Gegenwärtig haben laut Mikrozensus 2005 des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden rund 19 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik einen ›Migrationshintergrund‹, sind also selbst nach Deutschland zugewan-dert oder stammen unmittelbar von Zuwanderern ab. Dieses Fünftel der bundesdeutschen Bevölkerung setzt sich aus ganz unterschiedlichen Gruppen zusammen: Erstens geht es um Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die vor allem in den 1960er und 1970er Jahren als Arbeitswanderer beiderlei Geschlechts in die Bundesrepublik kamen sowie um ihre Familienangehö-rigen. Ihre Kinder leben heute schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland. Viele dieser Ar-beitswanderer oder ihrer Nachkommen haben die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, andere, die diesen Schritt (noch) nicht unternehmen wollten, sind formal weiterhin Ausländer, auch wenn bereits ihre Eltern in der Bundesrepublik geboren wurden. Zweitens gilt Ähnliches für die Gruppe der Menschen, die nicht als Arbeitswanderer, sondern als politische Flüchtlinge oder Bürgerkriegs- bzw. Kontingentflüchtlinge in den letzten Jahrzehnten aus dem Ausland zuwan-derten, weil das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 1949 ein individuelles Recht auf Asyl versprach. Drittens bilden eine weitere umfangreiche Gruppe Aussiedler deutscher Herkunft. Seit 1950 sind rund 4,5 Milli-onen Aussiedler bzw. Spätaussiedler aus osteuropäischen Staaten (vor allem Polen, Rumänien und der UdSSR) in Deutschland aufgenommen worden. Seit Anfang der 1990er Jahre kommen die Aussiedler, denen mit der Einreise in die Bundesrepublik automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen wird, ganz überwiegend aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. In der Bevölkerung Garbsens, einer Mittelstadt am Stadtrand Hannovers mit rund 63.000 Einwohnern, dürfte der Anteil der migrationserfahrenen Menschen noch höher liegen als im bundesdeutschen Durchschnitt; aufgrund anderer Erhebungskriterien lassen sich allerdings die Daten des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes nicht unmittelbar auf die kommunalen Angaben der Stadt Garbsen und der Region Hannover übertragen. In Garbsen hatten am 31. Dezember 2003 insgesamt 10,35 Prozent der Bevölkerung (6.561 Personen) eine auslän-dische Staatsangehörigkeit, fast ebenso viele (6.177 Personen) verfügten neben einem deutschen Ausweis noch über den Pass eines weiteren Staates. Hinzu kamen 569 Personen, die zwischen 1997 und 2004 als Spätaussied-ler nach Garbsen gekommen waren. Damit ist diese Gruppe aber bei weitem noch nicht vollständig erfasst, weil der Schwerpunkt der Aussiedlerzuwanderung in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren lag. Mit 484 Per-sonen ist die Gruppe der Kontingentflüchtlinge in Garbsen im regionalen Vergleich überdurchschnittlich stark vertreten; rund 38 Prozent derjenigen, die unter ihnen Ende 2003 im Gebiet des ehemaligen Landkreises Hanno-ver lebten, hatten ihren ersten Wohnsitz in der Stadt Garbsen. Mögen auch die statistischen Daten ein unvollständiges Bild bieten, lässt sich doch unzweifelhaft festhalten, dass Migrationserfahrungen in der Bevölkerung Garbsens weit verbreitet sind. Das gilt zumal auch dann, wenn die vielgestaltigen und umfangreichen räumlichen Bevölkerungsbewegungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs mit berücksichtigt werden, die zu weitreichenden Veränderungen der Bevölkerungs-struktur der niedersächsischen – und damit auch der Garbsener – Bevölkerung führten: Dazu zählt die Zuwanderung von deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten, die im Jahr der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 mehr als 26 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung stell-ten, während in Garbsen schon 1946 sogar zwischen 31 und 35 Prozent der Menschen Flüchtlinge und Vertrie-bene waren. Und dazu gehört auch die Zuwanderung von Hunderttausenden von DDR-Bürgern nach Nieder-sachsen zwischen der Gründung des zweiten deutschen Staates 1949 und dem Mauerbau 1961. Zu berücksichtigen ist außerdem die Geschichte der ›Displaced Persons‹, der Überlebenden der nationalsozialis-tischen Konzentrations- und Arbeitslager, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht in ihre Heimat zu-rückkehren konnten oder wollten und dauerhaft in der Bundesrepublik blieben. In den Blick genommen werden müssen darüber hinaus weitere umfangreiche kriegsbedingte Bewegungen, die ebenfalls zur Veränderung der niedersächsischen Bevölkerungsstruktur beitrugen und auch Garbsen betrafen: Die ›Evakuierten‹, die vor dem Bombenkrieg aus den deutschen Städten flüchteten, 1946 rund 16 Prozent der Garbsener Bevölkerung stellen, und von denen ein Teil auf Dauer in den Evakuierungsorten blieb oder auch die deutschen Kriegsgefangenen, die nach der Rückkehr aus der in Einzelfällen bis zu anderthalb Jahrzehnten umfassenden Kriegsgefangenschaft ein neues Leben außerhalb ihres Herkunftsortes aufbauen mussten. Auch wenn damit längst noch nicht alle Zuwanderergruppen auf niedersächsischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs benannt sind, lässt dieser knappe Abriss doch bereits erahnen, welche Dimensionen räumli-che Bevölkerungsbewegungen seit 1945 hatten und welche Folgen sich daraus ergaben. Das vorliegende Sam-melwerk kann nur einige wenige Aspekte der Zuwanderung nach Garbsen behandeln. In einem ersten Beitrag bietet Jochen Oltmer einen rahmenden Überblick über die wesentlichsten Zuwandererströme nach Niedersachsen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Irina Porzler nimmt im zweiten Aufsatz die Zuwanderung der Arbeitsmigranten nach Garbsen seit den 1950er und frühen 1960er Jahren in den Blick und konzentriert sich dabei auf die Untersuchung der Geschichte des Ausländerbeirats. Dessen Gründung war im Garbsener Rat bereits 1984 beschlossen worden und damit für eine Stadt dieser Größenordnung vergleichsweise sehr früh. Die Autorin konnte in ihrer Studie auf schriftliche Quel-len des Stadtarchivs Garbsen und der laufenden Verwaltung zurückgreifen, was bei solchen gegenwartsnahen Themen ansonsten selten möglich ist. Die dritte Studie des Sammelwerkes gilt der Integration von Spätaussiedlern. Noelle Noyes näherte sich vor allem mit Hilfe von Interviews diesem Thema. Sie blickt auf die Integration der Spätaussiedler in der branden-burgischen Stadt Strausberg, in der wenige weitere Zuwanderergruppen vertreten sind, und vergleicht mit der Integration in Garbsen, wo Menschen aus über hundert Nationen leben. Sie fragt danach, ob und inwieweit die ganz unterschiedliche Migrationssituation und Zuwanderungsgeschichte der beiden Kommunen Folgen für die Integration der Spätaussiedler hat