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Produktdetails
  • Verlag: Jovis
  • 1., Aufl.
  • Seitenzahl: 176
  • Erscheinungstermin: 15. Januar 2003
  • Deutsch
  • Abmessung: 14mm x 165mm x 230mm
  • Gewicht: 481g
  • ISBN-13: 9783936314038
  • ISBN-10: 3936314039
  • Artikelnr.: 11291763
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2003

Der diskrete Charme des Waschbetons
Die 88 quadratischen Waschbetonplatten, mit denen sich die Deutsche Oper Berlin gegen die Bismarckstraße abschottet, dürften heute nicht einmal mehr zum Ärgernis taugen. Man fährt an der grandios-abweisenden Fassade, die nur zu diesem Zwecke gemacht scheint, vorüber, erhascht in der Nacht womöglich einen Blick auf die großen Glaswände an den Seiten des Foyervorbaus, erinnert sich, dass die Türen klein wirken, die Decken in den Garderobenhallen beängstigend niedrig sind, dass die meisterhaft geplanten Treppen einem Verwaltungsbau ebenso gut anstehen würden wie einem Opernhaus. Auch die Foyers mit ihren Polstersitzgruppen und den kugelförmigen Papierleuchten erwecken vor allem den Eindruck gnadenloser Nüchternheit. Das ist das Pathos der Nachkriegsjahre, das sind die Hoffnungen unserer Väter: frei, offen,
demokratisch sollten die Räume wirken, demonstrativ abgesetzt gegen den Klassizismus des Dritten Reiches und der Stalinallee.
Lässt man die ideologischen Phrasen beiseite, vergisst man, dass aus nie ganz einsichtigen Gründen Glas und Waschbeton die wichtigsten Materialien demokratischer Baukunst sein sollen – eine Behauptung, die wohl nur in Deutschland, hier aber mit Inbrunst geglaubt wird –, lässt man all das Gerede des Kalten Krieges hinter sich und fährt zu den Bauten Fritz Bornemanns, zur Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg (1954 eröffnet, Abb. links), zum Theater der Freien Volksbühne in Charlottenburg (1960-1963, Abb. rechts) oder eben zur Deutschen Oper in der Bismarckstraße (im September 1961 eingeweiht), so entdeckt man einige der aufregendsten und schönsten Orte der Stadt: belebt, benutzt, selbstverständlich.
Das ist West-Berlin mit seinem starken Behauptungswillen und seinem Ungeschick im Repräsentieren, mit seinem städtischen Leben ohne Bürgertum, seiner Genusssucht ohne Raffinesse. Fritz Bornemann war sein Architekt. So wie das alte West-Berlin seit einem Jahrzehnt unter Liebesentzug und geringer Aufmerksamkeit leidet, ist auch Bornemann bisher von den Architekturhistorikern auffallend vernachlässigt worden. Eine Gruppe junger Kunsthistoriker hat nun die erste Monographie über den inzwischen 91-jährigen Architekten vorgelegt. Erstmals kann man hier die Reihe propagandistischer Ausstellungen verfolgen, die Bornemann gestaltet hat. „Wir bauen ein besseres Leben” hieß es 1952, als die bequeme westliche Wohnkultur vorgeführt wurde, drei Jahre später zelebrierte er die US-Bekleidungsindustrie, für den Deutschen Pavillon zur Weltausstellung in Osaka (1970) arbeitete er eng mit Karlheinz Stockhausen zusammen.
Bornemanns Vater war Ausstattungschef an den Berliner Theatern, früh hat der Sohn die Welt der Bühnenbilder kennen gelernt und in seinen durchweg öffentlichen Bauten den Auftritt der Bürger als Leser oder Theaterbesucher geschickt inszeniert. Das ist ihm wohl nirgends überzeugender gelungen als mit dem Haus der Freien Volksbühne, in dem nun alljährlich das Theatertreffen stattfindet. Der Bau, so Bornemann, sei für ihn immer „nur Hülle für Vorgänge. Letzten Endes geht es um die Inszenierung: dass Sie aus dem Park kommen, vom Asphalt weg, durch die Bäume, in die Kassenhalle und dann erst in die Umgänge rein – in einem ganz bestimmten Gang. Das ist wichtiger als die Architektur. Dann ergibt sich die Architektur von allein.”
Der schmale Band stellt einen Architekten vor, über den wenig gesprochen wurde in den Jahren des Berliner Architekturstreits. Zu entdecken ist eine provokant bescheidene, auftrumpfend nüchterne Art zu bauen, eine Möglichkeit, für die jene sich interessieren dürften, die den wechselnden Heilsversprechen misstrauen, seien sie auf Glas oder Naturstein, Lochfassade oder Stahlskelett gegründet.
jby
SUSANNE SCHINDLER, NIKOLAUS BERNAU (Hrsg.) : Inszenierte Moderne. Zur Architektur von Fritz Bornemann. jovis verlag, Berlin 2003. 176 Seiten,
22 Euro.
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