Indien und China - das sind die beiden Weltreiche, die seit Jahrzehnten den faszinierenden Anschauungsunterricht eines einzigartigen, rasanten sozialen Wandels bieten. Erwin K. und Ute Scheuch hatten beide Staaten mehrmals in den Zeiten des sich beschleunigenden Umbruches als Soziologen bereist. Dank ihres persönlichen Augenscheins und der sinnlichen Erkenntnisse vor Ort, unterstützt durch in beiden Ländern erhaltene Forschungsergebnisse ihrer Kollegen, legten sie 1987 ein erstes Buch über „China und Indien - eine soziologische Landvermessung“ vor. Ihr damaliges Fazit: In Indien wird weiterhin ein poetisches Verhältnis zur Wirklichkeit gepflegt. In China dagegen wollen Menschen aus den Tatsachen lernen - wobei die beiden Soziologen noch vor der Niederschlagung der Studentenbewegung am 4. Juni 1989 am Tiananmen-Platz in Peking voraussagten: Freiheiten werden die führenden Kommunisten einräumen, Freiheit nicht. Das gemeinsame Fazit für Indien und China aber war: Der Drang nach weltpolitischer Mitsprache ist beiden gemein. Anders als in der „soziologischen Landvermessung“ liegt es nach dem Tode Erwin K. Scheuchs seiner Koautorin am Herzen, das wiederzugeben, was sie selbst bei ihren Reisen in den beiden Ländern erlebten: Es sind gewollt subjektive Reisetagebücher, streckenweise farbige Momentaufnahmen - allerdings mit der Wiedergabe objektiver Befunde, die sich ihnen in den beiden Ländern erschlossen, ebenso wie ihre eigenen Forschungsergebnisse, soweit sie ihre Gastgeber interessierten. Das galt insbesondere für China, dessen Machthaber von Erwin K. Scheuch 1996 wissen wollten, warum die sozialistische DDR untergegangen war. Die beiden Soziologen hatten bei diesen Aufenthalten unendlich viel gelernt - über sich selbst ebenso wie über fremde und doch auch vertraute Kulturen im Wandel der Zeiten.