Die Erlebnisse Ernst Jüngers vom Januar 1915 bis zum August 1918 an der Westfront spiegeln sich in den »Stahlgewittern« wieder: vom Grabenkrieg in der Champagne und der Schlacht bei Cambrai bis hin zu den Stoßtruppunternehmen in Flandern und zuletzt der Verleihung des Ordens Pour le mérite nach seiner Verwundung.
»'In Stahlgewittern' machte ihn zum Helden einer Generation junger Offiziere, die alles gegeben hatten und am Ende bestenfalls das Eiserne Kreuz davontrugen. Gide pries es als 'das schönste Kriegsbuch, das ich je las.' Tatsächlich ähnelt es keinem anderen Buch der damaligen Zeit - keine Spur von den pastoralen Meditationen eines Siegfried Sassoon oder Edmund Blunden, kein Anflug von Feigheit wie bei Hemingway, kein Masochismus wie bei T. E. Lawrence und kein Mitleid wie bei Remarque.«
Bruce Chatwin
Der Text dieser Ausgabe folgt Ernst Jüngers Fassung letzter Hand in den Sämtlichen Werken in 22 Bänden.
»'In Stahlgewittern' machte ihn zum Helden einer Generation junger Offiziere, die alles gegeben hatten und am Ende bestenfalls das Eiserne Kreuz davontrugen. Gide pries es als 'das schönste Kriegsbuch, das ich je las.' Tatsächlich ähnelt es keinem anderen Buch der damaligen Zeit - keine Spur von den pastoralen Meditationen eines Siegfried Sassoon oder Edmund Blunden, kein Anflug von Feigheit wie bei Hemingway, kein Masochismus wie bei T. E. Lawrence und kein Mitleid wie bei Remarque.«
Bruce Chatwin
Der Text dieser Ausgabe folgt Ernst Jüngers Fassung letzter Hand in den Sämtlichen Werken in 22 Bänden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2013Lebenslange Korrekturen
Eine editorische Großtat: Jüngers "In Stahlgewittern"
Er hätte sein Kriegstagebuch "In Stahlgewittern" eigentlich gerne "Rot und Grau" genannt, hat der Schriftsteller Ernst Jünger 1995 gesagt, in Anlehnung an Stendhals "Rot und Schwarz". Bei Stendhal sagt man immer, Rot stehe für das Militär, Schwarz für den Klerus. Rot und Grau wären beides Kriegsfarben gewesen: das Stahlgrau der Waffen, das Feldgrau der deutschen Uniformen, das der Kriegslandschaft und das Rot vielleicht ganz einfach das vergossene Blut.
Rot und Grau jedenfalls waren am Donnerstagabend die beiden Bände, die - noch als Druckfahnen - in den Redaktionsräumen der Zeitschrift "Merkur" in Berlin-Charlottenburg auf den Tischen lagen. Der Germanist Helmuth Kiesel stellte dort die von ihm edierte historisch-kritische Ausgabe der "Stahlgewitter" vor, die Ende Oktober in den Buchhandel kommen wird und am 10. September auf dem Internationalen Literaturfestival in Berlin erstmals einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Der Schauspieler Ulrich Matthes wird dort den Text lesen und hat schon Übung darin: In Volker Schlöndorffs "Das Meer am Morgen" war er im vergangenen Jahr als Ernst Jünger zu sehen.
Was Helmuth Kiesel geleistet hat, ist bewunderungswürdig und die Ausgabe für all jene, die "In Stahlgewittern" nicht einfach lesen, sondern sich genau damit beschäftigen wollen, spektakulär. Sie klärt, längst überfällig, auch ein Missverständnis, das mit der Werkausgabe, die unter Jüngers Mitwirkung 1978 bei Klett Cotta erschien, in die Welt kam. Dort nämlich stand vor dem Text der "Stahlgewitter" im ersten Band die Jahreszahl 1920. Was man auf den darauffolgenden Seiten lesen konnte, waren aber gar nicht die "Stahlgewitter" von 1920. Es war die siebte von Jünger erstellte Fassung. Ein völlig anderer Text.
Mit "ameisenhaftem Trieb, am beschriebenen und bedruckten Papier herumzuminieren", so nannte er das selbst einmal, hat Ernst Jünger sein Kriegstagebuch immer neuen Umstellungen, Einfügungen und Streichungen unterzogen. Von einer "Revisionsmanie" ist in der Forschung deshalb gesprochen und natürlich auch versucht worden, diesen "ameisenhaften Trieb" zu deuten: Die lebenslange Korrekturarbeit sei ein nach Vollendung strebender Prozess, behaupteten die einen. Sie sei eine politische Angelegenheit, meinten - insbesondere in den Lektüren der siebziger Jahre - die anderen. Jünger, der die extrem nationalistischen Passagen, die er 1924 in sein Werk einfügte, 1934 wieder löschte, weil er sich mit den Nazis nicht gemein machen wollte, habe das Buch je nach politischer Lage umgeschrieben. Wieder andere lasen seine Retuschierarbeit als ästhetische Aufrüstung mit Plötzlichkeitsmomenten, so dass sich der Text wie eine Art Schocktraining lesen lasse, wie ein Trimm-dich-Pfad, auf dem der "Neue Mensch" für die gefährlichen Landschaften der Moderne ausgebildet werden sollte.
Bisher musste, wer solche Überlegungen anstellen oder nachvollziehen wollte, sich die verschiedenen Ausgaben mühsam besorgen, Kopien anfertigen, Passagen ausschneiden und nebeneinanderlegen. Jetzt gibt es - dank Helmuth Kiesel - auf 1250 Seiten in zwei Bänden alles in einem Buch. Kiesel hat sich für einen Paralleldruck entschieden: Jeweils auf der linken Seite der Ausgabe findet der Leser den Text der Erstausgabe von 1920 und rechts den von 1978. Die dazwischenliegenden Fassungen werden zweimal präsentiert: in Form eines textgeschichtlichen Apparatbands (das ist der zweite Band der Ausgabe), der alle Veränderungen registriert. Und in Form verschiedenfarbiger Einfügungen im Text des ersten Bandes. Alles, was rot ist, stammt von 1922, dunkelrot von 1924, dunkelblau von 1934, hellblau von 1935 und grün von 1961.
Was dabei herauskommt, ist nicht nur die farbenfroheste Ernst-Jünger-Ausgabe, die es jemals gegeben hat. Es ist auch ein einmaliges editorisches Projekt, das Lesern die Möglichkeit gibt, die "Stahlgewitter" buchstäblich historisch und kritisch zu lesen und auch biographische Rückschlüsse zu ziehen. Orte der Selbstbespiegelung des Autors Jünger sind in diesem lebenslangen Umschreibungsprozess insbesondere die jeweiligen Vorworte der Ausgaben: "Es war eine seltsame Beschäftigung, im bequemen Sessel das Gekritzel dieser Hefte zu entziffern, an deren Deckeln noch der vertrocknete Schlamm der Gräben klebte, und dunkle Flecken, von denen ich nicht mehr wusste, war es Blut oder Wein", liest man etwa im Vorwort der fünften Auflage.
Immer wieder hat Jünger bei seinen Bearbeitungen die Notizhefte aus den Gräben zur Hand genommen, die seinem Buch zugrunde liegen und im Literaturarchiv in Marbach aufbewahrt werden. Da sind sie dann auch wieder, die Farben Grau und Rot, der vertrocknete Schlamm, Blut oder Wein. Es sind die Farben seines nie endenden Krieges.
JULIA ENCKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine editorische Großtat: Jüngers "In Stahlgewittern"
Er hätte sein Kriegstagebuch "In Stahlgewittern" eigentlich gerne "Rot und Grau" genannt, hat der Schriftsteller Ernst Jünger 1995 gesagt, in Anlehnung an Stendhals "Rot und Schwarz". Bei Stendhal sagt man immer, Rot stehe für das Militär, Schwarz für den Klerus. Rot und Grau wären beides Kriegsfarben gewesen: das Stahlgrau der Waffen, das Feldgrau der deutschen Uniformen, das der Kriegslandschaft und das Rot vielleicht ganz einfach das vergossene Blut.
Rot und Grau jedenfalls waren am Donnerstagabend die beiden Bände, die - noch als Druckfahnen - in den Redaktionsräumen der Zeitschrift "Merkur" in Berlin-Charlottenburg auf den Tischen lagen. Der Germanist Helmuth Kiesel stellte dort die von ihm edierte historisch-kritische Ausgabe der "Stahlgewitter" vor, die Ende Oktober in den Buchhandel kommen wird und am 10. September auf dem Internationalen Literaturfestival in Berlin erstmals einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Der Schauspieler Ulrich Matthes wird dort den Text lesen und hat schon Übung darin: In Volker Schlöndorffs "Das Meer am Morgen" war er im vergangenen Jahr als Ernst Jünger zu sehen.
Was Helmuth Kiesel geleistet hat, ist bewunderungswürdig und die Ausgabe für all jene, die "In Stahlgewittern" nicht einfach lesen, sondern sich genau damit beschäftigen wollen, spektakulär. Sie klärt, längst überfällig, auch ein Missverständnis, das mit der Werkausgabe, die unter Jüngers Mitwirkung 1978 bei Klett Cotta erschien, in die Welt kam. Dort nämlich stand vor dem Text der "Stahlgewitter" im ersten Band die Jahreszahl 1920. Was man auf den darauffolgenden Seiten lesen konnte, waren aber gar nicht die "Stahlgewitter" von 1920. Es war die siebte von Jünger erstellte Fassung. Ein völlig anderer Text.
Mit "ameisenhaftem Trieb, am beschriebenen und bedruckten Papier herumzuminieren", so nannte er das selbst einmal, hat Ernst Jünger sein Kriegstagebuch immer neuen Umstellungen, Einfügungen und Streichungen unterzogen. Von einer "Revisionsmanie" ist in der Forschung deshalb gesprochen und natürlich auch versucht worden, diesen "ameisenhaften Trieb" zu deuten: Die lebenslange Korrekturarbeit sei ein nach Vollendung strebender Prozess, behaupteten die einen. Sie sei eine politische Angelegenheit, meinten - insbesondere in den Lektüren der siebziger Jahre - die anderen. Jünger, der die extrem nationalistischen Passagen, die er 1924 in sein Werk einfügte, 1934 wieder löschte, weil er sich mit den Nazis nicht gemein machen wollte, habe das Buch je nach politischer Lage umgeschrieben. Wieder andere lasen seine Retuschierarbeit als ästhetische Aufrüstung mit Plötzlichkeitsmomenten, so dass sich der Text wie eine Art Schocktraining lesen lasse, wie ein Trimm-dich-Pfad, auf dem der "Neue Mensch" für die gefährlichen Landschaften der Moderne ausgebildet werden sollte.
Bisher musste, wer solche Überlegungen anstellen oder nachvollziehen wollte, sich die verschiedenen Ausgaben mühsam besorgen, Kopien anfertigen, Passagen ausschneiden und nebeneinanderlegen. Jetzt gibt es - dank Helmuth Kiesel - auf 1250 Seiten in zwei Bänden alles in einem Buch. Kiesel hat sich für einen Paralleldruck entschieden: Jeweils auf der linken Seite der Ausgabe findet der Leser den Text der Erstausgabe von 1920 und rechts den von 1978. Die dazwischenliegenden Fassungen werden zweimal präsentiert: in Form eines textgeschichtlichen Apparatbands (das ist der zweite Band der Ausgabe), der alle Veränderungen registriert. Und in Form verschiedenfarbiger Einfügungen im Text des ersten Bandes. Alles, was rot ist, stammt von 1922, dunkelrot von 1924, dunkelblau von 1934, hellblau von 1935 und grün von 1961.
Was dabei herauskommt, ist nicht nur die farbenfroheste Ernst-Jünger-Ausgabe, die es jemals gegeben hat. Es ist auch ein einmaliges editorisches Projekt, das Lesern die Möglichkeit gibt, die "Stahlgewitter" buchstäblich historisch und kritisch zu lesen und auch biographische Rückschlüsse zu ziehen. Orte der Selbstbespiegelung des Autors Jünger sind in diesem lebenslangen Umschreibungsprozess insbesondere die jeweiligen Vorworte der Ausgaben: "Es war eine seltsame Beschäftigung, im bequemen Sessel das Gekritzel dieser Hefte zu entziffern, an deren Deckeln noch der vertrocknete Schlamm der Gräben klebte, und dunkle Flecken, von denen ich nicht mehr wusste, war es Blut oder Wein", liest man etwa im Vorwort der fünften Auflage.
Immer wieder hat Jünger bei seinen Bearbeitungen die Notizhefte aus den Gräben zur Hand genommen, die seinem Buch zugrunde liegen und im Literaturarchiv in Marbach aufbewahrt werden. Da sind sie dann auch wieder, die Farben Grau und Rot, der vertrocknete Schlamm, Blut oder Wein. Es sind die Farben seines nie endenden Krieges.
JULIA ENCKE
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Stephan Speicher hält die "Stahlgewitter" für ein wichtiges Buch. Noch wichtiger, lesbar auch für Nichtspezialisten, findet er die von Helmuth Kiesel herausgebrachte historisch-kritische Ausgabe. Für Speicher ein Musterbeispiel an Lesbarkeit und Erkenntnisreichtum. Zum einen, da es farbige Absetzungen ermöglichen, wirklich jede Änderung, jede Variante des Textes, die der Autor verfasst hat, nachzuvollziehen. Zum anderen, da Speicher offenbar kein anderes Buch kennt, das den Gang der Humanisierung eines Autors so vor Augen führt, vom, nun ja, kriegsinteressierten Landsknecht zum beinahe melancholischen Skeptiker der eigenen Erinnerung. Besonders der auf jeder Doppelseite mögliche Vergleich zwischen Erstausgabe und Ausgabe letzter Hand hat es Speicher angetan.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Kiesels Edition stellt sowohl in der philologischen Aufbereitung als auch in der souveränen Kommentierung eine herausragende Leistung dar.« Jan Robert Weber, Edition in der Kritik, Februar 2015 »Die Edition erfüllt alle Ansprüche. Sie gestattet es dem Leser erstmals, die zuweilen erheblich voneinander abweichenden sieben Fassungen des Textes zu vergleichen und die Bemühungen des Autors um sprachliche Präzisierung zu verfolgen.« Urs Bitterli, NZZ am Sonntag, 25.5.2014