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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2005

Der Kanon
Was man unbedingt gelesen haben sollte: Zehn Buch-Tips von Professoren für Studenten

Internet hin, E-Learning her - ohne Buchlektüre kommt ein Hochschüler auch anno 2005 nicht durchs Studium. Und wer es nicht schon weiß, der wird es nach ein paar Dutzend Pauksitzungen vor dem Computerbildschirm begreifen: Oft ist es viel angenehmer, den Lernstoff schwarz auf weiß vor Augen zu haben. Gut geschriebene Fachbücher nimmt man im übrigen nicht nur dann in die Hand, wenn die nächste Prüfung droht. Sie begleiten einen von der Einschreibung bis zum Examen, und manchmal macht das Wiederlesen auch dann noch Freude, wenn man schon Jahre im Berufsleben steht. Was sind die Werke, die in keinem studentischen Bücherregal fehlen sollten? Das haben wir zehn Professoren aus verschiedenen Fachbereichen gefragt.

Zusammengestellt von Eva-Maria Magel und Sascha Zoske

MEDIZIN.

Josef Pfeilschifter Dekan des Fachbereichs Medizin an der Universität Frankfurt.

L. L. Brunton u. a. (Herausg.): Goodman & Gilman's "The Pharmacological Basis of Therapeutics", McGraw-Hill Publishing Co., 2005.

Gefragt nach einem Lehrbuch, das ich einem Medizinstudenten zu lesen empfehlen würde, fällt mir zunächst das grundlegende Fach der Medizin, die Physiologie, ein. Da jedoch das Spannendere an der Medizin die Krankheiten und deren Therapie sind, komme ich dann doch eher zu den großen Querschnittsfächern, der Pathologie und der Pharmakologie, bedenkend, daß doch 80 Prozent der Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes die Verordnung von Arzneimitteln sind. So empfehle ich Goodman & Gilman's "The Pharmacological Basis of Therapeutics", das gerade in seiner elften Auflage erschienen ist. Ein dicker Schmöker, der nicht zum Lesen vom Anfang bis zum Ende geeignet ist, sondern zum genüßlichen Vertiefen in einzelne Kapitel. Neben einem kurzen historischen Rückblick bringt jedes Kapitel Physiologie und den neuesten Stand der Arzneimitteltherapie. Kurzum, ein Vergnügen für jeden, der sein medizinisches Wissen auf eine solide Basis stellen möchte.

BUCHWISSENSCHAFT.

Stephan Füssel Leiter des Instituts für Buchwissenschaft an der Universität Mainz.

Wulf D. von Lucius: Verlagswirtschaft. Ökonomische, rechtliche und organisatorische Grundlagen. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2005 (UTB 2652).

Bertolt Brecht sprach von der "geheiligten Ware Buch", der Verleger Georg Joachim Göschen von der Doppelnatur des Buches als geistigem Gut und Handelsware. Die Studierenden der Buchwissenschaft müssen sich mit den inhaltlichen und programmatischen Fragen des Verlagswesens, mit den haptischen und ästhetischen Merkmalen des Buches, mit der historischen und kulturwissenschaftlichen Rolle dieses Mediums, aber immer auch mit der kaufmännischen Seite befassen. Dem Betriebswirt und Wissenschaftsverleger Lucius gelingt es, die ökonomischen Grundlagen der Verlagspraxis präzise und anschaulich vorzustellen. Es wird bewußt keine Theorie der Verlagswirtschaft geboten, sondern ein Einblick in den Alltag des Verlagsgeschäfts: Rechtliche Rahmenbedingungen, Organisationsstruktur, Rechnungslegung und Controlling, Auflagenbemessung und Honorare, Werbung und Vertrieb werden berücksichtigt. Ein unverzichtbares Handbuch für jeden Verlagskaufmann und für jeden Buchliebhaber.

POLITOLOGIE.

Jürgen Falter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz.

"Empirische Sozialforschung" von Andreas Diekmann (10. Auflage, Rowohlt-Verlag, Reinbek).

Sehr gut geschrieben, angenehm zu lesen, bietet auch Methoden-Einsteigern einen guten Überblick über grundlegende Methoden empirischen Arbeitens. Diekmann schreibt humorvoll und arbeitet mit anschaulichen Beispielen, durch die der Leser die zentralen Inhalte gut nachvollziehen kann. Das wichtigste ist, daß Diekmann mit seinem Buch Spaß an empirischer Sozialforschung vermittelt, im Gegensatz zu anderen oft sehr trockenen Büchern in diesem Gebiet. Mit 17,90 Euro auch für Studenten erschwinglich.

Wolfgang Rudio, Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Leske & Budrich/VS-Verlag, Wiesbaden.

David Easton, A Systems Analysis of Political Life, New York 1965, noch immer grundlegend für einen ziemlich großen Ausschnitt unseres Faches.

Um potentiellen Studenten falsche Vorstellungen von der Politik auszutreiben, Max Webers "Politik als Beruf".

PUBLIZISTIK/MEDIEN.

Karl Nikolaus Renner Professor am Journalistischen Seminar der Universität Mainz.

Siegfried J. Schmidt/Guido Zurstiege: Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will. Rowohlts Enzyklopädie 55618, 2000.

Die Kommunikationswissenschaft macht es Studienanfängern nicht einfach, einen Zugang zum Fach zu gewinnen. Als junge Disziplin zerfällt sie in isolierte Forschungsgebiete, die sich allzuoft in Detailfragen verlieren. Hier bietet dieser Einführungsband eine gute Orientierung. Obendrein entwickelt das Buch noch eine Perspektive, wie die überfällige Integration von Kommunikations- und Medienwissenschaft aussehen kann.

Harald Schleicher/Alexander Urban (Hrsg.): Filme machen. Technik, Gestaltung, Kunst. Zweitausendeins, 2005.

Kommunikations- und Medienwissenschaftlern wirft man oft vor, sie seien bloße Theoretiker. Das kann man den Autoren dieses Sammelbandes nicht vorhalten. Es sind alles Hochschullehrer, die auf ihren Gebieten über eine lange Berufspraxis verfügen. So sind die elf Aufsätze zu Kamera, Licht und Ton, Montage und Compositing, Regie und Produktion, Spielfilm und Dokumentarfilm ein Muß für jeden, der sich für audiovisuelle Medien interessiert.

GERMANISTIK.

Matthias Luserke-Jaqui Professor für Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt.

Hansjürgen Blinn: Informationshandbuch Deutsche Literaturwissenschaft. Frankfurt 2001. Fischer Taschenbuch Nr. 10327.

"Der Blinn" ist ein unerläßliches Nachschlagewerk, für die ersten Semester ebenso wie für die Examenssemester. Es ist äußerst übersichtlich gegliedert, ein klassisches Findebuch, das heißt, man bekommt wertvolle Hinweise zur weiteren Suche, egal, ob man zum Thema Einführungen ins Studium, Handbücher, den Fachzeitschriften oder zu den Bibliographien zur Fachdidaktik recherchieren will. Er ist mit einem ausführlichen und vorzüglichen Register versehen. Kurzum: Unverzichtbar - und das für 14,90 Euro!

JURA.

Peter Mülbert Professor für Privatrecht an der Universität Mainz.

Dieter Medicus, Bürgerliches Recht - Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung, 20. Auflage, 2004, Carl Heymanns Verlag.

Das Buch von Medicus ist zum juristischen Klassiker geworden. Es steht im Bücherregal vieler Juristen weit über das Examen hinaus - so auch beim Verfasser dieser Zeilen. Bei 20 Auflagen in 36 Jahren hat der Autor wohl alles richtig gemacht. Als eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung leistet das Werk vielerlei zugleich: Die systematische Zusammenstellung ist examensbezogen und wirft dennoch manch neues Licht auf innere Zusammenhänge des bürgerlichen Rechts. Knappe Darstellung der jeweiligen Rechtslage und scharfsinnige Kritik regen in besonderem Maße zum Nach- und Weiterdenken an. Kurz: Der Medicus reizt dazu, bürgerliches Recht auch in seinen Zusammenhängen verstehen zu wollen - und hat damit auch die heutige Generation der fürs Examen Verantwortlichen geprägt.

PHILOSOPHIE.

Martin Seel Professor für Philosophie an der Universität Frankfurt.

Paul Valéry, Eupalinos, Suhrkamp, Frankfurt, 1995 (Bibliothek Suhrkamp Nr. 370).

Dieser im Jahr 1921 erschienene und bald darauf von Rainer Maria Rilke elegant ins Deutsche übertragene Dialog des französischen Dichters Paul Valéry ist ein brillantes Spiel - ein Spiel mit der Form der platonischen Dialoge, ein Spiel mit der Philosophie Platons, die vom Kopf auf die Füße gestellt wird, ein Spiel mit der Philosophie seit Platon, soweit sie den Menschen von einem unendlichen anstatt von seinem endlichen Leben her dachte, ein Spiel mit der Ästhetik, in dem das Schöne einen triumphalen Auftritt inmitten des Vergänglichen erhält, vor allem aber: ein Spiel mit den Künsten, die hier in der Theorie schon so durcheinandergewirbelt werden, wie es kurz darauf in der wirklichen Welt geschah.

BIOLOGIE.

Jürgen Bereiter-Hahn Professor für Zellbiologie und Vizepräsident der Universität Frankfurt.

N. A. Campbell: Biologie, Spektrum Verlag.

Dieses Buch behandelt die gesamte Biologie in einer leicht verständlichen Weise und kann all denen helfen, die sich bisher kaum mit biologischen Fragestellungen beschäftigt haben. Es stellt also eine sehr basale Einführung da.

Gerald Karp: Molekulare Zellbiologie, Springer Verlag, 4. Auflage 2005.

In diesem Buch ist eine glückliche Balance gelungen zwischen Übersichtlichkeit und guter Lesbarkeit einerseits und dem Detailreichtum in der Darstellung. Es wird auch sehr stark auf die Wege eingegangen, die zu einer bestimmten Erkenntnis geführt haben, und deren Bedeutung zum Beispiel im Rahmen von Krankheiten behandelt. Das Buch enthält sehr gute Abbildungen, die zum Teil "Cutting edge"-Forschungsarbeiten entnommen sind.

THEOLOGIE.

Bernd Trocholepczy Dekan des Fachbereichs Katholische Theologie an der Universität Frankfurt.

Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.): Einführung in das Christentum, Vorlesungen über das apostolische Glaubensbekenntnis, Kösel, München.

Es waren stürmische Jahre, als ich mein Theologie-Studium mit großem ökumenischen Interesse begonnen habe: Das Konzil war zu Ende, und die Diskussion um gesellschaftliche Umbrüche "tobte". Als ich das 1968 erschienene Buch eines Theologen jetzt wieder in die Hand nahm, fand ich viele Ausrufungszeichen, Fragezeichen und Unterstreichungen. Sie sind ziemlich verblichen. Das Buch hatte ich auch gekauft, weil ich wußte, daß dieser Professor, der seit 1966 in Tübingen Dogmatik lehrte, an diese Fakultät wohl nicht ganz ohne Zutun von Hans Küng berufen worden war. Wer das Buch jetzt in die Hand nimmt, wird andere Markierungen vornehmen. Mir hat es damals geholfen, trotz vieler Fragen ein Theologiestudium aufzunehmen - auch weil ich hier intellektuelle Offenheit, Weite und herausfordernde Perspektiven fand.

WIRTSCHAFT.

Ulrich Hommel Professor für Finanzwirtschaft und Rektor der European Business School.

M. Amram, N. Kulatilaka, Real Options: Managing Strategic Investment in an Uncertain World, Boston, MA: Harvard Business School Press, 1999.

Erfolgreiche Manager verfügen über eine wichtige Fähigkeit: Sie steigern den Wert ihres Unternehmens kontinuierlich dadurch, daß sie wirtschaftliche Risiken eingehen. Während landläufig der Risikobegriff eher negativ besetzt ist, entwickeln Amram und Kulatilaka einen überzeugenden Handlungsrahmen für die systematische und methodisch sauber fundierte Wahrnehmung von unternehmerischen Wachstumschancen. Durch die anschauliche Verknüpfung von Unternehmensstrategie und Investitionsbewertung erfährt der Leser, wie man diese Chancen nutzen kann, um neue Märkte erfolgreich zu erschließen. Die Lektüre lohnt sich!

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