa zu bereisen. Dabei macht er exzessive, rauschhafte Erfahrungen mit Frauen und Drogen. Doch schon bald langweilt ihn das oberflächliche Leben, das er nun zu führen gezwungen ist. Ein Gefühl der Gefangenschaft im eigenen Körper ergreift von ihm Besitz.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2004Körper aus dem Kühlraum
Seelenkäfighaltung: Hanif Kureishi macht jetzt Bodybuilding
Hanif Kureishi ist spätestens seit der Verfilmung seines Romans "Intimacy", die 2001 den Goldenen Bären gewann, auch bei uns ein Begriff. Sein neuer Roman "In fremder Haut" dreht sich abermals um einen Schriftsteller, der aus seiner Ehe ausbricht, diesmal nicht aus Unzufriedenheit mit seiner Gattin, sondern mit seinem Alter. Fesselnd ist die Erzählung von einer Party, auf der Adam als grand old man respektvoll vom Nachwuchs hofiert wird, während er selbst neidisch und resigniert die Frauen mustert, die für ihn nicht mehr in Frage kommen. Seine Gesundheit ist angeschlagen, er verharrt "in halbseniler Unentschiedenheit" länger als geplant und läßt sich von einem attraktiven, jungen Schauspieler in ein fatales Gespräch verwickeln.
Was sich aus dieser Begegnung ergibt, verläßt den Boden des Realismus, um mit den Mitteln eines Science-fiction-Märchens sehr aktuelle Fragen nach der menschlichen Identität unter den Bedingungen der grenzenlosen medizinischen Verfügung über den Alterungsprozeß zu stellen. Kureishis Protagonist entschließt sich, sein "Gestell" für sechs Monate gegen einen "Neukörper" auszutauschen, den er unter vielen anderen, auf dubiose Art zur Strecke gebrachten jungen Leichen im Kühlraum einer geheimnisvollen Klinik auswählt. Er hat für diese Zeit Urlaub von seiner Familie genommen und erfüllt sich den langgehegten Wunsch, ziellos durch Europa zu reisen. In der Gestalt eines schönen, muskulösen Jünglings wird er zum allseits begehrten Lustobjekt, Männer und Frauen halten ihn aus, er nimmt an Orgien teil, jobbt als Model, als Schwulentrophäe, als Gespiele einer amerikanischen Millionärin.
Obwohl die Motivation für den Körpertausch kein Mangel an Liebe, sondern das Bedürfnis nach jugendlicher Liebesfähigkeit gewesen ist, schenken seine Eskapaden nur den Schatten der Liebe, nämlich narzißtische Lust: "Lust kann einen in Sekundenschnelle verändern, sie kann einen wer weiß wohin führen." Untreue, so belehrt ihn ein anderer Neukörper, ist okay: "Nicht du bist es, der es tut." Doch wer es ist, der da durch Paris, Berlin und Mailand fegt, bleibt ein Problem. Die Erinnerung an die Erfahrungen des alten Körpers ist im transplantierten Hirn gespeichert, doch die Seelenwanderung gelingt nicht perfekt, weil der neue Leib andere Dispositionen fordert und weil in dessen "Körper-Ich" die Erfahrungen eines Fremden nachwirken. So gelingt es Adam nicht, seine alte Unterschrift zu reproduzieren, und bald stellen sich auch Bedenken in Hinblick auf seine Rückverwandlung ein: "Aber da mein alter Körper und sein Leiden das Leben repräsentierten, das ich geschaffen hatte, die Fleisch gewordene Summe aller meiner Errungenschaften, war ich der Meinung, ich sollte ihn wieder bewohnen."
Faust, Odysseus, Dorian Gray, Frankenstein, Dr. Jekyll und Mr. Hyde - sie alle geben sich ein Stelldichein in dieser literarischen Figur, die zwischen Darwinschem Elitismus und resignierter Weltweisheit gespalten ist. Adam überläßt sich den Vergnügungen und ist doch nicht dumm genug, sich etwas darauf einzubilden, daß andere Körper ihm "pausenlos zu Leibe" rücken: "Mir kam der Gedanke, daß wir dabei waren, eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder ungefähr gleich alt war." Sobald alle Welt Zugang zu Ersatzkörpern hätte, würde deren Jugend und Schönheit nicht länger begehrenswert sein. Insofern ist die Vermutung, in der schönen, neuen Welt werde Ethik durch Ästhetik ersetzt, ein Kurzschluß: Nichts langweilt Götter so schnell wie das Göttliche. Kureishi bringt die Paradoxien zur Sprache, die mit der Unsterblichkeit einhergehen: Eine Frau, die einen neuen Körper erhielt, um ein wichtiges Buch zu beenden, hat an ihrem Lebenswerk als neuer Mensch nicht länger Interesse: Die Ewigkeit verlangsamt den Puls, sie läßt alles gleichgültig erscheinen.
Gerade die Konsequenz des Entwurfs wird zur literarischen Schwäche von "In fremder Haut". Mit den Exzessen im Namen eines anderen gehen der Innenblick und die Sorgfalt des Erzählens verloren. Ein protziger Ton, eine Neigung zum Kitsch und klischeehafte Erlebnisse sind der Preis für die Metamorphose in einen Dressman. Unter die Haut der fremden Haut geht die Begegnung, die Adam - als junger Mann - mit seiner alternden Frau hat. Sie flirten und tanzen miteinander: Die einzige Möglichkeit, ihr nah zu sein, kränkt sein Ich, das noch an ihr hängt, bis ins Mark.
Das Resultat des Buches reduziert sich auf ein Wortspiel: Statt eines Altkörpers oder Neukörpers ist der mit zwei Seelen Befrachtete zum "nobody": niemand geworden. Und doch ist diese jämmerliche Stellung zwischen Großmannssucht und elegischer Meditation eine genaue Vermessung des Planquadrats, in dem der heutige Weltbürger und Fitneßklub-Adept befangen ist. Nur sollte er aufhören, Romane zu schreiben, wenn dem Bizeps der Stift aus der Hand fällt.
INGEBORG HARMS
Hanif Kureishi: "In fremder Haut". Aus dem Englischen übersetzt von Leonie von Reppert-Bismarck und Thomas Rütten. Kindler Verlag, Berlin 2003. 192 S., geb., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seelenkäfighaltung: Hanif Kureishi macht jetzt Bodybuilding
Hanif Kureishi ist spätestens seit der Verfilmung seines Romans "Intimacy", die 2001 den Goldenen Bären gewann, auch bei uns ein Begriff. Sein neuer Roman "In fremder Haut" dreht sich abermals um einen Schriftsteller, der aus seiner Ehe ausbricht, diesmal nicht aus Unzufriedenheit mit seiner Gattin, sondern mit seinem Alter. Fesselnd ist die Erzählung von einer Party, auf der Adam als grand old man respektvoll vom Nachwuchs hofiert wird, während er selbst neidisch und resigniert die Frauen mustert, die für ihn nicht mehr in Frage kommen. Seine Gesundheit ist angeschlagen, er verharrt "in halbseniler Unentschiedenheit" länger als geplant und läßt sich von einem attraktiven, jungen Schauspieler in ein fatales Gespräch verwickeln.
Was sich aus dieser Begegnung ergibt, verläßt den Boden des Realismus, um mit den Mitteln eines Science-fiction-Märchens sehr aktuelle Fragen nach der menschlichen Identität unter den Bedingungen der grenzenlosen medizinischen Verfügung über den Alterungsprozeß zu stellen. Kureishis Protagonist entschließt sich, sein "Gestell" für sechs Monate gegen einen "Neukörper" auszutauschen, den er unter vielen anderen, auf dubiose Art zur Strecke gebrachten jungen Leichen im Kühlraum einer geheimnisvollen Klinik auswählt. Er hat für diese Zeit Urlaub von seiner Familie genommen und erfüllt sich den langgehegten Wunsch, ziellos durch Europa zu reisen. In der Gestalt eines schönen, muskulösen Jünglings wird er zum allseits begehrten Lustobjekt, Männer und Frauen halten ihn aus, er nimmt an Orgien teil, jobbt als Model, als Schwulentrophäe, als Gespiele einer amerikanischen Millionärin.
Obwohl die Motivation für den Körpertausch kein Mangel an Liebe, sondern das Bedürfnis nach jugendlicher Liebesfähigkeit gewesen ist, schenken seine Eskapaden nur den Schatten der Liebe, nämlich narzißtische Lust: "Lust kann einen in Sekundenschnelle verändern, sie kann einen wer weiß wohin führen." Untreue, so belehrt ihn ein anderer Neukörper, ist okay: "Nicht du bist es, der es tut." Doch wer es ist, der da durch Paris, Berlin und Mailand fegt, bleibt ein Problem. Die Erinnerung an die Erfahrungen des alten Körpers ist im transplantierten Hirn gespeichert, doch die Seelenwanderung gelingt nicht perfekt, weil der neue Leib andere Dispositionen fordert und weil in dessen "Körper-Ich" die Erfahrungen eines Fremden nachwirken. So gelingt es Adam nicht, seine alte Unterschrift zu reproduzieren, und bald stellen sich auch Bedenken in Hinblick auf seine Rückverwandlung ein: "Aber da mein alter Körper und sein Leiden das Leben repräsentierten, das ich geschaffen hatte, die Fleisch gewordene Summe aller meiner Errungenschaften, war ich der Meinung, ich sollte ihn wieder bewohnen."
Faust, Odysseus, Dorian Gray, Frankenstein, Dr. Jekyll und Mr. Hyde - sie alle geben sich ein Stelldichein in dieser literarischen Figur, die zwischen Darwinschem Elitismus und resignierter Weltweisheit gespalten ist. Adam überläßt sich den Vergnügungen und ist doch nicht dumm genug, sich etwas darauf einzubilden, daß andere Körper ihm "pausenlos zu Leibe" rücken: "Mir kam der Gedanke, daß wir dabei waren, eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder ungefähr gleich alt war." Sobald alle Welt Zugang zu Ersatzkörpern hätte, würde deren Jugend und Schönheit nicht länger begehrenswert sein. Insofern ist die Vermutung, in der schönen, neuen Welt werde Ethik durch Ästhetik ersetzt, ein Kurzschluß: Nichts langweilt Götter so schnell wie das Göttliche. Kureishi bringt die Paradoxien zur Sprache, die mit der Unsterblichkeit einhergehen: Eine Frau, die einen neuen Körper erhielt, um ein wichtiges Buch zu beenden, hat an ihrem Lebenswerk als neuer Mensch nicht länger Interesse: Die Ewigkeit verlangsamt den Puls, sie läßt alles gleichgültig erscheinen.
Gerade die Konsequenz des Entwurfs wird zur literarischen Schwäche von "In fremder Haut". Mit den Exzessen im Namen eines anderen gehen der Innenblick und die Sorgfalt des Erzählens verloren. Ein protziger Ton, eine Neigung zum Kitsch und klischeehafte Erlebnisse sind der Preis für die Metamorphose in einen Dressman. Unter die Haut der fremden Haut geht die Begegnung, die Adam - als junger Mann - mit seiner alternden Frau hat. Sie flirten und tanzen miteinander: Die einzige Möglichkeit, ihr nah zu sein, kränkt sein Ich, das noch an ihr hängt, bis ins Mark.
Das Resultat des Buches reduziert sich auf ein Wortspiel: Statt eines Altkörpers oder Neukörpers ist der mit zwei Seelen Befrachtete zum "nobody": niemand geworden. Und doch ist diese jämmerliche Stellung zwischen Großmannssucht und elegischer Meditation eine genaue Vermessung des Planquadrats, in dem der heutige Weltbürger und Fitneßklub-Adept befangen ist. Nur sollte er aufhören, Romane zu schreiben, wenn dem Bizeps der Stift aus der Hand fällt.
INGEBORG HARMS
Hanif Kureishi: "In fremder Haut". Aus dem Englischen übersetzt von Leonie von Reppert-Bismarck und Thomas Rütten. Kindler Verlag, Berlin 2003. 192 S., geb., 14,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Tobias Reuther hat sich von Hanif Kureishi neuem Roman nicht fesseln lassen können, der das "bestens erprobte" Motiv des Körpertausches variiert. Ein alternder Theaterschriftsteller wird dazu verführt, den eigenen "erschlafften, kränkelnden Leib" abzustreifen und in einen frischen, jungen zu schlüpfen, in dem er nach erfolgter "Reinkarnation" in einer geheimen Klinik in bisweilen an "Kitsch" grenzender Weise durch Europa treibt, "von Bett zu Bett, von Job zu Job", erzählt Reuther, bis dem "Neugeborenen" aufgeht, dass sich die Unschuld der Jugend nicht künstlich zurückgewinnen lässt. Dabei schneide Kureishi zwar viele Themen, vom Risiko der Wissenschaften bis zum Verhältnis von Jugend und Alter, an, jedoch ohne den "letzten Entschluss, dem Text eine Richtung zu geben", kritisiert der Rezensent - und so bleibt der Roman für ihn, obgleich "lässig geschrieben und pointiert angelegt", doch nur eine "halbherzige" Fabel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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