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In den 1920er Jahren wünschten sich die katholischen Bürger Darmstadts ein katholisches Frauen- und Kinderkrankenhaus. Die Mainzer Schwestern von der Göttlichen Vorsehung erhielten den Zuschlag, erwarben die Goebel’sche Villa – das ‚Haus am Forellenteich‘ – fügten einen großen Anbau hinzu und eröffneten 1930 das Marienhospital. Das Hospital funktionierte jahrzehntelang wirtschaftlich, weil niedergelassene Ärzte dort ihre Patienten selbst behandelten und nahezu alle Funktionsstellen von den für „Gotteslohn“ arbeitenden Schwestern besetzt wurden. Aber zuletzt fehlte der Nachwuchs und es mussten…mehr

Produktbeschreibung
In den 1920er Jahren wünschten sich die katholischen Bürger Darmstadts ein katholisches Frauen- und Kinderkrankenhaus. Die Mainzer Schwestern von der Göttlichen Vorsehung erhielten den Zuschlag, erwarben die Goebel’sche Villa – das ‚Haus am Forellenteich‘ – fügten einen großen Anbau hinzu und eröffneten 1930 das Marienhospital. Das Hospital funktionierte jahrzehntelang wirtschaftlich, weil niedergelassene Ärzte dort ihre Patienten selbst behandelten und nahezu alle Funktionsstellen von den für „Gotteslohn“ arbeitenden Schwestern besetzt wurden. Aber zuletzt fehlte der Nachwuchs und es mussten immer mehr bezahlte Kräfte eingestellt werden. Schließlich waren die Kosten nicht mehr zu tragen. So kam es 2015 zum Verkauf an die Klinikum Darmstadt GmbH. Neue Strukturen sollen zukünftig wieder wirtschaftliches Arbeiten ermöglichen. Das Buch zeichnet die Geschichte des Marienhospitals und der dort arbeitenden Personen von seiner Gründung bis zur Gegenwart nach. Es soll insbesondere die Erinnerung wachhalten an den Fleiß, die Hingabe und unermüdliche Schaffenskraft der frommen Frauen, die ein christliches Krankenhaus bauten und 80 Jahre vorbildlich führten. Immo
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2015

Von Eberstadt aus in die Gaskammer

Am Darmstädter Klinikum erinnert jetzt eine Gedenktafel an die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns. Rund 300 Bewohner des ehemaligen Pflegeheims auf dem Klinikgelände wurden ermordet.

h.r. DARMSTADT. Die Tage der Außenstelle des städtischen Klinikums in Darmstadt-Eberstadt sind gezählt, weil die dortigen Abteilungen in den nächsten drei, vier Jahren an den zentralen Klinikstandort in der Innenstadt verlegt werden. Gestern wurde dennoch an der Eingangspforte eine kleine, aber bedeutende bauliche Änderung vorgenommen: Das Gebäude erhielt eine Gedenktafel. Dass es sich bei deren Enthüllung um ein für Darmstadt wichtiges Ereignis handelte, machte die Anwesenheit von Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid (Die Grünen), Klinikdezernent André Schellenberg (CDU) und des Leitenden Ärztlichen Direktors Gerald Baier deutlich. Zusammen mit Immo Grimm enthüllt sie eine Metalltafel mit der Überschrift "Gegen das Vergessen".

Grimm hat früher als Leitender Oberarzt der Hauptklinik in Eberstadt gearbeitet. Seinen Recherchen und dem in Zusammenarbeit mit Ruth Reichardt verfassten Buch "Ins Licht gerückt" ist es zu verdanken, dass die dunkle Seite der Geschichte der früheren Provinzial-Pflegeanstalt Eberstadt vor einiger Zeit ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung gerückt wurde. Nun soll auch die Tafel, sagte Grimm gestern, an das schreckliche Schicksal der 80 mit Namen bekannten und an die 220 unbekannten Pflegefälle des ehemaligen staatlichen Altenheims erinnern, die dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Stadt, Regierungspräsidium und Klinik hätten seinen Wunsch des Gedenkens auf unbürokratische Art unterstützt und es möglich gemacht, die Tafel anzubringen. Wie Baier hervorhob, habe es eine Verpflichtung dazu nicht gegeben, da das Klinikum nicht Rechtsnachfolger der Pflegeanstalt sei. "Wir wollen uns aber der Geschichte stellen."

Die Enthüllung der Bronzetafel setzt den Schlusspunkt einer Geschichte, die 30 Jahre nach der Eröffnung der Gebäude durch die Großherzogliche Provinzialdirektion von Starkenburg begann. Bis dahin hatten die Bewohner des Pflegeheims, alles alte, arme und körperlich oder geistig behinderte Menschen, friedlich in Eberstadt gelebt. Nachdem 1933 die Gesetze zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses und zum "Schutz des deutschen Blutes" erlassen worden waren, begann zunächst die Sterilisierung von Insassen. Etwa 30 Prozent wurden im Stadtkrankenhaus Darmstadts nach einer Entscheidung des "Erbgesundheitsgerichts" unfruchtbar gemacht.

1940 folgte die nächste Stufe der unmenschlichen Rassenhygiene, die Grimm rekonstruieren konnte, nachdem er in alten Klinikordnern auf die entsprechenden Akten gestoßen war. Zunächst wurde eine Frau über Gießen in die Heilanstalt von Brandenburg gebracht, wo die ersten Versuche zur Tötung von Menschen mit Kohlenmonoxid stattfanden. 1941 starben in der Gaskammer von Hadamar drei geistig behinderte Heimbewohner jüdischen Glaubens. 77 anderen Schwerstbehinderten stand kurz darauf das gleiche Schicksal bevor. Auch sie starben im Kriegsjahr 1941, in dem das Pflegeheim zum Lazarett umfunktioniert wurde, in Hadamar. Der älteste Bewohner war nach den Recherchen Grimms 76 Jahre alt, der jüngste 26.

In der Tötungsanstalt in Mittelhessen wurden zwischen 1941 und 1945 etwa 14 500 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ermordet. Über die Verbrechen wurde stets genau Buch geführt, auch über die Opfer aus Eberstadt, die alle aus der Umgebung von Darmstadt stammten.

Grimm hat in seinem Buch auch beschrieben, was mit den übrigen Heimbewohnern geschah. Von den 500 "Pfleglingen", die 1939 registriert waren, starben etwa 100 eines natürlichen Todes. Ebenso viele wurden als "arbeitsfähig" eingestuft und von 1941 an auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt, um zur Versorgung der mehr als 1100 Verwundeten beizutragen, die in Eberstadt untergebracht waren. 80 starben in Hadamar. 220 Menschen wurden "verlegt in andere Anstalten". Nach den Unterlagen aus dem Opferarchiv in Hadamar bedeutet dies, dass sie zunächst in die Heppenheimer Klinik gebracht wurden und von dort in die psychiatrischen Kliniken von Weilmünster und Eichberg, um "bei passender Verbrennungskapazität von Hadamar abgerufen" zu werden, wie Grimm schreibt.

Mit den 220 Heimbewohnern aus Eberstadt ist das allerdings nicht mehr geschehen. Dass sie in Weilmünster und Eichberg im Rheingau überlebten, erscheint Grimm aber unwahrscheinlich. Auch diese beiden Kliniken seien an der reichsweiten Mordaktion beteiligt gewesen, die Todesrate habe wegen Mangelernährung, unterlassener Pflege und überdosierter Medikamente bei fast 50 Prozent gelegen. Nach Kriegsende sei von den 220 Menschen niemand mehr nach Eberstadt zurückgekehrt: "Sie sind dem Rassenwahn des Naziregimes zum Opfer gefallen."

Unter dem Titel "Barmherzigkeit und Rassenwahn" hält Grimm am Montag um 19 Uhr im Ernst-Ludwig-Saal in Eberstadt einen Vortrag zur Geschichte der Provinzial-Pflegeanstalt. Die Veranstaltung reiht sich ein in das am Dienstag von Oberbürgermeister Jochen Partsch eröffnete "Darmstädter Gedenkjahr 2015".

Das Buch "Ins Licht gerückt" ist im Justus-von-Liebig-Verlag für 14,80 Euro erschienen.

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