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'Die Enthüllungen von WikiLeaks halten die Welt in Atem. Doch wer steckt hinter der Organisation, die die Mächtigen fürchten macht und das Pentagon eine 120 Mann starke Task Force einberufen ließ? Wie sieht es aus in der Schaltzentrale von WikiLeaks und welche brisanten Papiere schlummern dort noch? Daniel Domscheit-Berg nimmt uns mit ins Herz von WikiLeaks. Er hat die Enthüllungsplattform seit 2007 Seite an Seite mit Julian Assange aufgebaut. Der junge Deutsche ist weltweit der Mann, der neben dem schillernden und zunehmend umstrittenen Gründer den besten Einblick in das Whistleblower-Projekt…mehr

Produktbeschreibung
'Die Enthüllungen von WikiLeaks halten die Welt in Atem. Doch wer steckt hinter der Organisation, die die Mächtigen fürchten macht und das Pentagon eine 120 Mann starke Task Force einberufen ließ? Wie sieht es aus in der Schaltzentrale von WikiLeaks und welche brisanten Papiere schlummern dort noch?
Daniel Domscheit-Berg nimmt uns mit ins Herz von WikiLeaks. Er hat die Enthüllungsplattform seit 2007 Seite an Seite mit Julian Assange aufgebaut. Der junge Deutsche ist weltweit der Mann, der neben dem schillernden und zunehmend umstrittenen Gründer den besten Einblick in das Whistleblower-Projekt hat. Seit Domscheit-Berg und andere Mitstreiter sich im Herbst 2010 aus dem Projekt zurückzogen, ist Julian Assange alleiniger Herrscher über dieses machtvolle Instrument.
Inside WikiLeaks ist ein packend geschriebener Enthüllungsreport voller unbekannter Fakten. Er erzählt die Geschichte von WikiLeaks, wie sie noch keiner gehört hat.
Autorenporträt
Daniel Domscheit-Berg, geboren 1978, war unter seinem Pseudonym Daniel Schmitt zweieinhalb Jahre Sprecher für WikiLeaks. In seinem früheren Leben war der Diplom-Informatiker mit Schwerpunkt IT-Sicherheit für große internationale Unternehmen tätig und engagierte sich für Informationsfreiheit und Transparenz im Netz.

Tina Klopp, geb. 1976 in Hamburg, studierte Politikwissenschaft und Germanistik und absolvierte anschließend die Deutsche Journalistenschule München. Sie erhielt den Friedwart Bruckhaus-Förderpreis für junge Wissenschaftler und Journalisten 2006, das Hörspiel-Stipendium des Deutschen Literaturfonds 2010 und arbeitet heute als Redakteurin bei Zeit Online.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

So ganz ernst nehmen kann Rezensent Ijoma Mangold dieses Buch nicht. Autor Daniel Domscheit-Berg zeigt sich ihm hier als enttäuschter Anhänger einer Wikileaks-Kirche, der jetzt genauso hemmungslos mit ihr abrechnet, wie er früher an sie (und an Assange) geglaubt hat. Auch Domscheit-Bergs ständige Beteuerungen, ihm gehe es nur um die Verbesserung der Welt, überzeugen ihn nicht ganz. Aber interessant ist das Buch trotzdem, so Mangold. Gibt es doch Einblick in das Milieu von Netzaktivisten, die in unglaublich kurzer Zeit mit ihrer politischen Agenda - totale Transparenz - die Welt geprägt haben. Dieser Einblick in Motive und Hintergründe haben Mangold sichtlich interessiert. Er zeichnet die Geschichte nach von der Wiesbadener Wohnung Domscheit-Bergs, in der dieser und Assange programmiert haben, die von keinem Zweifel getrübten Überzeugungen bis zum plötzlichen Startum und schließlich die bittere Trennung. Es ist, als sähe man einer neuen Religion beim Entstehen und Zerfall zu, so der faszinierte Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2011

Showdown bei Wikileaks

Daniel Domscheit-Berg, lange im engsten Kreis um Julian Assange, schreibt ein Anklagebuch über die Enthüllungsplattform - und gegenseitige Schuldzuweisungen brechen sich Bahn.

Am 14. September 2010 fährt Daniel Domscheit-Berg von Berlin mit der Bahn in das Ruhrgebiet. Dort steht, in einem unscheinbaren grauen Bürokomplex, ein ausgefallener Server des Wikileaks-Projekts. Unter den vielen Hunderten von Maschinen, die zahlreiche Firmen hier betreiben, fällt der Server nicht weiter auf. Er ist aber nicht irgendein Rechner, sondern der zentrale Mailserver des gesamten Wikileaks-Verbundes, der unter anderem den kompletten Mailwechsel von Julian Assange gespeichert hat, dem selbsternannten Mastermind von Wikileaks. Daniel Domscheit-Berg ist auch nicht irgendein Techniker, sondern der zentrale Backup-Organisator von Wikileaks. Entsprechend dieser Aufgabe besitzt er Hunderte von Sicherheitskopien, die an geheimen Orten lagern. In seinem heute erscheinenden Buch "Inside Wikileaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt" (aufgeschrieben von Tina Klopp. Econ Verlag, Berlin 2011. 304 S., br., 18,- [Euro]) schildert Domscheit-Berg Albträume, aus denen er schweißgebadet erwachte, um unverzüglich eine Sicherheitskopie seines Traumprojekts Wikileaks zu ziehen.

In jenen Septembertagen ist Domscheit-Berg nicht mehr bei Wikileaks dabei. Julian Assange hat ihn am 25. August in einem Online-Chat kurzerhand suspendiert, ihm alle Privilegien und Passwörter entzogen. Sein Urteil: "Disloyality". Domscheit-Berg hatte die zunehmend spektakulären Veröffentlichungen von Wikileaks, die afghanischen Kriegstagebücher, die irakischen Armeeberichte und schließlich die Depeschen des amerikanischen State Departments, mitgetragen. Von Gewissensbissen geplagt, hatte er in jenen Augusttagen von einem Urlaubsort aus Geheimdokumente zur Duisburger Loveparade bei Wikileaks freigeschaltet, die die Hintergründe jener Katastrophe am 24. Juli offenlegten. Das "Submission-System" von Wikileaks, über das Dokumente anonym von Whistleblowern eingereicht werden können, quoll über. Die halbe Duisburger Stadtverwaltung war gefühlt mit dem Leaken beschäftigt, so Domscheit-Berg in seinem Buch. Assange aber sah in dieser Aktion nur einen Akt der Illoyalität, eine Ablenkung von den großen Geschichten, die er mit Hilfe ausgewählter Medien verbreiten wollte.

Obwohl von Wikileaks getrennt und verstoßen, repariert Domscheit-Berg den Kommunikationsserver. Er ist bei der Arbeit online und erfährt von anderen Wikileaks-Aktivisten, dass Assange zur selben Zeit versucht, die Polizei zu alarmieren, um ihn verhaften zu lassen. Als erfahrener Netzwerk-Techniker beendet er seine Arbeit und legt sofort eine Sicherungskopie an. Am Abend des 14. September findet der letzte Chat mit Julian Assange statt, in dem Domscheit-Berg und der "Architekt", der geheimnisvolle Programmierer des Gesamtsystems, die geordnete Übergabe des Systems besprechen wollen.

Das Gespräch scheitert, Schuldvorwürfe werden ausgetauscht: "Das war das Ende. Nicht das Ende von Wikileaks, aber das Ende des Teams, das in den vergangenen Jahren und Monaten dafür gearbeitet hatte." Am 17. September ließ Domscheit-Berg die Domain OpenLeaks registrieren: Ein neues Projekt begann, das die Idee von Wikileaks ohne die Konstruktionsfehler von Wikileaks fortführen soll.

Noch existiert OpenLeaks nicht, besitzt aber sämtliche Dateien von Wikileaks. Eine kuriose Situation, die Daniel Domscheit-Berg in seinem Buch mit charakteristischer Offenheit so beschreibt: "Wir warten bis heute darauf, dass Julian die Sicherheit wiederherstellt, damit wir ihm auch das Material zurückgeben können, das auf der Submission-Plattform lag. Es wird derzeit sicher verwahrt. Wir haben an dem Material kein Interesse, auch für OpenLeaks werden wir es nicht verwenden. Wir werden es Julian aber erst wieder zurückgeben, wenn er uns nachweisen kann, dass er es sicher aufbewahren kann und damit sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht. Bis jetzt, bis zum Erscheinen des Buches, haben wir das niemandem erzählt. Denn wir hatten Angst vor der öffentlichen Debatte. Wir hatten Angst, dass wir sie verlieren könnten. Vielleicht wird das nun passieren."

Was in Deutschland in einer solchen Situation passiert, ist bekannt: Die Anwälte gehen in Stellung. Seit gestern ist bekannt, dass Julian Assange den Berliner Rechtsanwalt "Jonny" Eisenberg beauftragt hat, juristische Schritte gegen Domscheit-Berg einzuleiten. "Spiegel Online" veröffentlichte den harschen Brief des Anwaltes, der früher im Umfeld des Chaos Computer Clubs Hacker verteidigte. Darin ist von einem "Diebstahl" an den Datenbeständen von Wikileaks die Rede, den Domscheit-Berg begangen haben soll.

So schreibt der Anwalt: "Wikileaks ist ,berechtigt', diese Materialien zu verwahren. Keine der Quellen wollte diese Domscheit-Berg übermitteln." Wie der Eigentumsanspruch an Dateien aussehen kann, die schon in den Händen der Whistleblower illegales Datenmaterial waren, dürfte Juristen noch lange Zeit beschäftigen.

Gleichzeitig hat Wikileaks eine Schmutzkampagne gegen Domscheit-Berg losgetreten, die es in sich hat. Der Mann, den Julian Assange noch auf dem Kongress "Hackers at Random" im Sommer 2009 als seinen "Bruder im Geiste" und "Wikileaks-Zwilling" bezeichnet hatte, wird nun als "Mitläufer" beschimpft, der keine abgeschlossene Ausbildung und keine Computerkenntnisse habe und insbesondere von Servern nichts verstehe. Aus Domscheit-Berg ist für die Anhänger von Wikileaks der Verräter Domshit-Berg geworden, der "stillgelegt" (shut-down) werden muss.

In mehreren Kapiteln seines Buchs beschreibt Domscheit-Berg, wie wichtig ihm die Berliner Dependance des Chaos Computer Clubs (CCC) während seiner Zeit bei Wikileaks und bei seinem Ausstieg aus dem Projekt war. Hier fand er den Raum, um auftauchen und Luft holen zu können, den Mut auch, sich von Wikileaks abzunabeln. Prominente Mitglieder des Clubs vermitteln derzeit hinter den Fronten und suchen nach einem Kompromiss.

In seiner Stellungnahme zum eskalierenden Rosenkrieg erwähnt der auch in dieser Zeitung publizierende CCC-Vorstand Frank Rieger die Theorie von der "Wilderness of Mirrors" des CIA-Instruktors James Jesus Angleton, der einstmals die Gegenspionage der Amerikaner leitete: "Geheimnisse tendieren dazu, ihre Träger aufzuzehren. Je größer die Bürde des Geheimnisses, je größer die angenommene klandestine Gegenwehr des ehemaligen Besitzers der Daten, desto größer die Paranoia, desto schneller und umfangreicher die gegenseitigen Verdächtigungen."

Was für die Whistleblower und die Wikileaks gelieferten Geheimdaten gilt, gilt auch für Wikileaks, seine Mitstreiter und die Ehemaligen.

DETLEF BORCHERS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2011

Die gefährlichste Website der Welt?
Im Buch des Wikileaks-Aussteigers Daniel Domscheit–Berg ist Julian Assanges Kampf für radikale Transparenz ein großer Bluff
Es ist noch kein Jahr her, da hätte der Mann, der damals noch Daniel Berg hieß, sich „nichts mehr gewünscht“, als dass Julian Assange zu seiner Hochzeit käme, obwohl in ihrem Verhältnis da schon längst nicht mehr alles zum Besten stand. Schließlich, so schreibt er heute, sei Julian doch so etwas wie sein bester Freund gewesen. Von dieser Freundschaft zwischen dem Wikileaks-Gründer und dem Mann, der unter dem Pseudonym Daniel Schmitt lange das deutsche Gesicht der Whistleblower-Plattform war, ist jedenfalls nicht viel geblieben. Der Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg verbreitete am Mittwoch im Namen von Julian Assange eine Presseerklärung „zu Mitteilungen des Domscheit-Berg“, in der die von diesem „entwendeten . . . Datenbestände“ zurückgefordert werden, und in der es am Schluss heißt, er, Eisenberg, habe den Auftrag „gegen die von DB über Herrn Assange verbreiteten Verleumdungen vorzugehen“.
Dass das, was Julian Assange überhaupt schon bekannt ist, was er nun als Verleumdungen bezeichnen lässt, obwohl „Inside Wikileaks“, Daniel Domscheit-Bergs Buch über seine „Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“, erst heute erscheint und vom Verlag mit strenger Sperrfrist versehen war, dürfte in einer Welt, in der die potenziellen Whistleblower in allen Ecken sitzen, natürlich nicht mehr ernsthaft überraschen. Aber eine charmante Volte liegt schon darin, dass die ersten Auszüge ausgerechnet auf Cryptome durchsickerten, der Leaking-Seite des eigenwilligen Amerikaners John Young, der einst so etwas wie das Vorbild für Wikileaks abgab und längst mit Genuss die Rolle von Julian Assanges Nemesis spielt. Denn es war, so schildert Daniel Domscheit-Berg es, die Seite Cryptome, über die er erstmals auf Wikileaks stieß und damit auf den Mann und die Idee, die seither sein Leben prägten.
Wenn man „Inside Wikileaks“, das mit Hilfe der Journalistin Tina Klopp entstanden ist, nach der Lektüre von knapp 300 Seiten aus der Hand legt, dann hat man die Geschichte einer enttäuschten und die einer erfüllten Liebe gelesen – und dabei wäre die Beziehung zu Domscheit-Bergs heutiger Ehefrau noch gar nicht mitgezählt. Die Rede ist von der enttäuschten Liebe zu der Person Julian Assange. Und von der nach wie vor frischen Liebe zu der Idee der radikalen Transparenz, der Offenlegung des Geheimen und Arkanen, der Domscheit-Berg nun mit seiner eigenen Plattform Openleaks Geltung verschaffen will.
Es ist, soviel vorweg, vielleicht das größte Manko dieses Buchs, das ungemein aktionszentriert über gut drei Jahre der Wikileaks-Historie berichtet, dass die Frage nach der Triebfeder, nach den Wurzeln dieser Liebe zur Transparenz nur angerissen wird. Dabei bekennt sich Daniel Domscheit-Berg mehr beiläufig durchaus zur Vorstellungswelt des Anarchismus. Sein geistiger Held ist Pierre-Joseph Proudhon, der Ökonom und anarchistische Denker des 19. Jahrhunderts, dessen Buch „Was ist das Eigentum?“ er für das „bedeutendste Buch“ hält, „das je geschrieben wurde“. Auch Gustav Landauer stand in seiner Wikileaks-Zeit auf seiner Leseliste. Und zustimmend zitiert er einen isländischen Aktivistenkollegen, der sich wiederum auf den 1958 gestorbenen Anarchosyndikalisten Rudolf Rocker bezieht: Er sei Anarchist, nicht weil er glaube, dass Anarchismus das Endziel sei, sondern weil er glaube, dass es so etwas wie ein Endziel nicht gebe.
Man wüsste gerne mehr darüber, wie sich solche Grundüberzeugungen, über ein allgemeines Bekenntnis zum Subversiven hinaus, auf sein Handeln bei Wikileaks ausgewirkt haben. Und auch darüber, wie intensiv er sich mit Julian Assange über die geistigen Grundlagen der eigenen Arbeit ausgetauscht hat. Von dem gemeinsamen Glauben an eine bessere Weltordnung ist im Buch die Rede. Und dem Traum von einer Welt, in der „es weder Chefs noch Hierarchien gegeben“ hätte.
Ansonsten lässt das Buch an detailreichen Einblicken in das Leben mit – fast hätte man gesagt „an der Seite von“ – Julian Assange wenig offen. Im Herbst 2007 stieß Daniel Berg, der als Netzwerkingenieur einer IT-Firma Großkunden wie GM/Opel oder Fluglinien betreute, zu Wikileaks, das damals ein knappes Jahr existierte. Schnell wurde er, der dafür sogar seinen sicheren Job aufgab, dort zum wichtigsten Mann neben Julian Assange. Trotz später wachsender Spannungen blieb er es bis zum Sommer 2010.
Frappierend ist nun vor allem, wie Domscheit-Berg die Wikileaks-Story als Geschichte eines phänomenalen Bluffs offenbart. Denn über die längste Zeit ihres Bestehens gab es bei der Plattform, folgt man der Darstellung im Buch, neben der rechten Hand gar keine linke, war Wikileaks ein reiner Zwei-Mann-Betrieb, der zeitweise aus Domscheit-Bergs Wiesbadener Tiefparterrewohnung heraus geführt wurde. Bis Ende 2009 wurden alle Geheimdokumente nur von den Herren Assange und Berg in Empfang genommen und auf Authentizität geprüft, niemand sonst hatte Zugriff.
Der Öffentlichkeit gegenüber behauptete man dagegen stets, einen großen und aktiven Helferkreis von mehreren hundert Personen zu haben. Dafür wurden als Freiwillige und Helfer in Wahrheit all jene Menschen mitgezählt, die sich unverbindlich auf einer Mailingliste eingetragen hatten, ohne jemals in irgendeiner Weise bei Wikileaks aktiv zu werden.
Und der Bluff reichte weiter. Jay Lim, der angebliche Rechtsberater der Plattform, war offenbar ein Pseudonym Assanges. Domscheit-Berg lässt durchblicken, dass er auch die von Assange verbreitete Wikileaks-Gründungslegende, in der unter anderem chinesische Dissidenten eine Rolle gespielt haben sollen, nicht für bare Münze nimmt.
Zum anderen aber, und das ist relevanter als solche Münchhausiaden, bestand auch die technische Infrastruktur lange nicht in der Form, wie öffentlich verbreitet wurde. Die an Wikileaks übermittelten Daten waren anders als nach außen erklärt, nicht doppelt und dreifach gesichert, sondern lagerten auf einem einzigen, schwachbrüstigen Server.
Und damit ist man beim zentralen Vorwurf, den Domscheit-Berg Julian Assange macht: Er sei zwar in Fragen der eigenen Sicherheit seit jeher geradezu paranoid gewesen, kümmere sich aber schlicht zu wenig um das ganz zentrale Versprechen von Wikileaks, den unbedingten Schutz der Daten und der Whistleblower. Das sei der Grund dafür, dass Domscheit-Berg und der sogenannte Architekt, der wichtigste Wikileaks-Techniker, bei ihrem Weggang im September 2010 Softwareentwicklungen und vor allem bei Wikileaks deponiertes Material mitgenommen hätten, das sie erst zurückgeben wollen, wenn Assange für deren Sicherheit garantieren könne.
Doch bei Wikileaks tue sich nichts. Im Gegenteil, die seit Monaten unverschlüsselte Website sei ein weiteres Risiko, weil potentielle Whistleblower, die sich auf der Seite informieren möchten, problemlos von Geheimdiensten oder anderen Interessierten überwacht werden könnten. Domscheit-Berg geht so weit, dass er Wikileaks im Augenblick für funktionsuntüchtig hält. Weil Assange die Technik nicht in Ordnung bringt, und weil er irgendwelchen isländischen Teenagern Verantwortung überträgt, die gar keinen Überblick haben.
Den GAU von Wikileaks, die Verhaftung des US-Gefreiten Bradley Manning, von dem das amerikanische Militär annimmt, er sei verantwortlich für die großen Lecks im Fall von Irak, Afghanistan und den Diplomaten-Depeschen, schildert Domscheit-Berg als Schock für alle Beteiligten. Vollmundig habe Assange damals im Mai 2010 angekündigt, die besten Anwälte zu besorgen, und um 100 000 Dollar Spenden für Mannings Verteidigung gebeten. Doch sei sein Interesse an der Causa Manning schon nach kürzester Zeit wieder eingeschlafen und von den Anwälten nie wieder die Rede gewesen. Bis Ende 2010 sei von dem eigens für Manning eingeworbenen Geld nicht ein Cent an dessen Unterstützer gegangen. Erst im Januar 2011 habe die Wau-Holland-Stiftung, die in Deutschland die Spendeneinnahmen von Wikileaks verwaltet, 15 000 Dollar an ein Manning-Unterstützerkonto überwiesen. Für Domscheit-Berg ist es ein schmähliches Versagen, von dem er sich selbst nicht ausnimmt.
Als es dagegen um Julian Assanges eigene Verteidigung ging, soll der sich massiv über den mangelnden Einsatz des inzwischen angewachsenen Wikileaks-Teams beklagt und eine Unterstützung verlangt haben, die jede Kritik an ihm ausschloss. „Don’t challenge leadership in times of crisis“, lautete nun sein eisernes Gebot nach innen. Jene Krise der schwedischen Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange vermag Domscheit-Berg aber nur als eine ganz persönliche des Wikileaks-Gründers sehen, nicht als einen Angriff auf die gemeinsame Arbeit. Domscheit-Berg will nicht an die Verschwörung schwedischer Staatsanwältinnen mit der CIA glauben, von der Assange und seine Fans überzeugt sind.
Zu Verschwörungstheorien neigt Assange seit jeher, das war bekannt. In „Inside Wikileaks“ erscheint er nun auch als, angesichts der Größe seiner selbst gestellten Aufgabe, unfassbar gedankenloser Chaot, der etwa den an der Veröffentlichung der Afghanistan-Dokumente beteiligten Medienhäusern eine umfassende Redaktion und Anonymisierung zusagte, diesen Auftrag aber an niemanden weitergab. Als Domscheit-Berg durch Zufall davon erfuhr, musste kurz vor der Deadline in tagelanger Arbeit ohne Schlaf die fest versprochene „Harm Minimization“ zum Schutze Unbeteiligter nachgeholt werden.
Daniel Domscheit-Berg zeichnet Assange als eine manische Figur, einen Mann mit unwahrscheinlichen Gaben, der Beispielloses erreicht, aber sein eigenes Werk auch nach Kräften selbst wieder einreißt. „Ich habe noch nie so eine krasse Persönlichkeit erlebt wie Julian Assange“, heißt es am Anfang des Buchs. „So freigeistig. So energisch. So genial. So paranoid. So machtbesessen. Größenwahnsinnig.“ Wer Julian Assange zuvor bereits mit Skepsis betrachtete, wird in diesem Buch alles bestätigt finden, was er sich aus dessen medialem Bild an negativen Zuschreibungen zurechtgelegt hat.
Da gibt es den manipulativen, misstrauischen Assange, der über die Maßen eifersüchtig darüber wacht, dass nur er allein als „Wikileaks-Gründer“ bezeichnet wird, der Frauen finanziell ausnutzt, und damit prahlt, in wie vielen Ländern der Welt er Nachwuchs habe, der autoritär ist, die Arbeit anderer mit Geringschätzung behandelt, und der als nahezu reflexhafter Lügner erscheint.
Daneben lernt man den etwas sympathischeren, wirren Assange kennen, der unfähig ist, einen Koffer zu packen und lieber mehrere Schichten Kleidung übereinander trägt, der sich noch nach Monaten in einer Wohnung auf dem Heimweg stets verläuft, der wichtige Flüge nicht bucht, oder aber bucht und dann nicht bezahlt, der mehrere Tage scheinbar nicht schläft oder isst, um dann plötzlich anfallsweise Zitrusfrüchte zu verschlingen oder sich ganze Packungen Ovomaltine-Pulver in den Rachen zu schütten, ein Mensch, der scheinbar „von Wölfen großgezogen“ worden war.
Wie das so ist, wenn man über eine enttäuschte Liebe berichtet, kommen Assanges positive Züge, seine Energie, sein durchaus vorhandener Charme und gelegentlich aufscheinender Humor, in „Inside Wikileaks“ eher zu kurz. Es gibt sie aber, daran lässt das Buch auch keinen Zweifel, denn Domscheit-Berg hat die Beziehung zu Assange wohl als wirkliche Partnerschaft, als tiefe Freundschaft empfunden. Wie wechselseitig diese wirklich war, daran zweifelt er jedoch heute. Manches in seinem Verhalten, so mutmaßt er, habe Assange wohl als Gesten der Unterwerfung gedeutet. Armselig habe er es etwa gefunden, ließ Assange ihn später wissen, dass Domscheit-Berg sich eine Sanduhr, das Wikileaks-Logo, auf den Rücken tätowieren ließ – ein Motiv, das, weil der Tätowierer nicht ganz fertig wurde, bis heute höchst symbolisch nur halb vollendet ist.
Die Entwicklung, die Wikileaks seit seinem Ausscheiden genommen hat, macht Domscheit-Berg Sorgen. Der Fluss der Depeschen ist ins Stocken geraten. Zu viel Energie werde für die Verteidigung von Julian Assange aufgewendet. Dass in jüngster Zeit Menschen wie der russischstämmige Holocaust-Leugner Israel Shamir und dessen Sohn, der schwedische Journalist Johannes Wahlström, als Sprecher von Wikileaks auftreten, und offenbar im Namen der Organisation Deals mit russischen und skandinavischen Medien abschließen, irritiert Domscheit-Berg nachhaltig, auch wenn er versichert, dass er Assange stets nur als israelkritisch, nicht als Antisemiten erlebt habe.
Für erklärungsbedürftig hält er auch den Bericht, dass Julian Assange mit einem Anwalt in die Redaktion des Guardian geplatzt sei, als dieser einige Depeschen ohne Absprache veröffentlichen wollte, auf sein „Eigentum“ an diesen Informationen gepocht und gesagt habe, seine „finanziellen Interessen“ seien berührt.
Der stets leicht verbeulte Julian der frühen Jahre war Domscheit-Berg lieber als der schicke International Man of Mystery des Jahres 2011. Zu weit habe sich Assange von sich selbst und den Grundideen seiner Arbeit entfernt – vor allem vom Ideal der Transparenz, in eigener Sache und im Umgang mit den Lecks. Auch wenn er die Position von Herfried Münkler nicht teile, der meint, die Diplomaten-Depeschen wären besser unveröffentlicht geblieben, so sagt Domscheit-Berg, habe der doch mit einer Frage recht: Seien denn die Geheimnisse des State Department wirklich „in die Verfügungsgewalt der Allgemeinheit“ übergegangen? Oder gibt es nur neue Geheimnishüter? Jetzt nämlich fünf große Medienhäuser und Julian Assange?
Für den und seine Fans ist Daniel Domscheit-Berg nun der Verräter, der Datendieb, ein Mann, der dem einzig wahren Wikileaks-Gründer in den Rücken fällt. Am 26. August 2010, wenige Wochen vor seinem endgültigen Ausschluss, suspendierte Assange ihn in einem Chat ausdrücklich wegen „Illoyalität, Insubordination und Destabilisierung in Krisenzeiten“, eine Formulierung aus dem Espionage Act der USA, dem Spionagegesetz, das man später gegen Assange selbst anwenden wollte. In „Inside Wikileaks“ hat der Informations-Anarchist trotz allem einen Platz in den Danksagungen Domscheit-Bergs gefunden. Dank nämlich dafür, „dass er eine Idee manifestiert und in mein Leben gebracht hat“.
NIKLAS HOFMANN
DANIEL DOMSCHEIT-BERG, TINA KLOPP: Inside Wikileaks: Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt. Econ Verlag, Berlin, 2011. 304 Seiten, 18 Euro.
Daniel Domscheit-Berg hält
Wikileaks derzeit für
de facto funktionsuntüchtig
Wer Julian Assange mit Skepsis
betrachtete, wird nun alle negativen
Zuschreibungen bestätigt finden
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Julian Assange (links) und Daniel Domscheit-Berg (rechts), als sie mit der Website Wikileaks die Rolle des Internets in der Politik neu definierten. Nun ist zwischen den Weggefährten ein Bruderkrieg ausgebrochen, den Domscheit-Berg mit seinem Buch weiterführt.
Foto: David Applebaum
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