»Index, eine Geschichte des« ist eines der seltenen Beispiele fröhlicher, lebenszugewandter Wissenschaft, ein Buch der Bücher, voller Entdeckungen, die man in einem Register zuletzt vermutet hätte.Die meisten von uns machen sich kaum Gedanken über den Anhang eines Buchs. Aber hier versteckt sich vor unseren Augen ein unerschöpfliches Reich von Ehrgeiz, von Obsession, Streit, Politik, Vergnügen und Spiel. Hier können wir »Metzger, die wir meiden sollten« finden, oder »Kühe, die Feuer scheißen« und sogar »Calvin, mit einer Nonne in seiner Kammer« erwischen. Das Register ist ein unbesungenes, außergewöhnliches Alltagswerkzeug, eine geheime Welt mit einer ruhmreichen, kaum bekannten Vergangenheit.Dennis Duncan erkundet das Register in den Klöstern und Universitäten vom Europa des 13. Jahrhunderts bis in die Gegenwart des Silicon Valley und zeigt, wie durch den Index Ketzer vor dem Scheiterhaufen gerettet, Politiker von hohen Ämtern abgehalten und wir alle zu den Leser:innen gemacht wurden, die wir heute sind. Wir folgen dem Autor in Druckereien, in Kaffeehäuser, in die Wohnzimmer von Schriftstellern und in die Labore der Wissenschaft, begegnen auf diesem Weg Kaisern und Päpsten, Philosophen und Ministerpräsidenten, Dichtern, Bibliothekaren und natürlich Indexern. Und wir erfahren, welch bedeutende Rolle das Register in der sich entwickelnden literarischen Kultur gespielt hat.Duncan macht klar, dass wir alle auch im Zeitalter der Internet-Suche im Grunde noch immer am Register hängen.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Edelgard Abenstein lernt sich für den Index in Büchern zu begeistern mit diesem Essay des britischen Autors und Übersetzers Dennis Duncan. Bildungssatt, aber nicht akademisch führt Duncan sie durch die Geschichte des Registers, begonnen im Mittelalter bis in die Gegenwart, die trotz Google den Index nicht überflüssig macht. Abenstein lernt, wie die Universalgelehrten Hugo und Grosseteste fast zeitgleich in Paris und Oxford Verfahren zur Ordnung der Lektüre entwickelten, zudem liest sie vergnügt die zahlreichen Anekdoten, die Duncan einstreut. Dass der Index des Vatikan - "die berühmteste Zensurliste der Welt" im Buch allerdings fehlt, findet die Kritikerin allerdings schon enttäuschend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2022Klüger als die
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Wie hat man eigentlich vor Google
irgendwas gefunden? Dennis Duncan erzählt
unterhaltsam, was für eine Revolution
das Register in Büchern für das Lesen war
VON LOTHAR MÜLLER
Es steht ganz allein neben dem Haupttextblock am rechten Seitenrand und sieht aus wie ein großes J. Aber es ist kein Buchstabe, es stellt die Ziffer 1 dar. Es ist die erste gedruckte Seitenzahl. Zu finden in einer Predigt eines Kölner Kartäusermönches aus dem Jahr 1470. In Dennis Duncans Buch „Index, eine Geschichte des“ hat das leicht verschmierte Zeichen einen großen Auftritt. Denn es markiert eine historische Zäsur. Der Buchdruck war noch jung, keine 20 Jahre alt, aber schon nahm der Prozess der Standardisierung Fahrt auf: Die Buchseiten wurden stabil, die Paginierung ließ sich in ein verlässliches Navigierungssystem einfügen. Wer in einem Buch eine bestimmte Stelle suchte und deren Seitenzahl wusste, blätterte nicht im Ungefähren, sondern zielgerichtet auf einen exakten Ort hin.
Buchregister sind analoge Suchmaschinen. Dennis Duncan, Autor, Übersetzer und Dozent am English Department des University College London, zeigt, dass sie älter sind als der Buchdruck. Das Register entstammt der Welt der mittelalterlichen Handschriften. Wir neigen dazu, Innovationen als Effekte neuer Medientechnologien zu deuten. Das ist hier nicht der Fall. Duncan erzählt anschaulich, wie das Buchregister aus der Bündelung von sozialen Energien entsteht, die in den Klöstern und noch jungen Universitäten auf Intensivierung und Beschleunigung des Lesens drängen.
Das handschriftlich kopierte Buchformat musste dafür lediglich angereichert werden. Die Protagonisten dieses Prozesses, Robert Grosseteste und Hugo von Saint-Cher, leben im 13. Jahrhundert und haben in Oxford und Paris Prediger vor Augen, die rasche thematische Zugriffe auf Bücher brauchen. Für sie erarbeitet Grosseteste seine „Tabula distinctionum“, in der er unter Zuhilfenahme des griechischen und römischen Alphabets und zahlreicher Symbole für eine Fülle von Themen Verweise auf Passagen in der Bibel, die Schriften der Kirchenväter, Klassiker der Antike und arabische Autoren versammelt. Es ist das erste umfassende Sachregister, sein Gegenstand die Universalbibliothek.
Hugo von Saint-Cher verfasst im Klosterkonvent Saint Jacques in Paris mit einer Schar von Mitarbeitern die erste Wortkonkordanz der Bibel. Hier ist das eine Buch der Gegenstand, in mehr als 10 000 Einträgen ordnet sie die erfassten Wörter in der lateinischen Bibel ihrer Position im Buch zu, vom Ausruf „A“ bis Zorobabel, einem Statthalter der Provinz Judäa. In die Schlüsselrolle rückte so das Alphabet als abstraktes, rein formales Ordnungsmuster. Die Nummerierung der Seiten dagegen war beim handschriftlichen Kopieren der Bücher nicht stabil. Die Seitenzahlen, ebenfalls ein rein formales Element, wurden beim Import der Register aus der Welt der Handschriften in die Technologie des gedruckten Buches in Routinen der Paginierung eingebettet. Bis heute gehören sie zu den sichtbaren, aber unauffälligen Instrumenten der Orientierung in Büchern.
Register werden angefertigt, wenn die Paginierung feststeht. Das Zusammenspiel von Alphabet und Seitenzahlen als formalen Ordnungssystemen, die eine „Technologie des Direktzugriffs“ bilden, ist aber nur möglich, weil es in Büchern erfolgt, in denen man blättern kann. Zu Recht betont Duncan, dass der Kodex – „ein Stapel Blätter, die gefaltet und am Rücken gebunden werden“ – eine elementare Hintergrundvoraussetzung für die Herausbildung des Registers darstellt. Bei der Schriftrolle wäre die nicht gegeben gewesen.
Duncan hat sein eigenes, mit einem opulenten Register ausgestattetes Buch weniger an seine Fachkollegen, die Buchhistoriker, adressiert als an das allgemeine Publikum. Er verzichtet auf Erörterungen über das Zusammenspiel von römischen und arabischen Ziffern in Registern zu mehrbändigen Werken. Aber auf den Unterschied zwischen Konkordanz und Sachregister kommt er immer wieder zurück.
Zwar gilt für beide, dass sie nicht dem Autor, sondern dem Leser verpflichtet sind. Doch ist die Konkordanz strikt an den Text des Buches gebunden, für das sie erstellt wird. Jedes Wort, das sie enthält, muss auch im Buch enthalten sein, das Sachregister aber beruht auf Verschlagwortungen, die nicht zwingend an den Wortlaut der Passage gebunden sind, die sie adressieren – wenn etwa ein Bibelkommentar die Geschichte vom verlorenen Sohn unter dem Registereintrag „Vergebung“ aufführt. Die Portalfigur Grosseteste öffnet den Raum des Sachregisters, Hugo von Saint-Cher den Raum der Konkordanz. Dennis Duncan gehört zum Team Grosseteste, und das trägt nicht weniger zum Reiz seines Buches bei als der Umstand, dass er ein temperamentvoller Erzähler ist.
Denn anders als sein Name suggeriert, ist das Sachregister nicht allein der Sachlichkeit verpflichtet. Es steckt voller Entscheidungen der Verschlagwortung, auf die Duncan gleich zu Beginn Matt Cutts, Ingenieur bei Google, mit einer lakonischen Bemerkung aufmerksam machen lässt: „Als Erstes muss man begreifen, dass man, wenn man eine Google-Suche startet, nicht wirklich das Internet durchsucht. Man durchsucht Googles Register des Internets.“ Duncans Buch handelt von kleineren Suchmaschinen, aber er verfolgt die Perspektivierungseffekte, die in Registern stecken, und stößt auf eine Vielzahl subjektiver Zwecke, denen sich Register dienstbar machen lassen. Er erzählt von Gelehrten, die das Sachregister nutzen, um mit Widersachern abzurechnen. Von Whigs unter den Registermachern, die gegen den von einem Tory verfassten Haupttext zur Geschichte Englands Einspruch erheben, von Schriftstellern wie Lewis Carroll, Vladimir Nabokov oder J.G. Ballard, die fiktive Register als Spielformen des Erzählens nutzen.
Sehr stabil ist die Grenze zwischen den Romanen, die in aller Regel registerlos sind, und den Sachbüchern, zu denen Register gehören, nicht. Die meisten Biografien, soll John Updike bemerkt haben, seien „Romane mit Registern“. Wenn eine täglich erscheinende Zeitschrift wie der Spectator im frühen 18. Jahrhundert sich ein Register zulegt, dann ist es nicht nur Suchmaschine, sondern ein Appetizer, der Werbung für den Stil macht, der hier praktiziert wird.
Gerade weil die Register ihre Entstehung der Gelehrsamkeit, dem ernsthaften Arbeiten mit Büchern verdanken, ist ihr Beitrag zur Zeitersparnis bei der Stellensuche zugleich ihre Achillesferse. Das demonstriert Duncan in einer kleinen Anthologie der Polemiken gegen die „Registergelehrsamkeit“ und des Verdachts, es würden nicht mehr die Bücher selbst, sondern nur noch die Register gelesen. Seine wahren Helden sind aber nicht die (meist identifizierbaren) Verfasser von „Fake-Registern“ oder die Literaten, die spielerisch mit Registern arbeiten. Seine wahren Helden sind die anonymen Verfasser anspruchsvoller Sachregister, hinter denen sich subtile Lektüren der erschlossenen Werke verbergen.
Sie sind, wie er selbst, Mitglieder im Team Grosseteste und haben ihren großen Auftritt dort, wo es um den Eintritt der Register ins digitale Zeitalter geht. Die von Menschenhand erstellte Konkordanz lässt sich auch digital erstellen. Das anspruchsvolle Sachregister wird nach wie vor von leibhaftigen Spezialisten erstellt. „Im Register steckt eine Persönlichkeit, in einer Konkordanz oder einer Suchleiste nicht.“
Um das zu belegen, hat Duncan seinem Buch den Beginn eines computergenerierten Registers beigegeben, das Personennamen und Sachbegriffe umfasst, um dann die Bühne frei zu machen für die professionelle Registermacherin Paula Clarke Bain, die das ambitionierte Register der Originalausgabe „Index, A History of the“ erstellt hat. Mit Gesten wie diesen unterstreicht Duncan, dass er das Registermachen als eine Form der Autorschaft versteht, vergleichbar dem Übersetzen. Die deutsche Ausgabe stammt von Ursel Schäfer als Übersetzerin des Buches und Stefan Brückl als Bearbeiter des hinzugekommenen. Der letzte Eintrag des Registers ist schon dadurch als Fake-Eintrag erkennbar, dass ihm die Seitenzahl fehlt. Er lautet „Zzz, und ab ins Bett“, worauf in eckigen Klammern die Kürzel PCB, US und SB folgen. Es dürfte im Sinne Dennis Duncans sein, dass so die Registermacher und die Übersetzerin das letzte Wort in seinem Buch haben.
Wer eine Google-Suche
startet, durchsucht ja nicht
wirklich das Internet
Als abstraktes Prinzip, um Begriffe zu ordnen und wiederzufinden, ist ein Alphabet schon mal nicht schlecht.
Foto: imago
Dennis Duncan: Index, eine Geschichte des. Vom Suchen und Finden.
Aus dem Englischen von Ursel Schäfer.
Verlag Antje Kunstmann, München 2022.
376 Seiten, 30 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Wie hat man eigentlich vor Google
irgendwas gefunden? Dennis Duncan erzählt
unterhaltsam, was für eine Revolution
das Register in Büchern für das Lesen war
VON LOTHAR MÜLLER
Es steht ganz allein neben dem Haupttextblock am rechten Seitenrand und sieht aus wie ein großes J. Aber es ist kein Buchstabe, es stellt die Ziffer 1 dar. Es ist die erste gedruckte Seitenzahl. Zu finden in einer Predigt eines Kölner Kartäusermönches aus dem Jahr 1470. In Dennis Duncans Buch „Index, eine Geschichte des“ hat das leicht verschmierte Zeichen einen großen Auftritt. Denn es markiert eine historische Zäsur. Der Buchdruck war noch jung, keine 20 Jahre alt, aber schon nahm der Prozess der Standardisierung Fahrt auf: Die Buchseiten wurden stabil, die Paginierung ließ sich in ein verlässliches Navigierungssystem einfügen. Wer in einem Buch eine bestimmte Stelle suchte und deren Seitenzahl wusste, blätterte nicht im Ungefähren, sondern zielgerichtet auf einen exakten Ort hin.
Buchregister sind analoge Suchmaschinen. Dennis Duncan, Autor, Übersetzer und Dozent am English Department des University College London, zeigt, dass sie älter sind als der Buchdruck. Das Register entstammt der Welt der mittelalterlichen Handschriften. Wir neigen dazu, Innovationen als Effekte neuer Medientechnologien zu deuten. Das ist hier nicht der Fall. Duncan erzählt anschaulich, wie das Buchregister aus der Bündelung von sozialen Energien entsteht, die in den Klöstern und noch jungen Universitäten auf Intensivierung und Beschleunigung des Lesens drängen.
Das handschriftlich kopierte Buchformat musste dafür lediglich angereichert werden. Die Protagonisten dieses Prozesses, Robert Grosseteste und Hugo von Saint-Cher, leben im 13. Jahrhundert und haben in Oxford und Paris Prediger vor Augen, die rasche thematische Zugriffe auf Bücher brauchen. Für sie erarbeitet Grosseteste seine „Tabula distinctionum“, in der er unter Zuhilfenahme des griechischen und römischen Alphabets und zahlreicher Symbole für eine Fülle von Themen Verweise auf Passagen in der Bibel, die Schriften der Kirchenväter, Klassiker der Antike und arabische Autoren versammelt. Es ist das erste umfassende Sachregister, sein Gegenstand die Universalbibliothek.
Hugo von Saint-Cher verfasst im Klosterkonvent Saint Jacques in Paris mit einer Schar von Mitarbeitern die erste Wortkonkordanz der Bibel. Hier ist das eine Buch der Gegenstand, in mehr als 10 000 Einträgen ordnet sie die erfassten Wörter in der lateinischen Bibel ihrer Position im Buch zu, vom Ausruf „A“ bis Zorobabel, einem Statthalter der Provinz Judäa. In die Schlüsselrolle rückte so das Alphabet als abstraktes, rein formales Ordnungsmuster. Die Nummerierung der Seiten dagegen war beim handschriftlichen Kopieren der Bücher nicht stabil. Die Seitenzahlen, ebenfalls ein rein formales Element, wurden beim Import der Register aus der Welt der Handschriften in die Technologie des gedruckten Buches in Routinen der Paginierung eingebettet. Bis heute gehören sie zu den sichtbaren, aber unauffälligen Instrumenten der Orientierung in Büchern.
Register werden angefertigt, wenn die Paginierung feststeht. Das Zusammenspiel von Alphabet und Seitenzahlen als formalen Ordnungssystemen, die eine „Technologie des Direktzugriffs“ bilden, ist aber nur möglich, weil es in Büchern erfolgt, in denen man blättern kann. Zu Recht betont Duncan, dass der Kodex – „ein Stapel Blätter, die gefaltet und am Rücken gebunden werden“ – eine elementare Hintergrundvoraussetzung für die Herausbildung des Registers darstellt. Bei der Schriftrolle wäre die nicht gegeben gewesen.
Duncan hat sein eigenes, mit einem opulenten Register ausgestattetes Buch weniger an seine Fachkollegen, die Buchhistoriker, adressiert als an das allgemeine Publikum. Er verzichtet auf Erörterungen über das Zusammenspiel von römischen und arabischen Ziffern in Registern zu mehrbändigen Werken. Aber auf den Unterschied zwischen Konkordanz und Sachregister kommt er immer wieder zurück.
Zwar gilt für beide, dass sie nicht dem Autor, sondern dem Leser verpflichtet sind. Doch ist die Konkordanz strikt an den Text des Buches gebunden, für das sie erstellt wird. Jedes Wort, das sie enthält, muss auch im Buch enthalten sein, das Sachregister aber beruht auf Verschlagwortungen, die nicht zwingend an den Wortlaut der Passage gebunden sind, die sie adressieren – wenn etwa ein Bibelkommentar die Geschichte vom verlorenen Sohn unter dem Registereintrag „Vergebung“ aufführt. Die Portalfigur Grosseteste öffnet den Raum des Sachregisters, Hugo von Saint-Cher den Raum der Konkordanz. Dennis Duncan gehört zum Team Grosseteste, und das trägt nicht weniger zum Reiz seines Buches bei als der Umstand, dass er ein temperamentvoller Erzähler ist.
Denn anders als sein Name suggeriert, ist das Sachregister nicht allein der Sachlichkeit verpflichtet. Es steckt voller Entscheidungen der Verschlagwortung, auf die Duncan gleich zu Beginn Matt Cutts, Ingenieur bei Google, mit einer lakonischen Bemerkung aufmerksam machen lässt: „Als Erstes muss man begreifen, dass man, wenn man eine Google-Suche startet, nicht wirklich das Internet durchsucht. Man durchsucht Googles Register des Internets.“ Duncans Buch handelt von kleineren Suchmaschinen, aber er verfolgt die Perspektivierungseffekte, die in Registern stecken, und stößt auf eine Vielzahl subjektiver Zwecke, denen sich Register dienstbar machen lassen. Er erzählt von Gelehrten, die das Sachregister nutzen, um mit Widersachern abzurechnen. Von Whigs unter den Registermachern, die gegen den von einem Tory verfassten Haupttext zur Geschichte Englands Einspruch erheben, von Schriftstellern wie Lewis Carroll, Vladimir Nabokov oder J.G. Ballard, die fiktive Register als Spielformen des Erzählens nutzen.
Sehr stabil ist die Grenze zwischen den Romanen, die in aller Regel registerlos sind, und den Sachbüchern, zu denen Register gehören, nicht. Die meisten Biografien, soll John Updike bemerkt haben, seien „Romane mit Registern“. Wenn eine täglich erscheinende Zeitschrift wie der Spectator im frühen 18. Jahrhundert sich ein Register zulegt, dann ist es nicht nur Suchmaschine, sondern ein Appetizer, der Werbung für den Stil macht, der hier praktiziert wird.
Gerade weil die Register ihre Entstehung der Gelehrsamkeit, dem ernsthaften Arbeiten mit Büchern verdanken, ist ihr Beitrag zur Zeitersparnis bei der Stellensuche zugleich ihre Achillesferse. Das demonstriert Duncan in einer kleinen Anthologie der Polemiken gegen die „Registergelehrsamkeit“ und des Verdachts, es würden nicht mehr die Bücher selbst, sondern nur noch die Register gelesen. Seine wahren Helden sind aber nicht die (meist identifizierbaren) Verfasser von „Fake-Registern“ oder die Literaten, die spielerisch mit Registern arbeiten. Seine wahren Helden sind die anonymen Verfasser anspruchsvoller Sachregister, hinter denen sich subtile Lektüren der erschlossenen Werke verbergen.
Sie sind, wie er selbst, Mitglieder im Team Grosseteste und haben ihren großen Auftritt dort, wo es um den Eintritt der Register ins digitale Zeitalter geht. Die von Menschenhand erstellte Konkordanz lässt sich auch digital erstellen. Das anspruchsvolle Sachregister wird nach wie vor von leibhaftigen Spezialisten erstellt. „Im Register steckt eine Persönlichkeit, in einer Konkordanz oder einer Suchleiste nicht.“
Um das zu belegen, hat Duncan seinem Buch den Beginn eines computergenerierten Registers beigegeben, das Personennamen und Sachbegriffe umfasst, um dann die Bühne frei zu machen für die professionelle Registermacherin Paula Clarke Bain, die das ambitionierte Register der Originalausgabe „Index, A History of the“ erstellt hat. Mit Gesten wie diesen unterstreicht Duncan, dass er das Registermachen als eine Form der Autorschaft versteht, vergleichbar dem Übersetzen. Die deutsche Ausgabe stammt von Ursel Schäfer als Übersetzerin des Buches und Stefan Brückl als Bearbeiter des hinzugekommenen. Der letzte Eintrag des Registers ist schon dadurch als Fake-Eintrag erkennbar, dass ihm die Seitenzahl fehlt. Er lautet „Zzz, und ab ins Bett“, worauf in eckigen Klammern die Kürzel PCB, US und SB folgen. Es dürfte im Sinne Dennis Duncans sein, dass so die Registermacher und die Übersetzerin das letzte Wort in seinem Buch haben.
Wer eine Google-Suche
startet, durchsucht ja nicht
wirklich das Internet
Als abstraktes Prinzip, um Begriffe zu ordnen und wiederzufinden, ist ein Alphabet schon mal nicht schlecht.
Foto: imago
Dennis Duncan: Index, eine Geschichte des. Vom Suchen und Finden.
Aus dem Englischen von Ursel Schäfer.
Verlag Antje Kunstmann, München 2022.
376 Seiten, 30 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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