Inge Müller greift in ihren Gedichten auf außerordentlich direkte, dabei hochpoetische Weise die Erlebnisse der Stunde Null, die Erschütterungen durch den Zweiten Weltkriegs auf. Heute, da man sich mit der Generation, die in dieser Zeit jung war, und den Folgen ihrer Traumatisierungen befasst, wirken diese Gedichte unmittelbar, verblüffend. Ihre Gedichte über Liebe und Einsamkeit sind zeitlos packend, voller Zärtlichkeit und Wut. ie Schauspielerin Blanche Kommerell (geb. 195o in Halle/Saale) schrieb 1989 einen Essay über die Dichterin Inge Müller (1925-1966), die zu dieser Zeit nur wenigen Menschen bekannt war, und wenn, oft nur als Frau des Dramatikers Heiner Müller. Dabei hatte sie an seinen Stücken mitgearbeitet und selbst Theaterstücke, Kinderbücher und Radioarbeiten verfasst - und vor allem Gedichte. Warum nahm Inge Müller sich 1966 das Leben? Was war der Treibstoff ihres Schreibens? In knappen Worten verknüpft Blanche Kommerell Fakten mit den Gedichten, öffnet Assoziationen, auch mit eigenen Erinnerungen- etwa an ihre Kindheit im Theater und im Arbeiterviertel Berlin-Lichtenberg. Auch wenn inzwischen Publikationen z.B. von Ines Geipel und Sonja Hinzinger über Inge Müller neue Informationen und Texte bekannt gemacht haben, bleibt Blanche Kommerells Zugang einzigartig. Sie befragte - als allererste damals - den Dramatiker Heiner Müller nach dem Leben mit Inge Müller, die immer wieder versuchte sich das Leben zu nehmen. Die hinreißend intensiv war, jedoch stets gefährdet. Müller antwortete Blanche Kommerells direkten Fragen mit entwaffnender Offenheit. Der Essay und das Gespräch sind in ihrer verdichteten Knappheit ein ausgezeichneter Einstieg, um die Lyrikerin Inge Müller kennenzulernen - und über einige Lebensfragen nachzudenken. Darüber hinaus sind sie ein eindrucksvolles Zeitdokument: Der Umbruch des Wendejahres 1989 ist in jeder Zeile spürbar.