Seit zwei Tagen hat es kein Lebenszeichen von der kleinen Emilie mehr gegeben. Und dann verschwindet auch der fünfjährige Kim spurlos. Einziger Anhaltspunkt ist Aksel Seier, der vor über 40 Jahren ein kleines Mädchen mißbraucht und getötet haben soll. Nach Jahren der Haft hat man ihn später überraschend vorzeitig entlassen. Niemand weiß, wo sich Seier aufhält und wie es ihm nach dem erlittenen Unrecht heute geht. Doch dann taucht der entführte Junge wieder auf: tot, mit einem zerknitterten Zettel in der Hand - "Du hast bekommen, was du verdienst". Hauptkommissar Stub schaltet die kluge und sensible Inger Vik ein. Die Psychologin soll den Täter finden, bevor er weiteres Unheil anrichten kann. Tragische Mißverständnisse und politische Skrupellosigkeit scheinen die Lösung des Falles unmöglich zu machen. Mit Lakonie und großem Feingefühl erzählt Anne Holt von einem zutiefst berührenden Verbrechen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2002Der Kurier des Klaren
Makabre Paketlösung: Anne Holt beschreibt den perfekten Mord
Den Anstoß gab, wie häufig bei einem Stück schlüssiger Fiktion, ein tatsächliches Vorkommnis. Ende der dreißiger Jahre war in Norwegen ein Mann namens Ingvald Hansen, dem die Anklagebehörden vorwarfen, ein siebenjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet zu haben, zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Vieles jedoch schien darauf hinzudeuten, daß dieser Mann einem Justizirrtum zum Opfer gefallen war, nicht zuletzt die Tatsache, daß er nach gut zehn Jahren Haft unter völlig ungeklärten Umständen wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.
Selbst diese dürre Faktenlage genügte der versierten Autorin von Kriminalromanen, der Journalistin, Juristin und kurze Zeit norwegischen Justizministerin Anne Holt, ihre Phantasie so kreisen zu lassen, daß eine plausible Geschichte entstand, in welcher der Leser auf Anhieb gefangen ist. Mit ihrem Roman "In kalter Absicht" verabschiedet sich Anne Holt von der ermittelnden Hauptfigur ihrer bisherigen Bücher, der Osloer Hauptkommissarin Hanne Wilhelmsen, und bringt eine Psychologin ins Spiel, deren Verstand und Spürsinn alles andere als allmächtig sind und die mindestens so sehr mit sich zu tun hat wie mit dem komplizierten Fall, in den der Kommissar Yngmar Stubø die sich heftig Sträubende zieht. Inger Johanne Vik - der Roman tituliert sie fast durchgängig immer mit beiden Vornamen - weigert sich nämlich entschieden, als das zu fungieren, was die Amerikaner "Profiler" nennen: psychologisch geschulte Spezialisten, denen ein tiefer Blick auf Opfer, Tatumstände und Milieu des Verbrechens genügt, um die Psyche des Täters zu durchschauen.
Inger Johanne Vik gebricht es ebenso wie dem Kommissar Stubø an derlei Eingebungen. Ihnen bleibt nur die akribische Kleinarbeit, Schritt für Schritt, so mühselig diese auch sein mag. Drei Kinder sind in dichter Folge verschwunden. Das erste, ein entführtes Mädchen, ist für Monate unauffindbar. Die anderen finden sich als Leichen unter Umständen wieder, die makaber zu nennen noch gelinde ausgedrückt ist. Das eine Kind wird, zum Paket verschnürt, im Keller seiner Eltern abgelegt, das andere, ebenfalls als Paket, von einem Kurierdienst abgeliefert. Und an beiden Toten, bei denen die Pathologen lange Zeit nicht entscheiden können, wie sie getötet wurden, ist jeweils ein handgeschriebener Zettel angeheftet: "Du hast bekommen, was du verdienst."
Weil Inger Johanne Vik selbst eine kleine Tochter hat - vom Vater des Kindes lebt die Psychologin unterdessen getrennt - und weil dieses kleine Mädchen mental ein wenig außerhalb dessen steht, was man normal zu nennen gewohnt ist, erscheint das Widerstreben der von der Polizei um Hilfe angegangenen Frau glaubhaft. Daß auch der Kommissar ein schweres Schicksal zu schultern hat - seine Frau stürzte bei Reparaturarbeiten am Dach, die eigentlich die Aufgabe des Mannes gewesen wären, von der Leiter und erschlug dabei unglücklich die unten stehende erwachsene Tochter -, könnte man als extrem abtun, wenn es nicht die Kunst Anne Holts wäre, das Außergewöhnliche als realistisch und überhaupt nicht weit hergeholt auszugeben.
Deshalb beschleichen den Leser auch nie Zweifel, daß der vierzig Jahre zurückliegende Fall des vermeintlichen Justizirrtums, mit dem Inger Johanne Vik sich lieber beschäftigen möchte, mit den verschwundenen Kindern in Zusammenhang stehen muß. Deshalb ist das Entsetzen auch unabweisbar, als der beinahe perfekte, nicht nachzuweisende Mord offenbar wird, bei dem der menschliche Kaliumspiegel die entscheidende Rolle spielt - hier mehr darüber und überhaupt preiszugeben, wie eines ins andere greift, muß der Rezensent sich hüten.
Anne Holts neuer Roman ist ein ungemein spannendes, detailreich gebautes und für das Kriminalgenre erstaunlich wahrhaftiges Buch. Weil die Perspektive zwischen dem Täter und seinen kindlichen Opfern, zwischen den Jägern und dem keineswegs Gejagten, sondern sicher in seinem Versteck Lauernden ebenso gewandt wechselt wie die Zeitebene zwischen dem Fall damals - und was aus dem Betroffenen im fernen Amerika geworden ist - und dem Fall heute, resultiert die Spannung nicht aus der Identifizierung des Täters, dessen Name irgendwann fast beiläufig aufscheint, sondern aus der verzweifelten Suche nach den Motiven für den Racheakt eines vom Leben offenbar entsetzlich versehrten Menschen. Für diese Schlußfolgerung steht auch "Det som er mitt", der Originaltitel des Romans, der das einklagt, "was mein ist".
Nur einmal, im Finale, erlaubt sich Anne Holt den Knalleffekt eines Zusammenstoßes von zwei Handelnden, die zwar mittelbar sehr viel miteinander zu tun haben, bei denen es die Autorin aber sichtlich Mühe kostet, sie zur selben Zeit aus zwei unterschiedlichen Richtungen im Auto auf die Straße und in den Unfall zu hetzen, der zur Lösung des Falls beiträgt. Aber sonst ist dies ein so kühl und sachlich gehaltener Roman, daß er erbarmungslos scheinen könnte, wenn die Autorin nicht gerade dadurch dem Erbarmen mit den Figuren Raum gäbe, daß sie vollkommen darauf verzichtet, Emotionen zu schüren und die Betroffenheitstaste zu drücken.
Mit derart angehaltenem Atem, ohne sich dafür schämen zu müssen, folgte man als Leser selten der Beschreibung, wie ein Kind in kalter Absicht gefangengehalten und ein anderes mitleidlos getötet wird. Auf welch feine Art stets mitschwingt, daß der Kommissar auch ein vom Leben enttäuschter, verbrauchter und als Großvater heillos überforderter Mann ist, das berührt andererseits aufs schönste. Und wie, solange die zähen Ermittlungen währen, die Psychologin und der Kommissar einander gefühlsmäßig immer näher kommen, hoffend und verzagt zugleich, ohne daß der eine wie die andere sich und dem Gegenüber ihre Gefühle je einzustehen wagen, das hebt in diesem unendlich ausgehaltenen Schwebezustand Anne Holts Roman bemerkenswert über das Krimigenre hinaus.
HANS-DIETER SEIDEL.
Anne Holt: "In kalter Absicht". Roman. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Piper Verlag, München, Zürich 2002. 365 S., geb., 19,90.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Makabre Paketlösung: Anne Holt beschreibt den perfekten Mord
Den Anstoß gab, wie häufig bei einem Stück schlüssiger Fiktion, ein tatsächliches Vorkommnis. Ende der dreißiger Jahre war in Norwegen ein Mann namens Ingvald Hansen, dem die Anklagebehörden vorwarfen, ein siebenjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet zu haben, zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Vieles jedoch schien darauf hinzudeuten, daß dieser Mann einem Justizirrtum zum Opfer gefallen war, nicht zuletzt die Tatsache, daß er nach gut zehn Jahren Haft unter völlig ungeklärten Umständen wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.
Selbst diese dürre Faktenlage genügte der versierten Autorin von Kriminalromanen, der Journalistin, Juristin und kurze Zeit norwegischen Justizministerin Anne Holt, ihre Phantasie so kreisen zu lassen, daß eine plausible Geschichte entstand, in welcher der Leser auf Anhieb gefangen ist. Mit ihrem Roman "In kalter Absicht" verabschiedet sich Anne Holt von der ermittelnden Hauptfigur ihrer bisherigen Bücher, der Osloer Hauptkommissarin Hanne Wilhelmsen, und bringt eine Psychologin ins Spiel, deren Verstand und Spürsinn alles andere als allmächtig sind und die mindestens so sehr mit sich zu tun hat wie mit dem komplizierten Fall, in den der Kommissar Yngmar Stubø die sich heftig Sträubende zieht. Inger Johanne Vik - der Roman tituliert sie fast durchgängig immer mit beiden Vornamen - weigert sich nämlich entschieden, als das zu fungieren, was die Amerikaner "Profiler" nennen: psychologisch geschulte Spezialisten, denen ein tiefer Blick auf Opfer, Tatumstände und Milieu des Verbrechens genügt, um die Psyche des Täters zu durchschauen.
Inger Johanne Vik gebricht es ebenso wie dem Kommissar Stubø an derlei Eingebungen. Ihnen bleibt nur die akribische Kleinarbeit, Schritt für Schritt, so mühselig diese auch sein mag. Drei Kinder sind in dichter Folge verschwunden. Das erste, ein entführtes Mädchen, ist für Monate unauffindbar. Die anderen finden sich als Leichen unter Umständen wieder, die makaber zu nennen noch gelinde ausgedrückt ist. Das eine Kind wird, zum Paket verschnürt, im Keller seiner Eltern abgelegt, das andere, ebenfalls als Paket, von einem Kurierdienst abgeliefert. Und an beiden Toten, bei denen die Pathologen lange Zeit nicht entscheiden können, wie sie getötet wurden, ist jeweils ein handgeschriebener Zettel angeheftet: "Du hast bekommen, was du verdienst."
Weil Inger Johanne Vik selbst eine kleine Tochter hat - vom Vater des Kindes lebt die Psychologin unterdessen getrennt - und weil dieses kleine Mädchen mental ein wenig außerhalb dessen steht, was man normal zu nennen gewohnt ist, erscheint das Widerstreben der von der Polizei um Hilfe angegangenen Frau glaubhaft. Daß auch der Kommissar ein schweres Schicksal zu schultern hat - seine Frau stürzte bei Reparaturarbeiten am Dach, die eigentlich die Aufgabe des Mannes gewesen wären, von der Leiter und erschlug dabei unglücklich die unten stehende erwachsene Tochter -, könnte man als extrem abtun, wenn es nicht die Kunst Anne Holts wäre, das Außergewöhnliche als realistisch und überhaupt nicht weit hergeholt auszugeben.
Deshalb beschleichen den Leser auch nie Zweifel, daß der vierzig Jahre zurückliegende Fall des vermeintlichen Justizirrtums, mit dem Inger Johanne Vik sich lieber beschäftigen möchte, mit den verschwundenen Kindern in Zusammenhang stehen muß. Deshalb ist das Entsetzen auch unabweisbar, als der beinahe perfekte, nicht nachzuweisende Mord offenbar wird, bei dem der menschliche Kaliumspiegel die entscheidende Rolle spielt - hier mehr darüber und überhaupt preiszugeben, wie eines ins andere greift, muß der Rezensent sich hüten.
Anne Holts neuer Roman ist ein ungemein spannendes, detailreich gebautes und für das Kriminalgenre erstaunlich wahrhaftiges Buch. Weil die Perspektive zwischen dem Täter und seinen kindlichen Opfern, zwischen den Jägern und dem keineswegs Gejagten, sondern sicher in seinem Versteck Lauernden ebenso gewandt wechselt wie die Zeitebene zwischen dem Fall damals - und was aus dem Betroffenen im fernen Amerika geworden ist - und dem Fall heute, resultiert die Spannung nicht aus der Identifizierung des Täters, dessen Name irgendwann fast beiläufig aufscheint, sondern aus der verzweifelten Suche nach den Motiven für den Racheakt eines vom Leben offenbar entsetzlich versehrten Menschen. Für diese Schlußfolgerung steht auch "Det som er mitt", der Originaltitel des Romans, der das einklagt, "was mein ist".
Nur einmal, im Finale, erlaubt sich Anne Holt den Knalleffekt eines Zusammenstoßes von zwei Handelnden, die zwar mittelbar sehr viel miteinander zu tun haben, bei denen es die Autorin aber sichtlich Mühe kostet, sie zur selben Zeit aus zwei unterschiedlichen Richtungen im Auto auf die Straße und in den Unfall zu hetzen, der zur Lösung des Falls beiträgt. Aber sonst ist dies ein so kühl und sachlich gehaltener Roman, daß er erbarmungslos scheinen könnte, wenn die Autorin nicht gerade dadurch dem Erbarmen mit den Figuren Raum gäbe, daß sie vollkommen darauf verzichtet, Emotionen zu schüren und die Betroffenheitstaste zu drücken.
Mit derart angehaltenem Atem, ohne sich dafür schämen zu müssen, folgte man als Leser selten der Beschreibung, wie ein Kind in kalter Absicht gefangengehalten und ein anderes mitleidlos getötet wird. Auf welch feine Art stets mitschwingt, daß der Kommissar auch ein vom Leben enttäuschter, verbrauchter und als Großvater heillos überforderter Mann ist, das berührt andererseits aufs schönste. Und wie, solange die zähen Ermittlungen währen, die Psychologin und der Kommissar einander gefühlsmäßig immer näher kommen, hoffend und verzagt zugleich, ohne daß der eine wie die andere sich und dem Gegenüber ihre Gefühle je einzustehen wagen, das hebt in diesem unendlich ausgehaltenen Schwebezustand Anne Holts Roman bemerkenswert über das Krimigenre hinaus.
HANS-DIETER SEIDEL.
Anne Holt: "In kalter Absicht". Roman. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Piper Verlag, München, Zürich 2002. 365 S., geb., 19,90
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schuld und Rache
"Ich sage immer, Kriminalromane sind Kinderbücher für Erwachsene. Sie haben dieselbe Formel. Zu Beginn herrscht Ordnung, danach tritt das Chaos ein und am Ende ist die Ordnung wieder hergestellt." So Anne Holt bei der Vorstellung ihres Thrillers In kalter Absicht. Kinderbuch für Erwachsene - dies gilt für diesen Krimi der norwegischen Erfolgs-Autorin ganz besonders. Die Opfer, um die es sich dreht, sind Kinder, die entführt wurden. Drei solcher Fälle nacheinander stürzen das kleine Norwegen, wo jeder jedem schon einmal begegnet ist, in ein Chaos der Gefühle.
Drei Kinder wurden entführt, zwei sind schon tot
Erst trifft es Emilie Selbu, kurz darauf den fünfjährigen Kim. Beide Kinder sind spurlos verschwunden - entführt. Dann wird eines Morgens Kims Leiche mit der Botschaft "Du hast bekommen, was du verdienst" im Haus der Eltern abgelegt. Während die Polizei unter Kommissar Yngvar Stubo die Ermittlungen in Gang setzt, wird ein weiteres Mädchen, Sarah Baardsen, entführt. Ihre Leiche findet sich wenige Tage später in einem großen Paket wieder.
Zwei Kriminalfälle und zwei Ermittler
Warum und woran sind die Kinder gestorben? Von dem Täter fehlt jede Spur, auch der Pathologe weiß keine Erklärung. Da trifft es sich auf den ersten Blick sehr gut, dass sich genau an dem Ort, wo Emilie entführt wurde, ein Mann auffällig verhält. Ist er der Täter? Nein, er ist es nicht! Gerne verlässt sich der erfahrene Kommissar Yngvar Stubo auf sein kriminalistisches Gespür. Aber in diesem Fall hat er keine Idee, die ihm helfen könnte, den Fall aufzuklären. Stubo braucht einen Profiler, einen Fachmann, der ihm ein Täterprofil erstellt, soviel ist ihm klar. Seine Kandidatin dafür ist die Juristin und Psychologin Inger Johanne Vik, die gerade an einem Forschungsprojekt arbeitet. Hier beschäftigt sie sich mit einem weit zurückliegenden Mord, bei dem ihr immer mehr spektakuläre Ungereimtheiten auffallen. Lange zögert Inger Johanne, Yngvar zu helfen, dann sagt sie doch zu. Während sie an ihrem Fall arbeitet, ergeben sich plötzlich Verbindungen zu den aktuellen Entführungen, schließlich stoßen die Ermittler auf den Racheplan eines jungen Mannes.
Betrug im Amt, verschwundene Unterlagen...
... in ihrem Krimi In kalter Absicht greift Anne Holt am Beispiel des Staatsanwaltes Astor Kongsbakken Missstände in den Reihen der Strafverfolger scharf an. Anne Holts Thriller sind nicht nur hervorragend recherchierte, spannend konstruierte Krimis. Was ihre Romane vor allem auszeichnet, ist ihr moralischer Anspruch. Es ist ihr Ehrgeiz und ihre Entschlossenheit, für Recht und Ordnung zu sorgen, der Kommissare wie Stubo, seine Beraterin Inger Johanne oder die sympathische Hanne Wilhelmsen immer wieder antreibt. Die Welt wird nicht besser, wenn wir nur daran glauben. Wir müssen viel dafür tun. Wie Anne Holts Ermittler. (Birgit Kuhn)
"Ich sage immer, Kriminalromane sind Kinderbücher für Erwachsene. Sie haben dieselbe Formel. Zu Beginn herrscht Ordnung, danach tritt das Chaos ein und am Ende ist die Ordnung wieder hergestellt." So Anne Holt bei der Vorstellung ihres Thrillers In kalter Absicht. Kinderbuch für Erwachsene - dies gilt für diesen Krimi der norwegischen Erfolgs-Autorin ganz besonders. Die Opfer, um die es sich dreht, sind Kinder, die entführt wurden. Drei solcher Fälle nacheinander stürzen das kleine Norwegen, wo jeder jedem schon einmal begegnet ist, in ein Chaos der Gefühle.
Drei Kinder wurden entführt, zwei sind schon tot
Erst trifft es Emilie Selbu, kurz darauf den fünfjährigen Kim. Beide Kinder sind spurlos verschwunden - entführt. Dann wird eines Morgens Kims Leiche mit der Botschaft "Du hast bekommen, was du verdienst" im Haus der Eltern abgelegt. Während die Polizei unter Kommissar Yngvar Stubo die Ermittlungen in Gang setzt, wird ein weiteres Mädchen, Sarah Baardsen, entführt. Ihre Leiche findet sich wenige Tage später in einem großen Paket wieder.
Zwei Kriminalfälle und zwei Ermittler
Warum und woran sind die Kinder gestorben? Von dem Täter fehlt jede Spur, auch der Pathologe weiß keine Erklärung. Da trifft es sich auf den ersten Blick sehr gut, dass sich genau an dem Ort, wo Emilie entführt wurde, ein Mann auffällig verhält. Ist er der Täter? Nein, er ist es nicht! Gerne verlässt sich der erfahrene Kommissar Yngvar Stubo auf sein kriminalistisches Gespür. Aber in diesem Fall hat er keine Idee, die ihm helfen könnte, den Fall aufzuklären. Stubo braucht einen Profiler, einen Fachmann, der ihm ein Täterprofil erstellt, soviel ist ihm klar. Seine Kandidatin dafür ist die Juristin und Psychologin Inger Johanne Vik, die gerade an einem Forschungsprojekt arbeitet. Hier beschäftigt sie sich mit einem weit zurückliegenden Mord, bei dem ihr immer mehr spektakuläre Ungereimtheiten auffallen. Lange zögert Inger Johanne, Yngvar zu helfen, dann sagt sie doch zu. Während sie an ihrem Fall arbeitet, ergeben sich plötzlich Verbindungen zu den aktuellen Entführungen, schließlich stoßen die Ermittler auf den Racheplan eines jungen Mannes.
Betrug im Amt, verschwundene Unterlagen...
... in ihrem Krimi In kalter Absicht greift Anne Holt am Beispiel des Staatsanwaltes Astor Kongsbakken Missstände in den Reihen der Strafverfolger scharf an. Anne Holts Thriller sind nicht nur hervorragend recherchierte, spannend konstruierte Krimis. Was ihre Romane vor allem auszeichnet, ist ihr moralischer Anspruch. Es ist ihr Ehrgeiz und ihre Entschlossenheit, für Recht und Ordnung zu sorgen, der Kommissare wie Stubo, seine Beraterin Inger Johanne oder die sympathische Hanne Wilhelmsen immer wieder antreibt. Die Welt wird nicht besser, wenn wir nur daran glauben. Wir müssen viel dafür tun. Wie Anne Holts Ermittler. (Birgit Kuhn)
»Gegen diesen Serienkiller-Thriller ist 'Das Schweigen der Lämmer'; eine Gute-Nacht-Geschichte. Hätte Anne Holt mit Inger Vik nicht eine absolut vertrauenerweckende Heldin in die böse Welt geschickt, man würde nach der Lektüre ihres neuen Psychokrimis kein Auge mehr zukriegen.« Brigitte