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Dies ist die Geschichte von Maik Steiner, einer strahlenden Erscheinung, Schauspieler in deutschen Kultfilmen der siebziger Jahre, der in Westberlin Vera trifft, die in Meditation, Drogen und Sex das 'Neue Leben' sucht. Nach der Trennung von Maik verschwindet sie mit dem gemeinsamen Sohn aufs Land und zieht von einer Wohngemeinschaft zur nächsten. Maik, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, macht sich auf, diese beiden Menschen seines Lebens wiederzufinden. Eine riskante Suche. Er entdeckt, dass die ehemaligen Reformprojekte, in denen er seinen Sohn vermutet, zu totalitären Sekten degeneriert…mehr

Produktbeschreibung
Dies ist die Geschichte von Maik Steiner, einer strahlenden Erscheinung, Schauspieler in deutschen Kultfilmen der siebziger Jahre, der in Westberlin Vera trifft, die in Meditation, Drogen und Sex das 'Neue Leben' sucht. Nach der Trennung von Maik verschwindet sie mit dem gemeinsamen Sohn aufs Land und zieht von einer Wohngemeinschaft zur nächsten. Maik, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, macht sich auf, diese beiden Menschen seines Lebens wiederzufinden. Eine riskante Suche. Er entdeckt, dass die ehemaligen Reformprojekte, in denen er seinen Sohn vermutet, zu totalitären Sekten degeneriert sind. Zu diesen Kommunen gehört beispielsweise ein Erziehungslager für Kinder. Je näher Maik seinem Sohn kommt, desto tiefer sackt er beruflich, er verwahrlost. Aber nicht nur sein Leben ist aus dem Ruder gelaufen. Wir hören von der Bruchlandung einer Generation.
1970 - 1992. Zweiundzwanzig Jahre. "In seinen Armen das Kind" erzählt eine mitreißende, immer spanneder werdende Geschichte einer Zeit, die abgeschlossen zu sein scheint. Das täuscht. Der Roman macht uns zu Zeugen einer gegenwärtigen Vergangenheit. Nichts ist erledigt. Alles wird noch einmal fühlbar gemacht - auch, was mit der mobilisierten Energie passiert, wenn die Ziele zerbrechen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2002

Shula hat mir ein Leids getan
Zwischen Sekt und Sekte: Bodo Morshäuser schreibt den Roman der Generation Bambus
An ihren Namen kann man sie erkennen. Harri, Bär und Toto heißen die Figuren in Bodo Morshäusers neuem Roman, Ringo, Maik und Fred, Tailer oder Shula, aber man kann nie ganz sicher sein, ob sie in anderen Welten und Zeiten nicht vielleicht ganz anders hießen. Man muss sich diese Namen auf der Zunge zergehen lassen, ihren Frühsiebziger-Charme, ihr Aroma von Ausgeflipptheit, Drogen-Delinquenz und Subkultur, und schon ist man mitten in den lang vergangenen Verhältnissen, die Morshäusers Roman mit merkwürdiger Hingabe vergegenwärtigt. Harri, Bär und die anderen sind, wenn man die Dinge aus der bürgerlichen Warte betrachtet, allesamt Außenseiter; aber zugleich sind sie natürlich Insider, die ihre Namen tragen wie Stammes-Tätowierungen. Als Häuptlinge des Kiffertums haben sie sich in ihrer Berliner Parallelwelt hart am Rand der Legalität eingerichtet und treiben dort mancherlei Geschäfte.
Der Roman führt den Leser in Machenschaften ein, von deren Kompliziertheit Sätze wie dieser einen Eindruck geben: „Günther hatte gesagt, es sei kein Zufall gewesen, dass Udo, Vera und Maik früher in der Einflugschneise Besuch von Fred bekamen und daraufhin nach Sommersell fuhren. Fred sei geschickt worden. Hatte Günther gesagt, Fred sei damals von Hermann geschickt worden? Maria hatte Günther ernstgenommen, dachte Maik, nun wußte sie, wer dahintersteckte.” Das ist nicht undurchsichtiger formuliert, als die Ereignisse tatsächlich sind. Es geht um kriminelle Geschäfte, um eine Suche und darum, wer dahinter steckt. Vor allem geht es um eine Antwort auf die Frage, weshalb und wohin Maiks Frau mit dem gemeinsamen Sohn verschwunden ist. Maik nämlich, der ein bekannter Darsteller im neuen deutschen Film war und nun als kokainsüchtiger Nachrichtensprecher überlebt, ist die Hauptfigur des Romans. Er hat einem Bekannten, den das alles im Detail interessiert, nennen wir ihn Morshäuser, seinen großen Schlamassel aus zwei Jahrzehnten in zahllosen Sitzungen mal bereit-, mal widerwillig zu Protokoll gegeben.
Bodo Morshäuser hat sich schon häufiger mit Berliner subkulturellen Milieus beschäftigt und literarische Szene-Beobachtung an und in Jugendkulturen betrieben. Dieser Roman beginnt im Ambiente des Jahres 1970: „Im Kamin glühten kleine Scheite, eine Schallplatte von Moody Blues drehte sich, die Luft getränkt von Sandelholzduft. Auf Bastmatten begaben sie sich in den Lotussitz. Hermann schenkte dünnen Kräutertee ein.” Politik scheint passé, es duftet bereits nach Esoterik, und Morshäuser gelingt es mühelos, diese Welt mitsamt ihrem Inventar zu restaurieren. Auch seine Sprache wirkt oft so, als käme sie unbearbeitet aus den Meditationsräumen am Hagenplatz: „Sie war mit jeglichem im Einklang”, heißt es über Maiks spätere Freundin Vera. Liegt hier ein Missgriff vor, oder betreibt Morshäuser willentlich Mimikry mit der Ausdrucksweise jener Jahre? Kann man die sprachliche Kunstferne eines Romans mit dem Hinweis auf seine Lebensnähe entschuldigen?
Der Sohnsucher
Vielleicht nicht. Enthält das Buch tiefere Einsichten, die den fast schon erheiternden Mangel an literarischem Feingefühl kompensieren? Möglicherweise auch das nicht. Trotzdem möchte man den Roman vor einer allzu literarischen Kritik in Schutz nehmen. Auch wenn die Sprache holpert und die Reflexion nicht anspringt, so hat hier doch ein Autor mit allem, was ihm zu Gebote steht, den Lebensroman einer Generation zu schreiben versucht und dabei unser literarisches Wissen von Harri, Bär und anderen Zeitgenossen bedeutend erweitert. „Wahrscheinlich stellen wir uns Gangster und Kriminelle immer falsch vor, immer so, als seien sie nicht da, wo wir sind”, heißt es einmal. Nach diesem Roman stellt man sie sich zweifellos ein Stück richtiger vor.
Vera, Maiks esoterische Geliebte, hat sich nach kurzer Zeit und ohne Ansage mit dem Sohn in eine fränkische Landkommune davongemacht; ihr weiterer Verbleib ist unbekannt. Als Sohnsucher, und das ist der eigentliche Hauptstrang des Romans, wird sich Maik in entschiedenen Gegensatz zu einigen Typen aus seinem Berliner Milieu begeben, die aus der Esoterik ein Geschäft und aus dem Geschäft eine kriminelle Organisation gemacht haben – in der Frauen wie Vera die Rolle zugedacht ist, ein Reservoir an jungen Arbeitskräften zu gebären. Die Drogen- und Dealerszene der frühen Jahre hat sich inzwischen lukrativeren Erwerbsformen zugewandt. Maik dagegen ist unbeirrbar auf dem absteigenden Ast und Morshäuser der subtile Chronist seines Verfalls: „Um die Zeit herum, als er Vera und seinen Sohn zu suchen begann, hatte er etwas verloren. Den Sinn für die Schauspielerei oder den Sinn dafür, Schauspieler zu sein. Beides ging nicht mehr in einem auf, in Maik.”
Auf den fränkischen Höfen, die der zum Sohnsucher gewandelte Schauspieler besucht, tun sich Abgründe von post-alternativem Geschäftssinn auf. Die Räucherstäbchen-Esoterik hat einem konzernmäßigen Sektenwesen Platz gemacht; was einmal ganzheitlich und organisch zu sein beanspruchte, hat sich in eine „Maschine” verwandelt, an deren Eingang ein Schild „Institut der experimentellen Erfahrung” prangt. Maiks Recherche ist spannend und beklemmend, und wenn am Ende alles auffliegt und er selbst vollends ein Wrack ist, „herausgeschleudert aus allen Theorien und Versuchen, die Welt zu verstehen” , ist niemandem wirklich geholfen.
„In seinen Armen das Kind”, wer ist zuletzt gemeint mit dem Erlkönig- Zitat? Maiks Sohn oder Maik selbst, in den Armen des Erzählers, seines treuesten Zuhörers und Begleiters? Dieser Roman lässt nicht kalt. Nicht weil er, wie inzwischen jeder zweite „Tatort”, von Sekten handelt. Auch nicht weil er von einer Vergangenheit erzählt, die, wie es so gern heißt, „nicht vergehen will”. Der Klappentext behauptet: „Nichts ist erledigt”. Das Gegenteil stimmt: Alle sind erledigt. Die peinlich genaue Beschreibung des Unglücks bestimmter Angehöriger einer bestimmten Generationmacht diesen Roman lesenswert, ganz gleich, wie gut wir die Harris, Bärs und Ringos im wirklichen Leben gekannt haben.
CHRISTOPH BARTMANN
BODO MORSHÄUSER: In seinen Armen das Kind. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 366 Seiten, 22,90 Euro.
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