Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 24,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Das viel zu wenig bekannte Italien als Kulturlandschaft der Moderne erkundet das Buch mit Blick auf das System der Bildmedien. Zugleich führt es exemplarisch in die Erforschung der illustrierten Presse und des Mediensystems zur Zeit der Industrialisierung ein. Wegen des rapiden historischen Umbruchs tritt der Umbau der Bildkultur in Italien mit exemplarischer Deutlichkeit zu Tage. Durch ein fabrikmäßig organisiertes Pressewesen wurde eine gesamtitalienische Öffentlichkeit erst geschaffen. Die Illustrationen waren galvanisierte Holzstiche, die ein künstlerisches Proletariat teils unter…mehr

Produktbeschreibung
Das viel zu wenig bekannte Italien als Kulturlandschaft der Moderne erkundet das Buch mit Blick auf das System der Bildmedien. Zugleich führt es exemplarisch in die Erforschung der illustrierten Presse und des Mediensystems zur Zeit der Industrialisierung ein.
Wegen des rapiden historischen Umbruchs tritt der Umbau der Bildkultur in Italien mit exemplarischer Deutlichkeit zu Tage. Durch ein fabrikmäßig organisiertes Pressewesen wurde eine gesamtitalienische Öffentlichkeit erst geschaffen. Die Illustrationen waren galvanisierte Holzstiche, die ein künstlerisches Proletariat teils unter Verwendung von Fotos gestaltete. Die illustrierten Zeitschriften gerieten in das Zentrum eines Wandels der Bildwelt, der von den Museen und Akademien zum Film und zu den Avantgarden überleitet. Die Malerei geriet zunächst keineswegs in den Hintergrund. Auf Großausstellungen gezeigt, in der Presse reproduziert und in ganz Italien diskutiert, war sie im Gegenteil wie niemals zuvor ein Massenmedium. Die spektakulärsten Ausstellungsbilder nahmen in Konkurrenz zur Fotografie die Ästhetik des Films vorweg. Sie werden im Spiegel der kunstkritischen Debatte vorgestellt. Daneben stehen Analysen des Pressebildes, seiner Inhalte, seiner Darstellungs- und Erzählweisen sowie die politische, die Sozial-, Wirtschafts- und Mentalitätsgeschichte Italiens.
Autorenporträt
Prof. Dr. Michael Zimmermann ist Professor für Kunstgeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2006

Mediensystem der Künste
Michael F. Zimmermann folgt der italienischen Phantasie

Bilderflut: Mit der Modernisierung Italiens ging eine Industrialisierung der Künste einher. Reproduktionen von Zeichnungen und Gemälden gelangten in die Zeitungen und formten eine besondere Bilderkultur.

Am Beginn des deutschen Nationalismus neuerer Zeit steht der Sieg über Frankreich. Italiens Chance zur Vereinigung ergab sich aus einer Schwäche Frankreichs und einer Reihe verlorener Schlachten gegen das kaiserlich-königliche Österreich, das an anderer Front, gegen Preußen, verloren hatte und zu Kompromissen gezwungen wurde, von denen die italienischen Fürsten bislang nur träumten. Italien bot sich die Chance, in wenigen Jahrzehnten aufzuholen, was in anderen Ländern im Gange war, die Umformung der Gesellschaft mit dem Motor der Industrialisierung. Dieser wurde auch mittels symbolträchtiger Gesten angeworfen, die sich zuerst in Architekturen manifestierten, ehe die gesellschaftlichen Strukturen nachwuchsen. Das herausragende Beispiel hierfür ist der gigantische Bau einer Mall in zentraler Innenstadtlage, der Galleria Vittorio Emanuele in Mailand.

Michael Zimmermanns Studie beschäftigt sich mit der Zeit der Nationsbildung nach dem Risorgimento, der "Wiedergeburt" Italiens. Sie führt immer wieder tief in die Zusammenhänge der italienischen Politik und Sozialgeschichte. Roter Faden ihrer Erzählung sind die Abbildungen der Zeitung "L'illustrazione Italiana", der führenden ihrer Art in Italien, die nach den Vorbildern von "Le Monde Illustré", "The illustrated London News" und der Leipziger "Illustrirten Zeitung" geschaffen wurde.

1874 gründete sie der Journalist und Verleger Emilio Treves in Mailand. Der Holzstich ermöglichte erstmals, genaue Reproduktionen von Zeichnungen und Gemälden in die Massenauflagen von Zeitungen zu integrieren. Besser noch als die für Massenauflagen geeignete Lithographie war er direkt mit der Technik des Buch- und Zeitungsdrucks zu verbinden. In ganz Europa markieren daher spezialisierte Pressezeichner und Manufakturen der Holzstecher den Beginn einer Bilderflut, die wir heute mit der Fotografie verbinden, die aber noch vor der Reproduzierbarkeit von Fotos datiert.

Anhand der Abbildungen in "L'illustrazione Italiana", die zum Teil Bilder reproduzieren, die heute verloren sind, erschließt der Autor die Bildkultur Italiens und damit ein Stück italienischer Mentalitätsgeschichte. Er knüpft an Susanne von Falkenhausens Studie über das Historienbild des Risorgimento an, erschließt weitere Themen und weitet den historischen Rahmen aus. Michael Zimmermanns Themen reichen von der Darstellung der Rolle der Frau, über die der sozialen Schichten und vor allem der Unterschichten, über die Klischeeprägung der unterschiedlichen italienischen Regionen bis zum Fortleben der religiösen und die Erfindung einer neuen Ikonographie für die Darstellung einer im Umbruch begriffenen Gesellschaft. Ausführliche Exkurse zum symbolistischen Werk Giovanni Segantinis und zu den Bilderfindungen des außerhalb Italiens kaum bekannten Giuseppe Pelizza da Volpedo führen weit vom Thema der Mediengeschichte ab und in traditioneller Weise in die künstlerischen Aspekte der jeweiligen Werkentwicklung hinein.

Zimmermann nennt sein opulentes Buch, das die faszinierende italienische Bilderkultur erstmals aus der Perspektive der populären Illustrationen erschließt, nur eine Studie. Er wagt es, das eng abgesteckte Terrain des Spezialistentums zu verlassen, und schneidet ein äußerst anregendes Bündel von Themenbereichen an, dessen einzelne Stränge noch weiter verfolgt werden müssen. Dabei bleiben leider die Ausführungen zur Geschichte und Sozialgeschichte unvermittelte Einschübe zwischen den einfühlsamen Bildanalysen. Wird von kunstwissenschaftlicher Seite den Historikern gern vorgeworfen, Bilder nur als Illustrationen zu verwenden, wird hier der Kontext als Folie unvermittelt den Bildgeschichten hinterlegt.

Die Strategie, fast nur Reproduktionsstiche abzubilden, leuchtet nicht ein, wurde doch aus der Studie eine italienische Kunstgeschichte, deren Themenschwerpunkte sich aus dem Bilderrepertoire der Zeitung ableiten. Der Kontext der Zeitung erschließt sich allenfalls aus den Faltungen und Bindfäden so mancher breitformatigen Abbildung. Daß diese Bilder in einem alltäglichen Umfeld erschienen, ist ebenso wenig visualisiert, wie die Grenzen von Kunst und Kitsch thematisiert werden.

Der Blick auf die anderen europäischen "Illustrierten" könnte zeigen, daß vieles eben nicht allein italienische Phänomene und Ikonographien sind. Nicht zuletzt die Fortschreibung der Bildberichterstattung könnte dabei erst die Linie zum fotografischen und kinematographischen Bild des zwanzigsten Jahrhunderts aufzeigen, die Zimmermann entgegen seiner eigenen Prämissen zugunsten einer italienischen Kunstgeschichte aus den Augen verloren hat. Die Prämisse einer neuen Bildsprache, die durch die illustrierten Zeitungen geschaffen wurde, muß weiterhin eine verlockende These bleiben. Dem mangelnden Lektorat ist anzulasten, daß ein ebenso aufwendiges wie anspruchsvolles Buch zum traurigen Beispiel der Verwirrungen im Zeitalter der Rechtschreibreformierungen wurde. Nur wenige Italien-Touristen verirren sich heute angesichts der schieren Masse von Kunst in diesem Land in die der jüngeren Kunst gewidmeten Galerien, etwa in die römische Galleria Nazionale d'Arte Moderna im Park der Villa Giulia abseits der Trampelpfade der Antikenbegeisterung. Modern ist dabei für die italienische Kunstgeschichte alles Nachbarocke. Die mehr oder weniger sinnige Trennung des neunzehnten vom zwanzigsten Jahrhundert, wie sie nördlich der Alpen gepflegt wird, gibt es hier nicht. Der Besucher steht in der Galleria Nazionale unvermittelt vor einer Fülle von Gemälden, vom kleinen Genrebild bis zu den großen "Maschinen" der Historienmalerei.

Aber außerhalb Italiens wird diese Fülle und Vitalität der italienischen Kunst des neunzehnten Jahrhunderts kaum wahrgenommen. Das mag daran liegen, daß vor allem nationale Geschichte und Geschichten erzählt wurden. Michael Zimmermanns Studie erschließt trotz aller Einwände dieses Phänomen und bietet damit einen Wegweiser durch eine unbekannte Topographie der Kunst eines Landes deutscher Sehnsucht, das uns doch in so vielem fremd geblieben ist.

ANDREAS STROBL

Michael F. Zimmermann: "Industrialisierung der Phantasie". Der Aufbau des modernen Italien und das Mediensystem der Künste 1875-1900. Kunstwissenschaftliche Studien Band 127. Deutscher Kunstverlag, München 2006. 448 S., geb., 98,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lehrreich, wenn auch keineswegs fehlerfrei findet Andreas Strobl Michael Zimmermanns Studie über die italienische Bilderkultur und ihren Beitrag zur Herausbildung der Nation. Aufmerksam folgt Strobl dem roten Faden der populären Bilder aus "L'illustrazione Italiana" und wird dank des vom Autor vorgenommenen Arrangements fündig: Eine italienische Mentalitätsgeschichte des Risorgimento mit (oft, wie er schreibt, leider zu kursorischen) Ausflügen in die Sozial- und Kunstgeschichte entdeckt er und dankt Zimmermann für "einfühlsame Bildanalysen". Bedauerlich findet Strobl, dass der Autor den Zeitungskontext der Bilder vernachlässigt und einen europäischen Vergleich scheut. Eine den Konnex zur Fotografie und zum Kino herstellende "Fortschreibung der Bildberichterstattung" hätte er sich von diesem Band auch gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH