Jürgen Todenhöfers Report über den IS-Terror
Im Sommer 2014 führte Jürgen Todenhöfer mehrere Monate lang Gespräche mit deutschen Islamisten (via Skype), die sich dem IS-Staat angeschlossen haben. Die Erkenntnisse, die er in diesen Gesprächen gewann, sind mehr als erschreckend und enthüllen die mörderischen Absichten des sogenannten Kalifats, das einen weltweiten Gottesstaat errichten will und dabei auch vor Massenmorden nicht zurückschreckt, selbst unter Muslimen. Nach der Erweiterung Ihres Staates im Nahen Osten, bei der sie die Nachbarstaaten unterwerfen wollen, haben sie Europa und den Westen im Visier.
Im Sommer 2014 führte Jürgen Todenhöfer mehrere Monate lang Gespräche mit deutschen Islamisten (via Skype), die sich dem IS-Staat angeschlossen haben. Die Erkenntnisse, die er in diesen Gesprächen gewann, sind mehr als erschreckend und enthüllen die mörderischen Absichten des sogenannten Kalifats, das einen weltweiten Gottesstaat errichten will und dabei auch vor Massenmorden nicht zurückschreckt, selbst unter Muslimen. Nach der Erweiterung Ihres Staates im Nahen Osten, bei der sie die Nachbarstaaten unterwerfen wollen, haben sie Europa und den Westen im Visier.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2015Mossul, 2014
Jürgen Todenhöfers journalistische Arbeit ist wegen seines Interviews mit dem syrischen Präsidenten Assad und Gesprächen mit Führern der afghanischen Taliban umstritten. Über sich selbst sagt der ehemalige Richter, er habe gelernt, alle Seiten anzuhören. Um mehr über die Ziele und Kämpfer in Erfahrung zu bringen, ist der 74-Jährige als erster nichtmuslimischer, westlicher Journalist in den "Islamischen Staat" gereist, für zehn Tage, nach Rakka und Mossul. Letztlich darf er viel weniger sehen, als vor der Reise abgesprochen, ist unfrei in seinen Recherchen. Trotzdem ist ein eindrucksvolles, bedrückendes, kluges Buch entstanden.
Als er zum ersten Mal auf den 31-jährigen Deutschen Christian - jetzt Abu Qatadah - trifft, der "in der Medienabteilung des IS arbeitet", umarmt dieser den Journalisten aus München, wie es Sitte ist. Doch Todenhöfers Fragen zu Enthauptungen, abgehackten Händen, Sklaverei und Vergewaltigungen, wie diese mit dem Koran zu rechtfertigen seien, versetzen die Terroristen, die doch eigentlich so selbstgewiss davon ausgehen, ihr Weg sei der einzig richtige, mehr und mehr in Rage. So was sei man "hier" nicht gewohnt, versucht ein anderer deutscher IS-Mann zu erklären. Es sei auch "nicht leicht zu verarbeiten, den Feind jeden Tag bei sich zu haben", mit ihm "zu reisen, zu essen, auf demselben Boden zu schlafen".
Todenhöfer beschreibt die irrsinnigen Bemühungen seiner Wächter, einen Staat zu präsentieren, in dem es "ein ganz normales Leben" gebe: Sei es durch die Vorführung von Gefangenen oder den Rundgang durch ein Krankenhaus, in dem selbst junge Männer, die auf ihre Beinprothese warten, in rauschartiger Stimmung beschwören, sofort wieder in den Kampf ziehen zu wollen. Er prangert an, dass "der Westen" aus den innenpolitischen Desastern, die seine Militäroperationen in Afghanistan, im Irak und in Libyen anrichteten, nichts gelernt habe: "Zu Zeiten bin Ladens gab es allenfalls 1000 internationale Terroristen, heute dürften es 100.000 sein. Auch die jetzige amerikanische Bombardierungskoalition wird ihr angebliches Ziel, dem Terrorismus einen tödlichen Schlag zu versetzen, nicht erreichen. Sie wird vor allem wie immer mehr Zivilisten töten." Für den IS sind diese Toten eine Bereicherung. Unter ihren Angehörigen wächst die Bereitschaft, sich den Terroristen anzuschließen. Anschläge in Deutschland sind von IS-Sprecher al-Adnani befohlen.
Während man das Buch liest, gibt es keine Sekunde etwas zu lachen. Jeder, der nicht bereit sei, sich dem IS anzuschließen, werde getötet, erklärt Abu Qatadah im Interview. Und seien es Abermillionen, die ermordet würden. Er lacht dabei. Wie überhaupt sehr viel.
Anne Ameri-Siemens
Jürgen Todenhöfer: "Inside IS - 10 Tage im ,Islamischen Staat'". C. Bertelsmann, 288 Seiten, 17,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jürgen Todenhöfers journalistische Arbeit ist wegen seines Interviews mit dem syrischen Präsidenten Assad und Gesprächen mit Führern der afghanischen Taliban umstritten. Über sich selbst sagt der ehemalige Richter, er habe gelernt, alle Seiten anzuhören. Um mehr über die Ziele und Kämpfer in Erfahrung zu bringen, ist der 74-Jährige als erster nichtmuslimischer, westlicher Journalist in den "Islamischen Staat" gereist, für zehn Tage, nach Rakka und Mossul. Letztlich darf er viel weniger sehen, als vor der Reise abgesprochen, ist unfrei in seinen Recherchen. Trotzdem ist ein eindrucksvolles, bedrückendes, kluges Buch entstanden.
Als er zum ersten Mal auf den 31-jährigen Deutschen Christian - jetzt Abu Qatadah - trifft, der "in der Medienabteilung des IS arbeitet", umarmt dieser den Journalisten aus München, wie es Sitte ist. Doch Todenhöfers Fragen zu Enthauptungen, abgehackten Händen, Sklaverei und Vergewaltigungen, wie diese mit dem Koran zu rechtfertigen seien, versetzen die Terroristen, die doch eigentlich so selbstgewiss davon ausgehen, ihr Weg sei der einzig richtige, mehr und mehr in Rage. So was sei man "hier" nicht gewohnt, versucht ein anderer deutscher IS-Mann zu erklären. Es sei auch "nicht leicht zu verarbeiten, den Feind jeden Tag bei sich zu haben", mit ihm "zu reisen, zu essen, auf demselben Boden zu schlafen".
Todenhöfer beschreibt die irrsinnigen Bemühungen seiner Wächter, einen Staat zu präsentieren, in dem es "ein ganz normales Leben" gebe: Sei es durch die Vorführung von Gefangenen oder den Rundgang durch ein Krankenhaus, in dem selbst junge Männer, die auf ihre Beinprothese warten, in rauschartiger Stimmung beschwören, sofort wieder in den Kampf ziehen zu wollen. Er prangert an, dass "der Westen" aus den innenpolitischen Desastern, die seine Militäroperationen in Afghanistan, im Irak und in Libyen anrichteten, nichts gelernt habe: "Zu Zeiten bin Ladens gab es allenfalls 1000 internationale Terroristen, heute dürften es 100.000 sein. Auch die jetzige amerikanische Bombardierungskoalition wird ihr angebliches Ziel, dem Terrorismus einen tödlichen Schlag zu versetzen, nicht erreichen. Sie wird vor allem wie immer mehr Zivilisten töten." Für den IS sind diese Toten eine Bereicherung. Unter ihren Angehörigen wächst die Bereitschaft, sich den Terroristen anzuschließen. Anschläge in Deutschland sind von IS-Sprecher al-Adnani befohlen.
Während man das Buch liest, gibt es keine Sekunde etwas zu lachen. Jeder, der nicht bereit sei, sich dem IS anzuschließen, werde getötet, erklärt Abu Qatadah im Interview. Und seien es Abermillionen, die ermordet würden. Er lacht dabei. Wie überhaupt sehr viel.
Anne Ameri-Siemens
Jürgen Todenhöfer: "Inside IS - 10 Tage im ,Islamischen Staat'". C. Bertelsmann, 288 Seiten, 17,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Natürlich müsse man bei Jürgen Todenhöfer über viel nervige "Selbstbeweihräucherung" hinweglesen, meint Rezensent Wolfgang Freund, und auch stilistisch sollte man sich nicht allzu viel erwarten, denn der CSU-Politiker, den Freund noch harmlos als "Hans Dampf in allen arabischen Gassen" beschreibt, richte sich eher an ein breiteres Publikum. Trotzdem hat sich Freund nicht gelangweilt, und durchaus einiges erfahren. Todenhöfer hat sich durch die Gebiete des IS fahren lassen, vielleicht sogar vom berüchtigten "Jihadi John" persönlich, und kann dem Rezensenten unter anderem plausible Argumente dafür bringen, dass die gruseligen Enthauptungsvideos zu dick aufgetragen seien, als dass sie einem rein islamistischen Horrorspektakel entspringen. Der Rezensent vermutet hier eher westliche Rekruten am Werk, denen er "Gestapo-nahes Knowhow" attestiert - was immer das heißen mag.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Man muss mit ihm nicht immer einer Meinung sein, aber der Mut und die Entschlossenheit, mit denen Jürgen Todenhöfer aus den Krisengebieten dieser Welt berichtet, nötigen uns Respekt ab. Jetzt schildert Todenhöfer seine wohl riskanteste Reise, die ihn in die Hochburg des Islamischen Staates, nach Mossul, führte." Stern