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Am 1. Mai 2002 ist das »Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht« in Kraft getreten. Das Regelwerk hat den Weg für die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht durch Zusammenlegung der Aufsichtsbehörden für das Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel vorbereitet. Wirtschafts- und Bankenaufsicht in Deutschland erhalten dadurch eine neue Qualität: Die Einrichtung der sektorübergreifenden Aufsicht will nicht allein die Effizienz einer Allfinanzsteuerung durch Verbundvorteile stärken und einem verbesserten Anleger- bzw. Versichertenschutz dienen; es sind…mehr

Produktbeschreibung
Am 1. Mai 2002 ist das »Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht« in Kraft getreten. Das Regelwerk hat den Weg für die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht durch Zusammenlegung der Aufsichtsbehörden für das Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel vorbereitet. Wirtschafts- und Bankenaufsicht in Deutschland erhalten dadurch eine neue Qualität: Die Einrichtung der sektorübergreifenden Aufsicht will nicht allein die Effizienz einer Allfinanzsteuerung durch Verbundvorteile stärken und einem verbesserten Anleger- bzw. Versichertenschutz dienen; es sind auch und vor allem europäische Belange sowie die Sorge um die Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland, die den nationalen Gesetzgeber an supra- und internationale Entwicklungslinien der Finanzmarktaufsicht anknüpfen lassen.

Der somit bewirkte Funktionswandel nationaler Bankenaufsicht stellt zunächst einen wesentlichen Beitrag zur gegenwärtigen Staatsmodernisierung dar. Er spiegelt darüber hinaus die mit der Verabredung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion immer stärker einhergehende Notwendigkeit wider, in Deutschland und in der Europäischen Union mittelfristig zu einer integrierten Allfinanzaufsicht vorzustoßen. Einbezogen wird schließlich die künftige Beaufsichtigung nationaler und gemeinschaftsweiter Kreditgeschäfte nach Maßgabe der Beschlüsse zu »Basel II«.

Mit den dadurch im einzelnen aufgeworfenen ökonomischen, bank- und mittelstandspolitischen sowie (Verfassungs-)Rechtsfragen befassen sich die Autoren des hier vorgelegten Sammelbands. In ihm sind die auf dem Speyerer Wirtschaftsforum 2001 zum Thema »Bankensystem und Bankenaufsicht vor den Herausforderungen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion« gehaltenen Referate abgedruckt. Einbezogen wurden die zwei auf dem Forum von namhaften Experten aus Japan und Korea gehaltenen rechtsvergleichenden Vorträge zu den Entwicklungen der Bankenaufsicht in diesen asiatischen Staaten angesichts eines wachsenden Allfinanzsektors bzw. tiefgreifender Finanzkrisen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2003

Risiken der Finanzmärkte
Aufsichtsbehörden auf nationaler oder internationaler Ebene

Rainer Pitschas (Herausgeber): Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht. Bankensystem und Bankenaufsicht vor den Herausforderungen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Duncker & Humblot, Berlin 2002, 363 Seiten, 74 Euro.

Braucht der europäische Finanzmarkt eine europäische Aufsicht? Und brauchen Allfinanzunternehmen eine Allfinanzaufsicht? Dies sind die wohl dringendsten Fragen der Finanzmarktaufsicht. Die fortschreitende Internationalisierung des Bankgeschäfts bei noch weitgehend fehlender Internationalisierung der Bankenaufsicht ist ein Problem, das auch nach Beginn der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion noch ungelöst ist - sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene. Auch die faktische Verbreitung sektorübergreifender Finanzkonglomerate bedarf einer regulatorischen Lösung im Wege der Allfinanzaufsicht, wenn die Risiken der Finanzmärkte effektiv erfaßt werden sollen.

In dem von Rainer Pitschas herausgegebenen Tagungsband werden diese Fragen umfassend aus verschiedenen Blickwinkeln behandelt: verwaltungswissenschaftlich, juristisch, rechtsvergleichend und ökonomisch sowie aus der Sicht der verschiedenen Betroffenen, der Großbanken, mittelständischen Banken und Aufsichtsbehörden. Dabei gehen die verschiedenen Autoren sowohl auf die spezifisch deutschen Nöte als auch die Fragen der Europäisierung und Internationalisierung ein.

Das Problem der Bankenaufsicht stellt Rolf Stober in den umfassenderen Kontext der staatlichen Wirtschaftsaufsicht. Dabei geht er auf die sich ändernden Modelle der Aufsicht ein. Hier geht es um das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft, insbesondere im Hinblick auf die vom Staat zu schützenden Güter. Bei der hierarchischen Staatsaufsicht greift der Staat im Interesse des Gemeinwohls einseitig in den Wirtschaftsablauf ein; es handelt sich mithin um klassische Eingriffsverwaltung. Die kooperative Wirtschaftsaufsicht, die eine Mitverantwortung der Wirtschaft für die Schutzgüter annimmt, wird in dem Maße wichtiger, in dem die Steuerungsfähigkeit des Staates in offenen Volkswirtschaften abnimmt. Hier fordert Stober insbesondere eine supranational vernetzte Allfinanzaufsicht.

Bernhard Speyer legt eindrucksvoll die Internationalisierung des Bankgeschäfts dar. Er setzt sich für eine weiter gehende institutionelle Internationalisierung der Bankenaufsicht ein, die zwar bereits durch den Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht und durch sein Pendant für den Wertpapierhandel und Versicherungen teilweise verwirklicht wird - durch Verabschiedung von "Soft Law", durch Setzung internationaler Standards und durch Koordination. Auch auf europäischer Ebene wird die Setzung von Mindeststandards durch Richtlinien und die Koordination durch verschiedene Gremien realisiert. Speyer sieht jedoch die Ziele, die ein Aufsichtssystem erfüllen sollte - Effizienz, Flexibilität gegenüber Innovationen und Wettbewerbsneutralität -, noch nicht gewahrt. Deshalb plädiert er für eine europäische Finanzaufsicht.

Gerade in einer solchen Vereinheitlichung der Aufsicht und der Regulierung sieht Gerhard Braun Gefahren für kleine und mittelständische Banken, insbesondere Volks- und Raiffeisenbanken. Die Besonderheiten der genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken würden in der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung "Basel II" nicht berücksichtigt. Dadurch könnte es zu Problemen mit dem Auftrag dieser Banken kommen, der Finanzierung des deutschen Mittelstandes. Jedoch sind diese Bedenken mittlerweile von dem Baseler Ausschuß in dem Dritten Konsultationspapier vom April dieses Jahres aufgenommen worden; die Eigenkapitalanrechnung für Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen wurde reduziert. Auch das langfristige Kreditgeschäft wird entlastet: Der Baseler Ausschuß hat die Regelungen für die Laufzeitzuschläge modifiziert. Basel II soll nun Ende 2006 in Kraft treten.

Hilfreich sind die rechtsvergleichenden Beiträge zu den Bankenaufsichtssystemen in Japan und Südkorea. Insbesondere der Beitrag über Japan von Koichiro Agata spiegelt den durch Globalisierung erhöhten Wettbewerbsdruck sowie die regulatorischen Reaktionen wider: eine Abwendung von wettbewerbsbeschränkender Regulierung etwa durch Preiskontrollen, hin zu wettbewerbsfördernden Regulierungstechniken wie Bilanzregulierung und "Monitoring". Wichtig in diesem Zusammenhang war auch die Frage des Verhältnisses der Aufsicht zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden sowie deren Unabhängigkeit von den Ministerien. Diese Diskussionen wurden auch in Deutschland geführt; sie spiegeln sich in dem Beitrag von Jürgen Bayer und Hans-Jürgen Koebnick wider.

Horst Kessel zeigt in seinem Beitrag auf sehr übersichtliche Weise die grundlegenden Schwierigkeiten, die zu Basel II geführt haben, und ihre Umsetzung in der neuen Eigenkapitalübereinkunft. Diese beruht nun auf drei Säulen: den Mindestkapitalanforderungen, dem bankenaufsichtlichen Überprüfungsverfahren und der Marktdisziplin. Wichtigste Neuerung ist wohl die Zulässigkeit von differenzierten bankinternen Ratingverfahren zur Abschätzung des Kreditrisikos.

Rainer Pitschas und Stefanie Gille zeichnen in ihrem Beitrag die rechtliche Entwicklung einer europäischen Regulierung von Finanzmärkten nach. Folgende Regelungsprinzipien werden identifiziert: Verzicht auf Harmonisierung, das Prinzip des "europäischen Passes" für Finanzdienstleister ("Single Licence"), der Grundsatz der Herkunftslandskontrolle, das Prinzip harmonisierter Mindeststandards sowie Verbraucherschutzgesichtspunkte. Zukunftsgerichtet gehen sie dabei auch auf den noch nicht vollständig realisierten Aktionsplan für Finanzdienstleistungen der EU von 1999 ein, der unter anderem zu der mittlerweile verabschiedeten Finanzkonglomeraterichtlinie 2002 geführt hat und eine neue Methode der Aufsichtssteuerung aufweist, die "Kooperation durch Vernetzung". Das Spannungsfeld zwischen europäisierter Finanzdienstleistungsaufsicht durch "verdichtete Aufsichtsstandards" und Regelungen im Rahmen der WTO wird diskutiert.

Wolfgang Artopoeus bespricht die Zukunft der Bankenaufsicht und plädiert für eine "globale" Aufsicht von Banken, Versicherungen und Wertpapiergesellschaften. Nur eine solche genüge den Anforderungen eines globalen Finanzmarktes. Die Aufsicht verändere sich von einer früher mehr quantitativen zu einer qualitativ orientierten Präventivaufsicht.

Die Beiträge dieses Bandes sind aus einem wissenschaftlichen Kolloquium hervorgegangen. Daß die Diskussionen, die zu den einzelnen Beiträgen geführt wurden, ebenfalls abgedruckt sind, ist ein weiteres Plus dieses Bandes. Häufig werden hier genau die Fragen erörtert, die nach der Lektüre des eigentlichen Beitrages unbeantwortet bleiben. Im übrigen haben der Federstrich des Gesetzgebers zum Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die neuen Richtlinien im Rahmen des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen auf EU-Ebene den Band nicht zur Makulatur gemacht: Dem Herausgeber ist eine Zusammenstellung von Beiträgen gelungen, die umfassend die Schwierigkeiten der Finanzmarktaufsicht behandeln. Die Diskussionen darum sind noch nicht beendet.

ANNE VAN AAKEN

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