Inselvorstellungen und damit verknüpfte utopische, exotische, idyllische und erotische Assoziationen spielen in der Literatur- und Kunstgeschichte ebenso wie in der Sprach- und Alltagspraxis eine außerordentliche Rolle. Das vorliegende Buch ist nicht nur ein Streifzug durch die Geschichte der Inselphantasien, es zeigt und erklärt auch unsere auf Inseln gerichteten Projektionen und ihre Verflechtung mit epochalen Diskursen und Diskursverschiebungen. Der Autor geht den Verwandlungen, Transformationen und immer neuen Lesarten insularer Phantasien nach. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welche historischen Zuschreibungen an Inseln und welche spezifischen Konstellationen des modernen Denkens sich in der bis auf den heutigen Tag anhaltenden Inselfaszination begegnen. Volkmar Billig hat die erste umfassende Monographie zu einer allgegenwärtigen Faszination geschrieben: eine Reise durch Zeiten und Welten.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2011Inselüberschuss
Die Insel ist ein Fluchtpunkt der Phantasie. Dem zivilisierten Bewusstsein dient sie als Sehnsuchtsort, auf den es seine Bedürfnisse nach Überschaubarkeit, Ursprünglichkeit und Vollkommenheit projiziert. Politische Utopien, erotische Phantasien und anthropologische Reflexion haben hier ihren lokalen Anker. Von da ist der Schritt zur Daseinsmetapher nicht weit. Hier liegt auch der Ansatzpunkt für Volkmar Billigs Faszinationsgeschichte der Insel. Billig folgt den Imaginationen, die sich im Wandel der Zeiten und Wissensordnungen an Inseln entzünden. An den Beginn stellt er die Suche nach einem idealen mythischem Ursprungsort, einem verlorenen Garten der Glückseligkeit, der sich mit fortschreitender Welterschließung in ein weltliches Idyll verwandelte, aber seinen fiktionalen Überschuss nie verlor. Mitte des 18. Jahrhunderts schien die literarische Fiktion der glückseligen Insel und die Wirklichkeit eines unbeschwerten Naturdaseins auf dem neu entdeckten Tahiti kurz zur Deckung zu kommen. Doch bald dämmerte das unglückliche Bewusstsein, mit der Entdeckung des glückseligen Paradieses schon seine Zerstörung eingeleitet zu haben. In ihrem leichthändigen Umgang mit einer beeindruckenden Stofffülle hat Billigs Studie etwas von der Verführungskraft ihres Objekts. Ihre Unschärfen liegen dort, wo sie aus Literatur- und Geistesgeschichte heraustritt und die Inselsehnsucht im Spiegel strukturellen Wandels untersucht. Ans Ende der "real" gewordenen insularen Fiktionen setzt Billig den Cyberspace als weitere trughafte Verheißung. Wer hier sein Glück billig gefunden zu haben meint, sitzt einer Utopie für Geringverdiener auf; während der Privatinselbesitzer das reale Glück seines profanen Eden genießen darf. (Volkmar Billig: "Inseln". Geschichte einer Faszination. Matthes & Seitz, Berlin 2010. 304 S., geb., 29,90 [Euro].) thom
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Insel ist ein Fluchtpunkt der Phantasie. Dem zivilisierten Bewusstsein dient sie als Sehnsuchtsort, auf den es seine Bedürfnisse nach Überschaubarkeit, Ursprünglichkeit und Vollkommenheit projiziert. Politische Utopien, erotische Phantasien und anthropologische Reflexion haben hier ihren lokalen Anker. Von da ist der Schritt zur Daseinsmetapher nicht weit. Hier liegt auch der Ansatzpunkt für Volkmar Billigs Faszinationsgeschichte der Insel. Billig folgt den Imaginationen, die sich im Wandel der Zeiten und Wissensordnungen an Inseln entzünden. An den Beginn stellt er die Suche nach einem idealen mythischem Ursprungsort, einem verlorenen Garten der Glückseligkeit, der sich mit fortschreitender Welterschließung in ein weltliches Idyll verwandelte, aber seinen fiktionalen Überschuss nie verlor. Mitte des 18. Jahrhunderts schien die literarische Fiktion der glückseligen Insel und die Wirklichkeit eines unbeschwerten Naturdaseins auf dem neu entdeckten Tahiti kurz zur Deckung zu kommen. Doch bald dämmerte das unglückliche Bewusstsein, mit der Entdeckung des glückseligen Paradieses schon seine Zerstörung eingeleitet zu haben. In ihrem leichthändigen Umgang mit einer beeindruckenden Stofffülle hat Billigs Studie etwas von der Verführungskraft ihres Objekts. Ihre Unschärfen liegen dort, wo sie aus Literatur- und Geistesgeschichte heraustritt und die Inselsehnsucht im Spiegel strukturellen Wandels untersucht. Ans Ende der "real" gewordenen insularen Fiktionen setzt Billig den Cyberspace als weitere trughafte Verheißung. Wer hier sein Glück billig gefunden zu haben meint, sitzt einer Utopie für Geringverdiener auf; während der Privatinselbesitzer das reale Glück seines profanen Eden genießen darf. (Volkmar Billig: "Inseln". Geschichte einer Faszination. Matthes & Seitz, Berlin 2010. 304 S., geb., 29,90 [Euro].) thom
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erhellend findet Rezensentin Andrina Beuggert diese Monografie über Inselvorstellungen und ihre Faszination von Volkmar Billing. Sie attestiert dem Autor eine kenntnisreiche Untersuchung von Inselbildern und -vorstellungen von mythischen Ursprüngen über das 18. Jahrhundert bis in die Moderne. Exemplarisch nennt sie die Ausführungen über Tahiti, das im 18. Jahrhundert für die Europäer zum Sinnbild des Naturzustandes und mit der eingeschleppten Syphilis schließlich zum "verloren Paradies" wurde. Insgesamt scheint Beuggert sehr zufrieden mit dem Werk, hätte sich aber einen ausgeprägteren Bezug zur Kultur- und Technikgeschichte gewünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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