Es geht um ein selbst nach heutigen Maßstäben beeindruckendes Bauvorhaben: 1488 beschloss Venedig in Reaktion auf die drohende Verlandung der Stadt, die größten der in die Lagune einmündenden Flüsse in die Adria umzuleiten - eine fatale Entscheidung, deren Folgen bis in die Gegenwart nachwirken. Wurde dieses Bauprogramm unlängst noch als Ausdruck einer »klug balancierten Umweltpolitik im modernen Sinne« interpretiert, zeigt die vorliegende Studie, dass es sich dabei vor allem um eine obrigkeitliche Strategie handelte. Das Flussumleitungsprojekt zielte darauf, ein Anwachsen der »Inselstadt« an den Kontinent zu verhindern und so Venedigs urbane Alterität zu erhalten. Auf diese Weise sollte jene topographische Situation dauerhaft etabliert werden, die als »Mythos von Venedig« von der venezianischen Aristokratie beschworen wurde. Damit aber wurden die Gewässer der Lagune ebenso wie das zeitgleich durch Reiseführer und Stadtveduten verbreitete Wissen um Venedigs Insularität zu Medien der Herrschaftsideologie des Patriziats. Von da an war Venedig kaum mehr anders vorstellbar denn als Inselstadt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007Einfach mal hinfahren!
So leicht ist Venedig nicht zu entzaubern: Christian Mathieu gondelt im Konjunktiv durch die Lagunenstadt / Von Dirk Schümer
Warum liegt Venedig eigentlich im Wasser? Die Frage, um die es Christian Mathieu in seinem Werk über die "Inselstadt" geht, ist weniger absurd, als es auf den ersten Blick scheint. Seit Jahrhunderten weiß jeder Reiseschriftsteller und Touristenführer, dass Venedig nicht einfach auf ein paar Sandinseln ins Lagunenwasser gebaut wurde, sondern dass die Venezianer mit einer ausgeklügelten Politik des Ausbaggerns, Aufstauens, Aufschüttens, Kanalisierens und Eindeichens die amphibische Umwelt ihrer Siedlung selbst geschaffen und vor allem die Lagune vor der natürlichen Verlandung bewahrt haben.
Hier setzt Mathieu an und fragt: Wieso hätte ein Venedig in der verlandeten Lagune, mit einem Schifffahrtskanal zur Adria nicht als Handelsstadt fortexistieren können? Beraubte die Ideologie der Wassersiedlung die Unterschichten nicht des Wohnraums? Hätte eine verlandete Lagune nicht reichlich fruchtbaren Boden bereitgestellt und den kostspieligen Getreide-Import erübrigt? Für die panische Furcht der venezianischen Oberklasse vor dem Verlanden, vor dem als giftige und teuflische Bedrohung verschrieenen Flusswasser hat der Autor regelrecht Spott übrig. Solange es bei der Deutung der gemachten Umwelt Venedigs und den zugrunde liegenden Debatten bleibt, ist das durchaus interessant und facettenreich, wenn auch nicht unbedingt neu. Mathieu kann eine Obsession schildern, eine stolze Ideologie, mit welcher sich die Venezianer die Verlandung vom Halse hielten - bei allen schiefgelaufenen Kanal- und Deichprojekten, bei manchem Vor und Zurück der Umleitungen am Ende durchaus erfolgreich, wie sich heute in der Salzwasserlagune, die den Gezeiten unterliegt, besichtigen lässt. Venedig ist eben nicht verlandet, nicht versunken und nicht von den Fluten verschlungen worden und so zum unvergleichlichen Sehnsuchtsort der Menschheit, zum beliebtesten Reiseziel Europas geworden.
Mathieus Argumentation wird allerdings sonderbar, sobald er dieses Faktum als bloßen "Venedig-Mythos" abtut. Reisende vom Mittelalter bis heute, die das Wunder einer Stadt im Wasser nicht genug preisen können und mit keinem Ort der Welt Parallelen ziehen, sind für unseren Historiker unoriginelle Nachäffer eines Herrschaftsdiskurses, die ein "von Menschenhand geschaffenes Artefakt" nicht gründlich zu "demaskieren" verstehen. Hier verschwimmen - ähnlich wie bei einem "aqua alta" See und Land - der Diskurs und die reale Geographie, die der mit Foucault geschulte Historiker leichthin als "mediale Konstruktion von Raum abtut". Doch wenn Kupferstiche und Gemälde Venedig in den Fluten darstellten, wenn Reisende aus der Gondel heraus schwärmten, so zeigten sie eben keinen Mythos, sondern eine wirkliche Inselstadt - mochte sie auch durch raffinierte Propaganda und Generationen währende Hydraulik zustande gekommen sein.
Mathieu verrennt sich so sehr in seiner fixen Idee, Venedig müsse in der "Künstlichkeit seines Stadtraums" (als gäbe es einen natürlichen Stadtraum) eigentlich längst verlandet sein, dass nur mäkelnde Autoren vor seinem Blick bestehen, die das genauso sehen. So preist er als "Dekonstruktivisten" den griesgrämigen Hugenotten F. M. Misson, der im frühen achtzehnten Jahrhundert alle Kanäle im Geiste zuschüttete und Mathieus erklärtem Ziel zuvorkam: "Venedig seiner topographischen Singularität entkleiden".
Fragt sich nur, was einen Historiker, der doch über Geschichte - sei es von Staaten oder Diskursen - und nicht über persönliche Traumvorstellungen forscht, zu solcher Wirklichkeitsverweigerung treibt. Venedig war und ist nun einmal einzig. Mathieu aber meint, dass "das diskursiv verschärfte Bedrohungsszenario der Verlandung der Lagune die Interessen oder eher die Ängste der venezianischen Aristokratie reflektiert. Warum sollte der ,gemeine Mann' den Verlust der staatlichen Souveränität im Gefolge des Verschwindens der Lagune überhaupt fürchten, war er doch unter der Markusrepublik politisch völlig machtlos?"
Hier rudert Mathieu in hoch spekulatives Gewässer, wissen wir doch überhaupt nicht, was der "gemeine Mann" um 1600 zur Verlandung der Lagune gesagt hätte. Politische Machtlosigkeit wäre wohl auch in allen anderen Staatsformen jener Zeit das Schicksal der Unterklasse gewesen. Mathieu möchte nun aber partout die Lagune in Frage stellen, um - man kann kein anderes Motiv finden - das verhasste Venedig der Gondeln wenigstens diskursiv zu vernichten. Das immerhin ist für einen Historiker eine kuriose Leistung - so als würde eine Arbeit der Amerikanistik das heutige Imperium der Vereinigten Staaten zum bloßen Mythos erklären, weil Kolumbus zum Wohle seiner Matrosen und der Indianer 1492 besser umgekehrt wäre.
Einer Konjunktiv-Historiographie, die sich auf solche rückwirkenden Bereinigungen des Laufs der Geschichte einlässt, droht das Verdikt der Lächerlichkeit. Mag ja sein, dass Venedig auch ganz anders aussehen könnte, dass es bombardiert, von einem Tsunami weggespült oder eben zugeschüttet hätte werden können - doch all das geschah nicht und kann deswegen nicht zum Gegenstand der Geschichtsschreibung werden.
Und um im vagen Jargon der Diskursgeschichte zu bleiben: Warum lässt Mathieu, der die Unterjochung der venezianischen Unterschicht qua Verlandung beenden will, alle altbekannten Argumente zugunsten der Lagune weg: Die Verteidigung durchs Wasser ersparte Venedig bis 1797 Stadtmauer, Belagerungen und Eroberungen. War das ein realer Vorteil oder ein Mythos? Was ist mit den Gezeiten als Kanalisation, was mit dem bequemen Transport per Gondel, die aus Venedig eine der saubersten und bequemsten Städte vor der Moderne machten? Und warum hat Mathieu kein Auge für die ungezählten ästhetischen Lobpreisungen einer Siedlung, die auf dem tödlichen Grat zwischen Verlandung und Überschwemmung sich wie ein Weltwunder aus den Fluten erhebt? Könnte es gestattet sein, dass die Venezianer - ob Ober- oder Unterklasse - an ebendieser uniquen Lebensform, an der herrlichen Architektur ihrer Stadt hingen und nicht werden wollten wie alle anderen?
In der historiographischen Geisterfahrt gegen sein Studienobjekt verliert Mathieu sein umwelthistorisches Thema des Wasserbaus gänzlich aus den Augen und lässt lieber Stimmen, denen Venedigs Insellage gleichfalls verhasst war, ausführlich zu Wort kommen: den auf Bauspekulation und Generalabriss erpichten Senator Pietro Manfrin im neunzehnten Jahrhundert; die von der Historie angeekelten Futuristen um den wirren Seher Marinetti; die Autoren der französischen Décadence, auf deren edelfaule Einbildung Venedig nur als stinkender, dem Untergang geweihter Miasmenpfuhl wirkte.
Doch haben sich solche Visionen in Venedig eben nicht durchsetzen lassen, wenn das auch unserem übereifrigen Historiker ein Dorn im Auge ist. Er schlussfolgert nämlich: "Warum sollte eine ,Venezia possibile' nicht auch als festländisches Venedig denkbar sein?" Mit dieser Hoffnung steht Mathieu zwar ziemlich allein, doch ist es ihm immerhin gelungen, seine diskursive Trockenlegung, die als literarische Spinnerei im Konjunktiv vielleicht einen gewissen Reiz entfaltet hätte, als wissenschaftliche Arbeit unterzubringen.
Das Beruhigende an einer solchen Diskursblase, die den Lauf der Geschichte ex post umschreiben und das eigene Studienobjekt am liebsten zerstören würde: Es handelt sich nur um einen Albtraum; wenn man das Buch zuklappt, ist er vorbei. Und sogar Christian Mathieu könnte jederzeit zum Besuch seines "Mythos Venedig" losfahren. Da darf man ruhig schimpfen und alternative Modelle preisen und von 1488 an rückwirkend die Lagune trockenlegen. Diese unfassbar schöne Stadt, es gibt sie, den Venezianern sei Dank, wirklich!
Christian Mathieu: "Inselstadt Venedig". Umweltgeschichte eines Mythos in der Frühen Neuzeit. Böhlau Verlag, Köln 2007. 292 S., Abb., geb., 44,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So leicht ist Venedig nicht zu entzaubern: Christian Mathieu gondelt im Konjunktiv durch die Lagunenstadt / Von Dirk Schümer
Warum liegt Venedig eigentlich im Wasser? Die Frage, um die es Christian Mathieu in seinem Werk über die "Inselstadt" geht, ist weniger absurd, als es auf den ersten Blick scheint. Seit Jahrhunderten weiß jeder Reiseschriftsteller und Touristenführer, dass Venedig nicht einfach auf ein paar Sandinseln ins Lagunenwasser gebaut wurde, sondern dass die Venezianer mit einer ausgeklügelten Politik des Ausbaggerns, Aufstauens, Aufschüttens, Kanalisierens und Eindeichens die amphibische Umwelt ihrer Siedlung selbst geschaffen und vor allem die Lagune vor der natürlichen Verlandung bewahrt haben.
Hier setzt Mathieu an und fragt: Wieso hätte ein Venedig in der verlandeten Lagune, mit einem Schifffahrtskanal zur Adria nicht als Handelsstadt fortexistieren können? Beraubte die Ideologie der Wassersiedlung die Unterschichten nicht des Wohnraums? Hätte eine verlandete Lagune nicht reichlich fruchtbaren Boden bereitgestellt und den kostspieligen Getreide-Import erübrigt? Für die panische Furcht der venezianischen Oberklasse vor dem Verlanden, vor dem als giftige und teuflische Bedrohung verschrieenen Flusswasser hat der Autor regelrecht Spott übrig. Solange es bei der Deutung der gemachten Umwelt Venedigs und den zugrunde liegenden Debatten bleibt, ist das durchaus interessant und facettenreich, wenn auch nicht unbedingt neu. Mathieu kann eine Obsession schildern, eine stolze Ideologie, mit welcher sich die Venezianer die Verlandung vom Halse hielten - bei allen schiefgelaufenen Kanal- und Deichprojekten, bei manchem Vor und Zurück der Umleitungen am Ende durchaus erfolgreich, wie sich heute in der Salzwasserlagune, die den Gezeiten unterliegt, besichtigen lässt. Venedig ist eben nicht verlandet, nicht versunken und nicht von den Fluten verschlungen worden und so zum unvergleichlichen Sehnsuchtsort der Menschheit, zum beliebtesten Reiseziel Europas geworden.
Mathieus Argumentation wird allerdings sonderbar, sobald er dieses Faktum als bloßen "Venedig-Mythos" abtut. Reisende vom Mittelalter bis heute, die das Wunder einer Stadt im Wasser nicht genug preisen können und mit keinem Ort der Welt Parallelen ziehen, sind für unseren Historiker unoriginelle Nachäffer eines Herrschaftsdiskurses, die ein "von Menschenhand geschaffenes Artefakt" nicht gründlich zu "demaskieren" verstehen. Hier verschwimmen - ähnlich wie bei einem "aqua alta" See und Land - der Diskurs und die reale Geographie, die der mit Foucault geschulte Historiker leichthin als "mediale Konstruktion von Raum abtut". Doch wenn Kupferstiche und Gemälde Venedig in den Fluten darstellten, wenn Reisende aus der Gondel heraus schwärmten, so zeigten sie eben keinen Mythos, sondern eine wirkliche Inselstadt - mochte sie auch durch raffinierte Propaganda und Generationen währende Hydraulik zustande gekommen sein.
Mathieu verrennt sich so sehr in seiner fixen Idee, Venedig müsse in der "Künstlichkeit seines Stadtraums" (als gäbe es einen natürlichen Stadtraum) eigentlich längst verlandet sein, dass nur mäkelnde Autoren vor seinem Blick bestehen, die das genauso sehen. So preist er als "Dekonstruktivisten" den griesgrämigen Hugenotten F. M. Misson, der im frühen achtzehnten Jahrhundert alle Kanäle im Geiste zuschüttete und Mathieus erklärtem Ziel zuvorkam: "Venedig seiner topographischen Singularität entkleiden".
Fragt sich nur, was einen Historiker, der doch über Geschichte - sei es von Staaten oder Diskursen - und nicht über persönliche Traumvorstellungen forscht, zu solcher Wirklichkeitsverweigerung treibt. Venedig war und ist nun einmal einzig. Mathieu aber meint, dass "das diskursiv verschärfte Bedrohungsszenario der Verlandung der Lagune die Interessen oder eher die Ängste der venezianischen Aristokratie reflektiert. Warum sollte der ,gemeine Mann' den Verlust der staatlichen Souveränität im Gefolge des Verschwindens der Lagune überhaupt fürchten, war er doch unter der Markusrepublik politisch völlig machtlos?"
Hier rudert Mathieu in hoch spekulatives Gewässer, wissen wir doch überhaupt nicht, was der "gemeine Mann" um 1600 zur Verlandung der Lagune gesagt hätte. Politische Machtlosigkeit wäre wohl auch in allen anderen Staatsformen jener Zeit das Schicksal der Unterklasse gewesen. Mathieu möchte nun aber partout die Lagune in Frage stellen, um - man kann kein anderes Motiv finden - das verhasste Venedig der Gondeln wenigstens diskursiv zu vernichten. Das immerhin ist für einen Historiker eine kuriose Leistung - so als würde eine Arbeit der Amerikanistik das heutige Imperium der Vereinigten Staaten zum bloßen Mythos erklären, weil Kolumbus zum Wohle seiner Matrosen und der Indianer 1492 besser umgekehrt wäre.
Einer Konjunktiv-Historiographie, die sich auf solche rückwirkenden Bereinigungen des Laufs der Geschichte einlässt, droht das Verdikt der Lächerlichkeit. Mag ja sein, dass Venedig auch ganz anders aussehen könnte, dass es bombardiert, von einem Tsunami weggespült oder eben zugeschüttet hätte werden können - doch all das geschah nicht und kann deswegen nicht zum Gegenstand der Geschichtsschreibung werden.
Und um im vagen Jargon der Diskursgeschichte zu bleiben: Warum lässt Mathieu, der die Unterjochung der venezianischen Unterschicht qua Verlandung beenden will, alle altbekannten Argumente zugunsten der Lagune weg: Die Verteidigung durchs Wasser ersparte Venedig bis 1797 Stadtmauer, Belagerungen und Eroberungen. War das ein realer Vorteil oder ein Mythos? Was ist mit den Gezeiten als Kanalisation, was mit dem bequemen Transport per Gondel, die aus Venedig eine der saubersten und bequemsten Städte vor der Moderne machten? Und warum hat Mathieu kein Auge für die ungezählten ästhetischen Lobpreisungen einer Siedlung, die auf dem tödlichen Grat zwischen Verlandung und Überschwemmung sich wie ein Weltwunder aus den Fluten erhebt? Könnte es gestattet sein, dass die Venezianer - ob Ober- oder Unterklasse - an ebendieser uniquen Lebensform, an der herrlichen Architektur ihrer Stadt hingen und nicht werden wollten wie alle anderen?
In der historiographischen Geisterfahrt gegen sein Studienobjekt verliert Mathieu sein umwelthistorisches Thema des Wasserbaus gänzlich aus den Augen und lässt lieber Stimmen, denen Venedigs Insellage gleichfalls verhasst war, ausführlich zu Wort kommen: den auf Bauspekulation und Generalabriss erpichten Senator Pietro Manfrin im neunzehnten Jahrhundert; die von der Historie angeekelten Futuristen um den wirren Seher Marinetti; die Autoren der französischen Décadence, auf deren edelfaule Einbildung Venedig nur als stinkender, dem Untergang geweihter Miasmenpfuhl wirkte.
Doch haben sich solche Visionen in Venedig eben nicht durchsetzen lassen, wenn das auch unserem übereifrigen Historiker ein Dorn im Auge ist. Er schlussfolgert nämlich: "Warum sollte eine ,Venezia possibile' nicht auch als festländisches Venedig denkbar sein?" Mit dieser Hoffnung steht Mathieu zwar ziemlich allein, doch ist es ihm immerhin gelungen, seine diskursive Trockenlegung, die als literarische Spinnerei im Konjunktiv vielleicht einen gewissen Reiz entfaltet hätte, als wissenschaftliche Arbeit unterzubringen.
Das Beruhigende an einer solchen Diskursblase, die den Lauf der Geschichte ex post umschreiben und das eigene Studienobjekt am liebsten zerstören würde: Es handelt sich nur um einen Albtraum; wenn man das Buch zuklappt, ist er vorbei. Und sogar Christian Mathieu könnte jederzeit zum Besuch seines "Mythos Venedig" losfahren. Da darf man ruhig schimpfen und alternative Modelle preisen und von 1488 an rückwirkend die Lagune trockenlegen. Diese unfassbar schöne Stadt, es gibt sie, den Venezianern sei Dank, wirklich!
Christian Mathieu: "Inselstadt Venedig". Umweltgeschichte eines Mythos in der Frühen Neuzeit. Böhlau Verlag, Köln 2007. 292 S., Abb., geb., 44,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für ein wirklich seltsames, wenn nicht bizarres Unterfangen hält Rezensent Dirk Schümer dieses unter der Flagge der historischen Wissenschaft segelnde Buch. Anders als in der Zunft üblich gehe es dem Autor Christian Mathieu nicht um die Dinge, wie sie wirklich geschehen sind, sondern darum, wie sie besser gelaufen wären. Im konkreten Fall heißt das: Er beschreibt nicht die wahre Geschichte Venedigs, sondern stellt sich eine Gegengeschichte eines verlandeten Venedig vor. Venedig wie es ist, als Lagune und mit Kanälen bringt er nichts als Abscheu entgegen, staunt Schümer. Gewiss, da habe Mathieu schon recht, Venedig als Wasserstadt ist das Produkt massiver hydraulischer und sonstiger Maßnahmen. Nur nehme das doch dem "Mythos" Venedig überhaupt nichts von seiner Realität. Man sieht bei der Lektüre dieser Kritik vor sich, wie der Rezensent über das donquixoteske Buch immerzu nur den Kopf schüttelt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH