The central question for both the victors and the vanquished of World War II was just how widely the stain of guilt would spread over Germany. Political leaders and intellectuals on both sides of the conflict debated whether support for National Socialism tainted Germany's entire population and thus discredited the nation's history and culture. The tremendous challenge that Allied officials and German thinkers faced as the war closed, then, was how to limn a postwar German identity that accounted for National Socialism without irrevocably damning the idea and character of Germany as a whole. In the House of the Hangman chronicles this delicate process, exploring key debates about the Nazi past and German future during the latter years of World War II and in its aftermath. What did British and American leaders think had given rise to National Socialism, and how did these beliefs shape their intentions for occupation? What rhetorical and symbolic tools did Germans develop for handling the insidious legacies of Nazism? Considering these and other questions, Jeffrey K. Olick explores the processes of accommodation and rejection that Allied plans for a new German state inspired among the German intelligentsia. He also examines heated struggles over the value of Germany's institutional and political heritage. Along the way, he demonstrates how the moral and political vocabulary for coming to terms with National Socialism in Germany has been of enduring significance--as a crucible not only of German identity but also of contemporary thinking about memory and social justice more generally. Given the current war in Iraq, the issues contested during Germany's abjection and reinvention--how to treat a defeated enemy, how to place episodes within wider historical trajectories, how to distinguish varieties of victimhood--are as urgent today as they were sixty years ago, and In the House of the Hangman offers readers an invaluable historical perspective on these critical questions.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2006Denker und Henker
Die amerikanischen Besatzer und der Transformationsprozeß in Deutschland bis zur Gründung der Bundesrepublik
Welches Bild besaßen die Amerikaner von den Deutschen ? Welches Bild hatten die Besatzer in Deutschland von sich selbst? Das sind Ausgangsfragen für das Buch des amerikanischen Soziologen Jeffrey K. Olick, das mit seiner Beschränkung auf den Zeitraum von 1943 bis 1949 wissenschaftliches Neuland auf dem Feld der "Vergangenheitspolitik" betritt und eine Zusammenschau bietet. Aus ihrem Bild der Deutschen entwickelten die Amerikaner Konzepte für deren - durchaus im medizinischen Sinne des Wortes zu verstehende - Behandlung, die vom Morgenthau-Plan über Entnazifizierung und Nürnberger Prozesse bis zur Reeducation reichten. Olick schildert die Entstehung der Programme, ihre partielle Instrumentalisierung und klärt mannigfache Mißverständnisse im Zusammenhang mit ihnen auf. Unter anderem bemüht er sich um eine Entmythologisierung des Morgenthau-Plans, relativiert dessen Radikalität und weist nach, daß viel extremere Vorschläge - beispielsweise forderte der Journalist Theodor Kaufmann 1941 in der Schrift "Germany Must Perish!", alle erwachsenen Deutschen zu sterilisieren - immer wieder Morgenthau zugerechnet wurden.
Beeindruckend ist bis heute der unverbesserliche Optimismus der Amerikaner, die Transformation eines ganzen Volkes in eine demokratische Gesellschaft in Angriff zu nehmen. Für dieses Projekt, das unter dem Namen Reeducation firmiert, zeichneten vor allem der Psychiater Richard M. Brickner und der Soziologe Talcott Parsons verantwortlich. Als Voraussetzung für einen Erfolg des Projekts hielt Brickner eine starke Motivation der Deutschen für Veränderungen für unerläßlich, die allein aus einem echten Schuldgefühl hervorgehen konnte. Dies leitet über zum zweiten Teil des Buches. Denn ebenso entscheidend für den beeindruckenden Transformationsprozeß Deutschlands wie die Instrumente der Besatzer war das Selbstbild der Deutschen. Olick bietet in diesem Abschnitt eine prägnant und gut geschriebene Geschichte der von zahlreichen scharfen öffentlichen Debatten geprägten Erinnerungskultur jener Jahre, an der sich namhafte Schriftsteller, Historiker, Philosophen, Theologen, Kirchenfürsten und Politiker beteiligten. Dabei versteht er, in knapper Form Inhalte - gewürzt mit sprechenden Zitaten - zu referieren und zu analysieren, etwa aus der bekannten Kontroverse zwischen Thomas Mann, Walter von Molo und Frank Thiess, Mitarbeiter des "Berliner Tageblattes" bis 1919, der als Schöpfer der Formel von der "Inneren Emigration" gilt, mit der die in Deutschland Gebliebenen gegenüber Vorwürfen aus Exilkreisen operierten.
Eine andere Gruppe sind die Historiker Gerhard Ritter, Hans Rothfels und Friedrich Meinecke. An Meineckes unkritischem Vergleich zwischen "Drittem Reich" und Besatzungsherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet Olick ebenso wie am Schlagwort von der "Stunde Null" heraus, mit welch subtilen Mechanismen die Deutschen in diesen Kontroversen vielfach versuchten, ihre Schuld kleinzureden oder zu verdrängen. Dieses problematische Verhaltensmuster im Nachkriegsdeutschland hatte Theodor W. Adorno mit dem ironisch gemeinten Zitat entlarvt, das Olick für seinen Buchtitel verwandt hat: Im Haus des Henkers sollte man besser nicht vom Strick reden. Meinecke und anderen ging es allerdings nicht nur um eine Verteidigungslinie; sie boten durch die Besinnung auf die Kulturnation (Goethe, klassische Musik) auch ein Heilmittel und damit für die Zukunft gleichzeitig einen positiven Identifikationspunkt aus der Epoche jenseits des Nationalsozialismus an.
Ein weitverbreitetes Argumentationsmuster in den Debatten dieser Zeit, das Olick sichtlich befremdet, stellt die Analogie dar, die zum Beispiel der Volkswirt Wilhelm Röpke zwischen dem Verhalten der Nationalsozialisten gegenüber den Juden und der Ausgrenzung der Deutschen nach dem Krieg durch die Besatzungsmächte herstellt. Historisch nachvollziehbar wird dieser heute monströs erscheinende Vergleich durch den Hinweis des Verfassers, Gradmesser für das Maß deutscher Schuld seien in jenen ersten Nachkriegsjahren die deutschen Kriegsverbrechen gewesen, nicht der Holocaust.
Im Zusammenhang mit dem Kollektivschuldvorwurf stehen sich der Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung, der auch als Erfinder des Begriffs gilt, und der von 1933 bis 1945 in Deutschland ausharrende Erich Kästner besonders unversöhnlich gegenüber. Olick arbeitet heraus, daß der Schriftsteller kollektive Schuld vor allem deshalb so vehement von sich wies, weil er sie als individuellen Vorwurf verstand. Jung liegt im übrigen ganz auf einer Linie mit Brickner: Das Eingeständnis von Schuld war auch für ihn der Schlüssel für die künftige politische Kultur Deutschlands. Um den Kollektivschuldvorwurf zurückzuweisen, bemühte auch der liberale Politiker Theodor Heuss den Analogieschluß zu Juden und nationalsozialistischer Ideologie: Die Schuld allein an die Zugehörigkeit zu einem Volk zu knüpfen sei eine krude Vereinfachung. Heuss bot als Alternative den Begriff der "Kollektivscham" an.
Die Positionen der beiden christlichen Kirchen, insbesondere ihre aus Kommunismusfurcht gespeiste Ablehnung von Entnazifizierung und Reeducation, und der politischen Parteien, an ihrer Spitze Kurt Schumacher und Konrad Adenauer, handelt Olick relativ knapp ab. In diesem Abschnitt merkt man vielleicht am deutlichsten, daß er kein Historiker ist und neueste deutsche Quellen und Literatur zum Teil nicht kennt. Für seine Fragestellung ist das jedoch nicht ausschlaggebend. Aus dem Kreis der Philosophen gilt Olicks größtes Interesse und wohl auch seine Sympathie Karl Jaspers, dessen Buch "Die Schuldfrage" er als Schlüsseltext betrachtet. Auch Jaspers bot im übrigen die Formel von der Kulturnation an, um die deutsche Gesellschaft zu transformieren.
Angesichts der Situation im Irak und dem Vorgehen der amerikanischen Besatzungsmacht an Euphrat und Tigris ist es naheliegend zu fragen, wie es trotz vordergründig massiver deutscher Ablehnung von Entnazifizierung und Reeducation doch gelang, in Westdeutschland nach zwölf Jahren Nationalsozialismus rasch eine funktionierende und stabile Demokratie zu etablieren. Obwohl sich der Verfasser in seiner Bewertung nicht eindeutig festlegt, kann man aus dem Dargelegten schließen, daß die öffentlichen Debatten, die Olick in einen Kontext stellt, eine zentrale Funktion besaßen und erhebliche Wirkung entfalteten. Sie lösten wohl vielfach einen individuellen psychologischen Prozeß und eine intensive und aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld aus, an deren Ende häufig auch ein stilles Eingeständnis stand. Auf diese Weise waren zahlreiche Deutsche im Sinne Brickners und Jungs doch bereit für erhebliche Veränderungen, obwohl dies aus öffentlichen Äußerungen so nicht ablesbar war. Hinzu trat, daß sie zusätzlich an positive Identifikationselemente aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus anknüpfen konnten. Nicht zu vergessen ist ferner, daß die Amerikaner seit 1948/1949 mit einer ganzen Palette von Angeboten wie Amerikahäusern und Kulturaustauschprogramm nach dem Scheitern der Reeducation ganz auf das Mittel der "positiven Verstärkung" setzten und damit die Entstehung einer demokratischen Gesellschaft in Westdeutschland massiv förderten.
KARL-ULRICH GELBERG
Jeffrey K. Olick: In the House of the Hangman. The Agonies of German Defeat, 1943-1949. The University of Chicago Press, Chicago 2005. 380 S., 23,- $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die amerikanischen Besatzer und der Transformationsprozeß in Deutschland bis zur Gründung der Bundesrepublik
Welches Bild besaßen die Amerikaner von den Deutschen ? Welches Bild hatten die Besatzer in Deutschland von sich selbst? Das sind Ausgangsfragen für das Buch des amerikanischen Soziologen Jeffrey K. Olick, das mit seiner Beschränkung auf den Zeitraum von 1943 bis 1949 wissenschaftliches Neuland auf dem Feld der "Vergangenheitspolitik" betritt und eine Zusammenschau bietet. Aus ihrem Bild der Deutschen entwickelten die Amerikaner Konzepte für deren - durchaus im medizinischen Sinne des Wortes zu verstehende - Behandlung, die vom Morgenthau-Plan über Entnazifizierung und Nürnberger Prozesse bis zur Reeducation reichten. Olick schildert die Entstehung der Programme, ihre partielle Instrumentalisierung und klärt mannigfache Mißverständnisse im Zusammenhang mit ihnen auf. Unter anderem bemüht er sich um eine Entmythologisierung des Morgenthau-Plans, relativiert dessen Radikalität und weist nach, daß viel extremere Vorschläge - beispielsweise forderte der Journalist Theodor Kaufmann 1941 in der Schrift "Germany Must Perish!", alle erwachsenen Deutschen zu sterilisieren - immer wieder Morgenthau zugerechnet wurden.
Beeindruckend ist bis heute der unverbesserliche Optimismus der Amerikaner, die Transformation eines ganzen Volkes in eine demokratische Gesellschaft in Angriff zu nehmen. Für dieses Projekt, das unter dem Namen Reeducation firmiert, zeichneten vor allem der Psychiater Richard M. Brickner und der Soziologe Talcott Parsons verantwortlich. Als Voraussetzung für einen Erfolg des Projekts hielt Brickner eine starke Motivation der Deutschen für Veränderungen für unerläßlich, die allein aus einem echten Schuldgefühl hervorgehen konnte. Dies leitet über zum zweiten Teil des Buches. Denn ebenso entscheidend für den beeindruckenden Transformationsprozeß Deutschlands wie die Instrumente der Besatzer war das Selbstbild der Deutschen. Olick bietet in diesem Abschnitt eine prägnant und gut geschriebene Geschichte der von zahlreichen scharfen öffentlichen Debatten geprägten Erinnerungskultur jener Jahre, an der sich namhafte Schriftsteller, Historiker, Philosophen, Theologen, Kirchenfürsten und Politiker beteiligten. Dabei versteht er, in knapper Form Inhalte - gewürzt mit sprechenden Zitaten - zu referieren und zu analysieren, etwa aus der bekannten Kontroverse zwischen Thomas Mann, Walter von Molo und Frank Thiess, Mitarbeiter des "Berliner Tageblattes" bis 1919, der als Schöpfer der Formel von der "Inneren Emigration" gilt, mit der die in Deutschland Gebliebenen gegenüber Vorwürfen aus Exilkreisen operierten.
Eine andere Gruppe sind die Historiker Gerhard Ritter, Hans Rothfels und Friedrich Meinecke. An Meineckes unkritischem Vergleich zwischen "Drittem Reich" und Besatzungsherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet Olick ebenso wie am Schlagwort von der "Stunde Null" heraus, mit welch subtilen Mechanismen die Deutschen in diesen Kontroversen vielfach versuchten, ihre Schuld kleinzureden oder zu verdrängen. Dieses problematische Verhaltensmuster im Nachkriegsdeutschland hatte Theodor W. Adorno mit dem ironisch gemeinten Zitat entlarvt, das Olick für seinen Buchtitel verwandt hat: Im Haus des Henkers sollte man besser nicht vom Strick reden. Meinecke und anderen ging es allerdings nicht nur um eine Verteidigungslinie; sie boten durch die Besinnung auf die Kulturnation (Goethe, klassische Musik) auch ein Heilmittel und damit für die Zukunft gleichzeitig einen positiven Identifikationspunkt aus der Epoche jenseits des Nationalsozialismus an.
Ein weitverbreitetes Argumentationsmuster in den Debatten dieser Zeit, das Olick sichtlich befremdet, stellt die Analogie dar, die zum Beispiel der Volkswirt Wilhelm Röpke zwischen dem Verhalten der Nationalsozialisten gegenüber den Juden und der Ausgrenzung der Deutschen nach dem Krieg durch die Besatzungsmächte herstellt. Historisch nachvollziehbar wird dieser heute monströs erscheinende Vergleich durch den Hinweis des Verfassers, Gradmesser für das Maß deutscher Schuld seien in jenen ersten Nachkriegsjahren die deutschen Kriegsverbrechen gewesen, nicht der Holocaust.
Im Zusammenhang mit dem Kollektivschuldvorwurf stehen sich der Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung, der auch als Erfinder des Begriffs gilt, und der von 1933 bis 1945 in Deutschland ausharrende Erich Kästner besonders unversöhnlich gegenüber. Olick arbeitet heraus, daß der Schriftsteller kollektive Schuld vor allem deshalb so vehement von sich wies, weil er sie als individuellen Vorwurf verstand. Jung liegt im übrigen ganz auf einer Linie mit Brickner: Das Eingeständnis von Schuld war auch für ihn der Schlüssel für die künftige politische Kultur Deutschlands. Um den Kollektivschuldvorwurf zurückzuweisen, bemühte auch der liberale Politiker Theodor Heuss den Analogieschluß zu Juden und nationalsozialistischer Ideologie: Die Schuld allein an die Zugehörigkeit zu einem Volk zu knüpfen sei eine krude Vereinfachung. Heuss bot als Alternative den Begriff der "Kollektivscham" an.
Die Positionen der beiden christlichen Kirchen, insbesondere ihre aus Kommunismusfurcht gespeiste Ablehnung von Entnazifizierung und Reeducation, und der politischen Parteien, an ihrer Spitze Kurt Schumacher und Konrad Adenauer, handelt Olick relativ knapp ab. In diesem Abschnitt merkt man vielleicht am deutlichsten, daß er kein Historiker ist und neueste deutsche Quellen und Literatur zum Teil nicht kennt. Für seine Fragestellung ist das jedoch nicht ausschlaggebend. Aus dem Kreis der Philosophen gilt Olicks größtes Interesse und wohl auch seine Sympathie Karl Jaspers, dessen Buch "Die Schuldfrage" er als Schlüsseltext betrachtet. Auch Jaspers bot im übrigen die Formel von der Kulturnation an, um die deutsche Gesellschaft zu transformieren.
Angesichts der Situation im Irak und dem Vorgehen der amerikanischen Besatzungsmacht an Euphrat und Tigris ist es naheliegend zu fragen, wie es trotz vordergründig massiver deutscher Ablehnung von Entnazifizierung und Reeducation doch gelang, in Westdeutschland nach zwölf Jahren Nationalsozialismus rasch eine funktionierende und stabile Demokratie zu etablieren. Obwohl sich der Verfasser in seiner Bewertung nicht eindeutig festlegt, kann man aus dem Dargelegten schließen, daß die öffentlichen Debatten, die Olick in einen Kontext stellt, eine zentrale Funktion besaßen und erhebliche Wirkung entfalteten. Sie lösten wohl vielfach einen individuellen psychologischen Prozeß und eine intensive und aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld aus, an deren Ende häufig auch ein stilles Eingeständnis stand. Auf diese Weise waren zahlreiche Deutsche im Sinne Brickners und Jungs doch bereit für erhebliche Veränderungen, obwohl dies aus öffentlichen Äußerungen so nicht ablesbar war. Hinzu trat, daß sie zusätzlich an positive Identifikationselemente aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus anknüpfen konnten. Nicht zu vergessen ist ferner, daß die Amerikaner seit 1948/1949 mit einer ganzen Palette von Angeboten wie Amerikahäusern und Kulturaustauschprogramm nach dem Scheitern der Reeducation ganz auf das Mittel der "positiven Verstärkung" setzten und damit die Entstehung einer demokratischen Gesellschaft in Westdeutschland massiv förderten.
KARL-ULRICH GELBERG
Jeffrey K. Olick: In the House of the Hangman. The Agonies of German Defeat, 1943-1949. The University of Chicago Press, Chicago 2005. 380 S., 23,- $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main