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Die Deutschen und das Trauma der Inflation
Die Inflation, die Deutschland zwischen 1914 und 1923 erlebte, war die dramatischste Geldentwertung, die je in einem modernen Finanzsystem stattgefunden hat. Hilflos mussten die Menschen der Weimarer Republik mitansehen, wie die deutsche Wirtschaft zusammenbrach und sich ihr Geld in Luft auflöste. Diese existenzielle Krise fügte nicht nur der jungen Demokratie nachhaltigen Schaden zu, sie sollte sich auch tief ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingraben.
Die galoppierende Inflation ließ Anfang der zwanziger Jahre die Menschen das Vertrauen
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Produktbeschreibung
Die Deutschen und das Trauma der Inflation

Die Inflation, die Deutschland zwischen 1914 und 1923 erlebte, war die dramatischste Geldentwertung, die je in einem modernen Finanzsystem stattgefunden hat. Hilflos mussten die Menschen der Weimarer Republik mitansehen, wie die deutsche Wirtschaft zusammenbrach und sich ihr Geld in Luft auflöste. Diese existenzielle Krise fügte nicht nur der jungen Demokratie nachhaltigen Schaden zu, sie sollte sich auch tief ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingraben.

Die galoppierende Inflation ließ Anfang der zwanziger Jahre die Menschen das Vertrauen in Staat und Wirtschaft verlieren, was sich für die junge Weimarer Demokratie letztlich als fatales Erbe erweisen sollte. Der Staat war in den Augen vieler diskreditiert, vor allem die Mittelschicht fühlte sich betrogen. Profitieren konnten davon die Parteien der extremen Linken und Rechten: Kommunisten und Nationalsozialisten.

Ausgehend von den Anfängen der fehlgeleiteten Geldpolitik im Kaiserreich zeigt Frederick Taylor in seinem neuen Buch eindrucksvoll, was die Inflation der zwanziger Jahre für die Menschen der Weimarer Republik bedeutete. Zugleich hebt er die Bedeutung der Hyperinflation für die deutsche Geschichte hervor. Denn die Angst vor der Geldentwertung wurde in diesen Jahren zu einem deutschen Trauma, das unsere Politik bis heute bestimmt.

Autorenporträt
Taylor, Frederick
Frederick Taylor hat Neue Geschichte und Germanistik studiert und ist Fellow der Royal Historical Society. Die deutsche Geschichte kennt Taylor von mehreren Studienaufenthalten, die ihn bereits in den 1970er-Jahren für längere Zeit in beide deutsche Staaten führten. Sein Buch über die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg »Dresden. Dienstag, 13. Februar 1945« (2004) wurde ein internationaler Bestseller. Zuletzt erschienen bei Siedler »Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989« (2009), »Zwischen Krieg und Frieden. Die Besetzung und Entnazifizierung Deutschlands 1944-1946« (2011), »Inflation. Der Untergang des Geldes in der Weimarer Republik und die Geburt eines deutschen Traumas« (2013) sowie »Coventry. Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg« (2015).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2013

Das Trauma der Inflation
In keinem Land sitzt der Schreck der Hyperinflation so tief wie in Deutschland. Sind die Bildungsbürger schuld?

VON CHRISTIAN SIEDENBIEDEL

Wie kommt es, dass ausgerechnet die Deutschen auf das Thema "Inflation" so empfindlich reagieren?, fragt der britsiche Historiker Frederick Taylor. Die naheliegende Antwort, die Deutschen hätten in den 20er Jahren besonders unangenehme Erfahrungen mit einer solchen Geldentwertung gemacht, räumt Taylor ab: Man müsse sich nur anschauen, was für Inflationen Ungarn im Laufe seiner Geschichte erlebt habe! Auch in Russland, Polen, Österreich, Frankreich und Italien habe es heftige Inflationen gegeben: "Aber keines dieser Länder scheint ähnliche Narben davongetragen zu haben wie Deutschland.".

Auf 400 Seiten erzählt Taylor die Geschichte der deutschen Inflation nach. Anhand vieler Beispiele betrachtet er, was die Geldentwertung für Arbeiter und Unternehmer, für Generäle und Politiker, für Professoren und Landwirte bedeutete. Zwei Thesen entwickelt er daraus, warum sich die Inflation so in das kollektive Gedächtnis der Deutschen gebrannt hat. Die eine ist der Gedanke der Fallhöhe, die andere die besondere Betroffenheit einer privilegierten Schicht.

Taylor beschreibt das Deutschland zur Zeit Kaiser Wilhelms II. als das mächtigste und produktivste kontinentaleuropäische Land dieser Zeit, in der Europa seinerseits noch die Welt beherrschte. Das Deutsche Reich verfügte über große Eisen- und Kohlevorkommen, eine boomende industrielle Basis, eine gut ausgebildete, fleißige Bevölkerung und eine gefürchtete und bewunderte Militärmaschinerie. Symbol für diese Stärke ist für Taylor das prosperierende Berlin: "Beneidenswerte Menschen einer beneidenswerten Stadt in einem beneidenswerten Land.".

Dann verlor Deutschland den Krieg, bekam die Alleinschuld zugewiesen, trennte sich von seinen Monarchen und erhielt gewaltige Reparationszahlungen auferlegt. Der patriotische Stolz der Deutschen kehrte sich um in Wut über die Demütigung. Das war die Zeit, in der die Inflation ausbrach. Die Inflation stand für die nationale Niederlage insgesamt: Das ist für Taylor der eine Grund, warum die Inflation den Deutschen so sehr im Gedächtnis blieb.

Zum anderen war eine wichtige Gesellschaftsschicht besonders betroffen: das Bildungsbürgertum. Taylor erinnert, dass keineswegs alle gleichermaßen unter den Inflation zu leiden hatten. So gab es Landwirte, die gute Tauschwaren hatten. Es gab auch Unternehmer, die billig geliehenes Geld investierten und ihre Schulden günstig zurückzahlen konnten. Als Beispiel nennt er den "Inflationskönig" Stinnes. Besonders getroffen habe die Inflation dagegen das Bildungsbürgertum, das im Kaiserreich zu den privilegierten Gruppen gehörte, vor dem Krieg in patriotischer Begeisterung in Kriegsanleihen investiert hatte und auf einmal wirtschaftlich abstürzte. Professoren und Gymnasiallehrer, die das traf, hätten den nachfolgenden Generationen diese Erfahrung weitergegeben.

Am Schluss stellt Taylor die Frage, ob das deutsche Trauma, das sich auch in der Diskussion um den Euro wieder bemerkbar macht, Fluch oder Segen sei. Er endet mit dem Satz: "Das Problem für die Welt könnte darin bestehen, dass die Deutschen den richtigen Instinkt beweisen.".

Frederick Taylor: Inflation. Siedler 24,99 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In seinem Buch "Inflation" diagnostiziert der britische Geschichtswissenschaftler Frederick Taylor den Deutschen eine tief sitzende Inflationsphobie, die seit inzwischen beinahe einem Jahrhundert das Kalkül von Finanzpolitikern und das polit-ökonomische Halbwissen beeinflusst, berichtet Wolfgang Uchatius. Dieses Trauma sei ziemlich geradlinig auf die große Inflation der Zwanzigerjahre zurückzuführen, die wiederum eine Folge der horrenden Zahlungen war, zu denen Deutschland als Verlierer des Ersten Weltkrieges im Friedensvertrag von Versailles verpflichtet wurde, fasst der Rezensent zusammen. Damals hat die Inflation zwar hauptsächlich das Bildungsbürgertum getroffen, das als einzige Schicht große Geldrücklagen hatte, seitdem hat sich die Phobie aber fest im allgemeinen Bewusstsein verankert, erklärt Uchatius Taylors Argument.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Frederick Taylors Blick in die Geschichte erklärt aktuelle Ängste.« Passauer Neue Presse