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Das Berlin der 1920er und frühen 30er Jahre bildet den schillernden Hintergrund der hier zusammengestellten Essays und Kritiken zum Film aus der Feder des Lyrikers Ernst Blass, an dessen 80. Todestag am 23. Januar 2019 erinnert werden soll. Das Spektrum der Texte reicht von kritischen Betrachtungen zur Filmtechnik über ergreifende Nachrufe, Rezensionen, Selbstre exionen als Filmkritiker bis hin zu Verrissen. Sie alle sollen Blass als kompetenten, sensiblen, aber auch ironisch saloppen Autor zeigen, dessen Artikel - in denen seine Heimatstadt Berlin eine bemerkenswerte Rolle spielt - mit den…mehr

Produktbeschreibung
Das Berlin der 1920er und frühen 30er Jahre bildet den schillernden Hintergrund der hier zusammengestellten Essays und Kritiken zum Film aus der Feder des Lyrikers Ernst Blass, an dessen 80. Todestag am 23. Januar 2019 erinnert werden soll. Das Spektrum der Texte reicht von kritischen Betrachtungen zur Filmtechnik über ergreifende Nachrufe, Rezensionen, Selbstre exionen als Filmkritiker bis hin zu Verrissen. Sie alle sollen Blass als kompetenten, sensiblen, aber auch ironisch saloppen Autor zeigen, dessen Artikel - in denen seine Heimatstadt Berlin eine bemerkenswerte Rolle spielt - mit den wesentlich bekannteren Schriften zum Film von Siegfried Karacauer durchaus in einem Atemzug genannt werden können. - Dem von der Ernst-Blass-Forscherin Angela Reinthal zusammengestellten Band sind ein Geleitwort des Berlinale-Direktors Dieter Kosslick sowie Abbildungen einiger zeitgenössischer Filmplakate beigegeben.
Autorenporträt
Ernst Blass (1890-1939) entstammte einer jüdischen Fabrikantenfamilie aus Berlin und lernte während seines Jurastudiums die Dichter Jakob van Hoddis und Georg Heym kennen, mit denen er im "Neo-pathetischen Cabaret" und dem "Neuen Club" Kurt Hillers auftrat. Schon früh erschien seine Lyrik in den expressionistischen Zeitschriften "Die Aktion", "Der Sturm" und "Die Fackel". Mit dem Gedichtband "Die Straßen komme ich entlang geweht" (1912) wurde er berühmt. In Heidelberg, wo er sein Studium abschloss, gab er als 24-Jähriger die literarisch-philosophische Zeitschrift "Die Argonauten" heraus. Bis zu seinem Schreibverbot 1933 verfasste er vor allem für die Berliner Tagespresse zahlreiche Feuilletons.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2019

Vampchen-Glühen
Kalauer und Pointe: Die Filmkritiken des Ernst Blass
Er war in Berlin geboren, 1890, als der Wilhelminismus noch in den Kinderschuhen steckte, und ein junger Mann, als seine Heimatstadt zu einer modernen Metropole wurde. Die neuen Lebensrhythmen, Verkehrsmittel, Vergnügungen hatten es ihm angetan: „O komm! o komm, Geliebte! In der Bar / Verrät der Mixer den geheimsten Tip. / Und überirdisch, himmlisch steht dein Haar /Zur Rötlichkeit des Cherry-Brandy-Flip.“ So löste sein Gedicht „Abendstimmung“ den scheinbar romantischen Titel ein, in dem Band „Die Straßen komme ich entlanggeweht“ (1912).
Für die grassierende Verachtung der Großstadt war Ernst Blass verloren. Er feierte sie auch dort, wo er sie in fahles Licht tauchte. Gern wehte er in Sonettform durch die Nacht. Geblieben ist von ihm im allgemeinen Bewusstsein außer dem Etikett „expressionistischer Lyriker“ wenig, trotz der dreibändigen Werkausgabe, die Thomas B. Schumann 2009 herausgab. Als Ernst Blass im Januar 1939 im Berliner Jüdischen Krankenhaus an Tuberkulose starb, war er aus dem literarischen Leben schon seit Jahren ausgeschlossen.
Früh muss er das Kino für sich entdeckt haben. Man wurde nicht Filmkritiker beim Berliner Tageblatt ohne nachweisliche Vertrautheit mit dem noch jungen Medium. Von 1924 bis 1933 schrieb Ernst Blass 324 Filmbesprechungen, die in der Werkausgabe nicht enthalten sind, dazu einige Essays. Eine umfangreiche Auswahl gibt es jetzt unter dem Titel: „in kino veritas“. Nein, der Titel stammt nicht vom Verlag, er stammt vom Autor, aus der Rezension zum italienischen „Kolossalfilm ‚Quo vadis?‘“ von 1923: „Das Rom Neros ist hier aufgebaut ungefähr im Stil unserer Nationalgalerie, und die auftretenden Römer machen den Eindruck außerordentlich später Römer. Sie könnten etwa sagen: in kino veritas.“
Kalauer, Pointe, Sprachspiel, der Plauderton des Feuilletons waren Markenzeichen dieses Kritikers: „Wenn in einem Film ein Luftschiffer verunglückt, lange verschollen bleibt, endlich heimkehrt und seine Braut als Frau seines Freundes wiederfindet, so ist das für den Zuschauer eine annehmbare Geschichte. Wenn aber in einem Film zwei Luftschiffer getrennt verunglücken, verschollen bleiben, für tot gehalten werden, und beide finden die traute Geliebte an der Seite des Freundes wieder, so glaubt man, einen Tendenzfilm gegen die Luftschiffahrt zu sehen.“
Ernst Blass geht durch den Kino-Alltag, erlebt den Umbruch vom Stumm- zum Tonfilm, sieht Haupt- und Nebenwerke mit Chaplin, Buster Keaton, Jackie Coogan, folgt Lubitsch und Emil Jannings, beerdigt Mauritz Stiller und Friedrich Wilhelm Murnau, rezensiert „Der Geist des Films“ (1931) von Béla Balázs, sieht 1926 die noch kaum bekannte Lilian Harvey in einem Allerweltsfilm: „So ein Drehschwank wie ‚Die Kleine vom Bummel‘, von Eichberg inszeniert, im U.T. Kurfürstendamm laufend, arbeitet mit zweierlei Effekten. Erstens: Gassenhauer. Zweitens: Gartenlaube.“
Asta Nielsen liebt er heiß und innig, Walther Ruttmanns „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ betrachtet er mit dem Misstrauen des geborenen Berliners. Ausgerechnet gegenüber Greta Garbo, der Unnahbaren, erlaubt er sich seinen albernsten Kalauer: „Freut euch des Lebens, weil so ein Vampchen glüht!“ Man begleitet ihn dennoch gern.
LOTHAR MÜLLER
Ernst Blass: „in kino veritas“. Essays und Kritiken zum Film. Berlin 1924 – 1933. Ausgewählt, mit einem Nachwort versehen und herausgegeben von Angela Reinthal. Geleitwort von Dieter Kosslick. Elfenbein Verlag, Berlin 2019. 288 Seiten, 22 Euro.
Fotos: Josef Fenneker-Archiv, Stadt Bocholt; Elfenbein Verlag
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