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Der Buchpreisträger Eugen Ruge führte mit seinem Familienepos "In Zeiten des abnehmenden Lichts" im vergangenen Jahr die Bestsellerlisten an. Nur wenige wissen, dass der Roman über eine Familie in der DDR in einem frühen Theaterstück Ruges wurzelt. Das Deutsche Theater Berlin erkannte in Ruges Erzählstil, wie sehr die Charaktere von seinen Figurenmonologen geprägt sind. So setzte sich Eugen Ruge noch einmal mit der Familiegeschichte auseinander, um den Roman als Theaterstück für die große Bühne zu bearbeiten - die entstandene Dramatisierung eröffnet einen neuen Fokus auf die Geschichte und…mehr

Produktbeschreibung
Der Buchpreisträger Eugen Ruge führte mit seinem Familienepos "In Zeiten des abnehmenden Lichts" im vergangenen Jahr die Bestsellerlisten an. Nur wenige wissen, dass der Roman über eine Familie in der DDR in einem frühen Theaterstück Ruges wurzelt. Das Deutsche Theater Berlin erkannte in Ruges Erzählstil, wie sehr die Charaktere von seinen Figurenmonologen geprägt sind. So setzte sich Eugen Ruge noch einmal mit der Familiegeschichte auseinander, um den Roman als Theaterstück für die große Bühne zu bearbeiten - die entstandene Dramatisierung eröffnet einen neuen Fokus auf die Geschichte und richtet den Blick stärker auf die Konflikte innerhalb der Familie. Die Familie Umnitzer, durch den Zweiten Weltkrieg in alle Winde verstreut, trifft sich zu Beginn der 50er Jahre in der neugegründeten DDR wieder. Über vier Generationen hinweg suchen die einzelnen Familienmitglieder in der DDR und nach der Wende ihren eigenen Weg im Leben. Die Uraufführung von "In Zeiten des abnehmenden Lichts" am Deutschen Theater Berlin findet statt am 28.02.2013. Regie führt Stephan Kimmig.
Autorenporträt
Eugen Ruge wurde in Sosswa (Ural) geboren. Zunächst studierte er Mathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Physik der Erde. Später begann er als freier Mitarbeiter bei der DEFA zu arbeiten sowie im Theater im Palast, Berlin. Seit 1989 ist er Autor für Theater, Hörfunk, Film. Eugen Ruge wurde u.a. mit dem Schiller-Förderpreis des Landes Baden-Württemberg und mit dem renommierten Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet. Für seinen Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts" erhielt er den Aspekte-Literaturpreis sowie den Buchpreis des Deutschen Buchhandels.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2017

Abschiede von gestern
Roman einer Epoche: Eugen Ruges "In Zeiten des abnehmenden Lichts".

Von Gregor Gysi

Jetzt ist der Film "In Zeiten des abnehmenden Lichts" in die Kinos gekommen. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber ich ergreife die Gelegenheit, an die literarische Vorlage zu erinnern, an das "Buch zum Film", wie es etwas geistlos heißt, den gleichnamigen Roman von Eugen Ruge.

Es kommt nicht oft vor, dass mich ein Buch so fesselt. Das hatte im Fall von Ruges Roman verschiedene Gründe. Zum einen ist da die erzählte Geschichte selbst, ein Familienroman. Sofort ist der Vergleich nicht zu Thomas Mann, aber zu Thomas Manns "Buddenbrooks" bei der Hand; dort wie hier repräsentieren die Protagonisten Stationen in der Entwicklung einer historischen Epoche. Zeichnete Thomas Mann Aufstieg und Zerfall der bürgerlichen Epoche, so macht Eugen Ruge den Staatssozialismus zum Gegenstand der Reflexion. Die über die Generationen hinweg verteilten Protagonisten mussten ihre eigenen Erfahrungen mit dem Staatssozialismus machen und diese reflektieren. Es bilden sich so auch Sichtweisen aus, die von einer romantischen Affirmation des Stalinterrors über die geschichtsphilosophische Bewahrung der Utopie bis zum illusionslosen Abschied vom Staatssozialismus reichen.

Die eigenartige Erfahrung beim Lesen war: Man kann alle irgendwie verstehen. Den Altkommunisten (Wilhelm Powileit), der aus der sicheren Emigration in Mexiko dem Krieg und dem Widerstand nur zusehen konnte und zu gern ein wenig heroisch gewesen wäre; dieses Defizit lebt er in einer Romantisierung des Stalinismus aus, er misstraut Chruschtschow und erst recht Gorbatschow, den "Tschows", wie er sagt. Man kann erst recht seinen Stiefsohn (Kurt Umnitzer) verstehen, dessen Exil in der Sowjetunion zu einer Lagerhaft wurde, der sich jedoch eine zwar gebrochene, aber immer noch sozialistische Hoffnung bewahrte, die sich allerdings zunehmend in eine Geschichtsphilosophie verflüchtigt: Dauerte es vom Terror der Jakobiner bis zu den modernen Demokratien nicht auch seine Zeit?

Schließlich dessen Sohn (Alexander beziehungsweise Sascha), der in einer poststalinistischen Sowjetunion und DDR aufwuchs, der aber kaum Attraktives, dafür viel Beengendes vorfand, einer Struktur, die sich kaum noch entwickelte, eher stagnierte. Für ihn war "Sozialismus" etwas, das ihn nicht mehr zu begeistern vermochte. Illusionslos, was keineswegs von Nachteil sein muss, verabschiedete er sich vom Sozialismus - und von der DDR. Zugleich scheinen ihn die Lebensorte seiner Familie, wie beispielsweise Mexiko, zu interessieren, die er besucht. Von da aus, von der räumlichen und zeitlichen Distanz aus, reflektiert er: über sich, über sein Leben, seine Familie. Aber auch er hat noch einen Sohn (Markus). Dessen Verhältnis zu den Dingen, die das zwanzigste Jahrhundert so bewegt haben, ist durch Desinteresse gekennzeichnet. Seine Welt ist die neue Ordnung, die Gesellschaft des Westens, samt ihres Lebensstils und ihrer Defizite. Was so erzählt wird, ist das Verblassen der Utopie, es ist abnehmendes Licht.

Interessant ist auch die Erzählstruktur. Was vermieden wird, ist eine naive, chronologische Erzählweise. Aber die Struktur ist nicht ohne Zeitlichkeit. Bestimmte Ereignisse kehren aus unterschiedlicher Perspektive wieder. Der Zeitpunkt wird so zum Ankerpunkt unterschiedlicher Perspektiven, deren Subjekte, die jeweiligen Romanfiguren also, die Ereignisse in ihrer je eigenen Weise reflektieren. Eine interessante Frage ist, wer erzählt. Im realistischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts gibt es einen Erzählertyp, der scheinbar mit dem Autor identisch ist, der Bescheid weiß, besser jedenfalls als seine Romanfiguren; diesen Erzählertyp gibt es hier nicht.

In Ruges Roman wirkt der Erzähler bis in die Sprache hinein an die Romanfiguren angeschmiegt; stets hat man den Eindruck, mehrere Erzähler erzählten, und diese seien die Romanfiguren selbst. Nur sind sie es nicht. Es ist diese Dezentrierung des erzählenden Subjekts, die das Lesen für mich reizvoll machte.

Vor allem: Es gibt in diesem Buch keine Romantik, kein Hinterhertrauern. Aber es gibt doch eine nach vorn hin offene Geschichte.

Gregor Gysi ist Bundestagsabgeordneter der Fraktion "Die Linke" und war bis Oktober 2015 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2016 ist er Präsident der Europäischen Linken. Im Herbst erscheint seine Autobiographie "Ein Leben ist zu wenig" im Aufbau-Verlag.

Eugen Ruge: "In Zeiten des abnehmenden Lichts. Roman einer Familie". Rowohlt Taschenbuch, 432 Seiten, 9,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Abschiede von gestern
Roman einer Epoche: Eugen Ruges "In Zeiten des abnehmenden Lichts".

Von Gregor Gysi

Jetzt ist der Film "In Zeiten des abnehmenden Lichts" in die Kinos gekommen. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber ich ergreife die Gelegenheit, an die literarische Vorlage zu erinnern, an das "Buch zum Film", wie es etwas geistlos heißt, den gleichnamigen Roman von Eugen Ruge.

Es kommt nicht oft vor, dass mich ein Buch so fesselt. Das hatte im Fall von Ruges Roman verschiedene Gründe. Zum einen ist da die erzählte Geschichte selbst, ein Familienroman. Sofort ist der Vergleich nicht zu Thomas Mann, aber zu Thomas Manns "Buddenbrooks" bei der Hand; dort wie hier repräsentieren die Protagonisten Stationen in der Entwicklung einer historischen Epoche. Zeichnete Thomas Mann Aufstieg und Zerfall der bürgerlichen Epoche, so macht Eugen Ruge den Staatssozialismus zum Gegenstand der Reflexion. Die über die Generationen hinweg verteilten Protagonisten mussten ihre eigenen Erfahrungen mit dem Staatssozialismus machen und diese reflektieren. Es bilden sich so auch Sichtweisen aus, die von einer romantischen Affirmation des Stalinterrors über die geschichtsphilosophische Bewahrung der Utopie bis zum illusionslosen Abschied vom Staatssozialismus reichen.

Die eigenartige Erfahrung beim Lesen war: Man kann alle irgendwie verstehen. Den Altkommunisten (Wilhelm Powileit), der aus der sicheren Emigration in Mexiko dem Krieg und dem Widerstand nur zusehen konnte und zu gern ein wenig heroisch gewesen wäre; dieses Defizit lebt er in einer Romantisierung des Stalinismus aus, er misstraut Chruschtschow und erst recht Gorbatschow, den "Tschows", wie er sagt. Man kann erst recht seinen Stiefsohn (Kurt Umnitzer) verstehen, dessen Exil in der Sowjetunion zu einer Lagerhaft wurde, der sich jedoch eine zwar gebrochene, aber immer noch sozialistische Hoffnung bewahrte, die sich allerdings zunehmend in eine Geschichtsphilosophie verflüchtigt: Dauerte es vom Terror der Jakobiner bis zu den modernen Demokratien nicht auch seine Zeit?

Schließlich dessen Sohn (Alexander beziehungsweise Sascha), der in einer poststalinistischen Sowjetunion und DDR aufwuchs, der aber kaum Attraktives, dafür viel Beengendes vorfand, einer Struktur, die sich kaum noch entwickelte, eher stagnierte. Für ihn war "Sozialismus" etwas, das ihn nicht mehr zu begeistern vermochte. Illusionslos, was keineswegs von Nachteil sein muss, verabschiedete er sich vom Sozialismus - und von der DDR. Zugleich scheinen ihn die Lebensorte seiner Familie, wie beispielsweise Mexiko, zu interessieren, die er besucht. Von da aus, von der räumlichen und zeitlichen Distanz aus, reflektiert er: über sich, über sein Leben, seine Familie. Aber auch er hat noch einen Sohn (Markus). Dessen Verhältnis zu den Dingen, die das zwanzigste Jahrhundert so bewegt haben, ist durch Desinteresse gekennzeichnet. Seine Welt ist die neue Ordnung, die Gesellschaft des Westens, samt ihres Lebensstils und ihrer Defizite. Was so erzählt wird, ist das Verblassen der Utopie, es ist abnehmendes Licht.

Interessant ist auch die Erzählstruktur. Was vermieden wird, ist eine naive, chronologische Erzählweise. Aber die Struktur ist nicht ohne Zeitlichkeit. Bestimmte Ereignisse kehren aus unterschiedlicher Perspektive wieder. Der Zeitpunkt wird so zum Ankerpunkt unterschiedlicher Perspektiven, deren Subjekte, die jeweiligen Romanfiguren also, die Ereignisse in ihrer je eigenen Weise reflektieren. Eine interessante Frage ist, wer erzählt. Im realistischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts gibt es einen Erzählertyp, der scheinbar mit dem Autor identisch ist, der Bescheid weiß, besser jedenfalls als seine Romanfiguren; diesen Erzählertyp gibt es hier nicht.

In Ruges Roman wirkt der Erzähler bis in die Sprache hinein an die Romanfiguren angeschmiegt; stets hat man den Eindruck, mehrere Erzähler erzählten, und diese seien die Romanfiguren selbst. Nur sind sie es nicht. Es ist diese Dezentrierung des erzählenden Subjekts, die das Lesen für mich reizvoll machte.

Vor allem: Es gibt in diesem Buch keine Romantik, kein Hinterhertrauern. Aber es gibt doch eine nach vorn hin offene Geschichte.

Gregor Gysi ist Bundestagsabgeordneter der Fraktion "Die Linke" und war bis Oktober 2015 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2016 ist er Präsident der Europäischen Linken. Im Herbst erscheint seine Autobiographie "Ein Leben ist zu wenig" im Aufbau-Verlag.

Eugen Ruge: "In Zeiten des abnehmenden Lichts. Roman einer Familie". Rowohlt Taschenbuch, 432 Seiten, 9,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Die Bögen wie von Thomas Mann, aber sehr viel komischer. The Sunday Telegraph