Das Buch skizziert den Lebensweg und das publizistische Engagement des Bonner Philosophen und Kunstwissenschaftlers Heinrich Lützeler (1902 - 1988) in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Als Schüler Max Schelers und Vertreter des Rechtskatholizismus zählte der an der Bonner Universität lehrende Lützeler schon in den späten Jahren der Weimarer Republik zu den kompromisslosesten Gegnern der NS-Ideologie und geriet nach 1933 ins Fadenkreuz der braunen Machthaber. Diese beraubten ihn schrittweise seiner akademischen Rechte, entfernten ihn 1940 aus dem Universitätsdienst und versuchten zuletzt, ihn durch Rede- und Schreibverbote zum Schweigen zu bringen. Doch der »Innere Emigrant« Lützeler meldete sich weiterhin unverdrossen zu Wort und wirkte, so lange es irgend ging, in seinen Veröffentlichungen der Depravierung des Menschenbildes durch den Nationalsozialismus entgegen.
Diese Geschehenszusammenhänge werden hier erstmals unter Einbeziehung unveröffentlichter Dokumente aus zahlreichen Archiven rekonstruiert. Die dabei leitende Frage nach dem Widerstandspotential deutscher Intellektueller zwischen 1933 und 1945 wird derzeit in mehreren geisteswissenschaftlichen Disziplinen kontrovers diskutiert. Das Buch beantwortet diese Frage konkret im Blick auf Leben und Werk einer einzelnen Gelehrtenpersönlichkeit. Doch hält es für die historische Forschung Erkenntnisse bereit, die über den individuell nachgezeichneten Fall hinausweisen und Möglichkeiten wie Grenzen nonkonformen Verhaltens und regimekritischen Engagements im Wissenschaftsbetrieb des Dritten Reiches insgesamt aufzeigen.
Diese Geschehenszusammenhänge werden hier erstmals unter Einbeziehung unveröffentlichter Dokumente aus zahlreichen Archiven rekonstruiert. Die dabei leitende Frage nach dem Widerstandspotential deutscher Intellektueller zwischen 1933 und 1945 wird derzeit in mehreren geisteswissenschaftlichen Disziplinen kontrovers diskutiert. Das Buch beantwortet diese Frage konkret im Blick auf Leben und Werk einer einzelnen Gelehrtenpersönlichkeit. Doch hält es für die historische Forschung Erkenntnisse bereit, die über den individuell nachgezeichneten Fall hinausweisen und Möglichkeiten wie Grenzen nonkonformen Verhaltens und regimekritischen Engagements im Wissenschaftsbetrieb des Dritten Reiches insgesamt aufzeigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2009Der Nachlass Lützelers
Schon früh lehnte der Kunsthistoriker Heinrich Lützeler (1902-1988) den Nationalsozialismus ab. Am 15. Juli 1931 wies er in der "Deutschen Reichszeitung" die vom NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg am Vortag in der Bonner Beethovenhalle vorgetragene Rassenlehre zurück. Die Ausführungen seien wissenschaftlich unzulänglich, stellten eine "Vergötzung von Blut und Macht" und eine "Instinktverwilderung" dar. Der Ortsgruppenführer des nationalsozialistischen "Kampfbundes für deutsche Kultur" reagierte umgehend: "Wir haben längst geahnt, dass die Krüppel keine Helden sind. Aber je zwergenhafter der Mensch entwickelt ist, um so anspruchsvoller erhebt er sein Haupt." Zum Verständnis solcher unverschämter Worte erklärt Frank-Lothar Kroll, dass Lützeler von Geburt an schwer körperbehindert gewesen sei, "nicht größer als 1,20 Meter, zudem unförmig und vollkommen verwachsen". Im Februar 1940 musste der mutige Privatdozent die Bonner Universität bis zum Kriegsende verlassen. Seine Veröffentlichungen weisen laut Kroll "keine nennenswerten Konzessionen an fachliche oder inhaltliche Vorgaben" des NS-Regimes auf, so dass man ihn zu den Vertretern der "Inneren Emigration" rechnen könne. Diese Einordnung überzeugt mehr als der plakative Buchtitel "Intellektueller Widerstand im Dritten Reich", durch den das gegen Hitler gerichtete Denken und das gegen Hitler gerichtete Handeln zu sehr an Trennschärfe verliert. Für die autobiographischen Aufzeichnungen und den Nachlass des bedeutenden Gelehrten brachte das Stadtarchiv Bonn 1991 eine "erhebliche Geldsumme" auf. Aber eine Auswertung hat die Lützeler-Erbin dem sachkundigen und einfühlsamen Autor verwehrt. (Frank-Lothar Kroll: Intellektueller Widerstand im Dritten Reich. Heinrich Lützeler und der Nationalsozialismus. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2009. 141 S., 16,80 [Euro].)
RAINER BLASIUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schon früh lehnte der Kunsthistoriker Heinrich Lützeler (1902-1988) den Nationalsozialismus ab. Am 15. Juli 1931 wies er in der "Deutschen Reichszeitung" die vom NSDAP-Chefideologen Alfred Rosenberg am Vortag in der Bonner Beethovenhalle vorgetragene Rassenlehre zurück. Die Ausführungen seien wissenschaftlich unzulänglich, stellten eine "Vergötzung von Blut und Macht" und eine "Instinktverwilderung" dar. Der Ortsgruppenführer des nationalsozialistischen "Kampfbundes für deutsche Kultur" reagierte umgehend: "Wir haben längst geahnt, dass die Krüppel keine Helden sind. Aber je zwergenhafter der Mensch entwickelt ist, um so anspruchsvoller erhebt er sein Haupt." Zum Verständnis solcher unverschämter Worte erklärt Frank-Lothar Kroll, dass Lützeler von Geburt an schwer körperbehindert gewesen sei, "nicht größer als 1,20 Meter, zudem unförmig und vollkommen verwachsen". Im Februar 1940 musste der mutige Privatdozent die Bonner Universität bis zum Kriegsende verlassen. Seine Veröffentlichungen weisen laut Kroll "keine nennenswerten Konzessionen an fachliche oder inhaltliche Vorgaben" des NS-Regimes auf, so dass man ihn zu den Vertretern der "Inneren Emigration" rechnen könne. Diese Einordnung überzeugt mehr als der plakative Buchtitel "Intellektueller Widerstand im Dritten Reich", durch den das gegen Hitler gerichtete Denken und das gegen Hitler gerichtete Handeln zu sehr an Trennschärfe verliert. Für die autobiographischen Aufzeichnungen und den Nachlass des bedeutenden Gelehrten brachte das Stadtarchiv Bonn 1991 eine "erhebliche Geldsumme" auf. Aber eine Auswertung hat die Lützeler-Erbin dem sachkundigen und einfühlsamen Autor verwehrt. (Frank-Lothar Kroll: Intellektueller Widerstand im Dritten Reich. Heinrich Lützeler und der Nationalsozialismus. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2009. 141 S., 16,80 [Euro].)
RAINER BLASIUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main