Zielführende praktische Wettbewerbspolitik bedarf der wissenschaftlichen Reflexion und Begleitung. Gleichzeitig jedoch würde sich die wissenschaftliche Diskussion schnell im modelltheoretischen »Nirvana« verlieren, würde sie nicht beständig durch die Auseinandersetzung mit sich in der praktischen Wettbewerbspolitik stellenden Problemen befruchtet. Deshalb hat es sich die Arbeitsgruppe Wettbewerb im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Vereins für Socialpolitik zum Ziel gesetzt, im Rahmen ihrer Jahrestagungen den Gedankenaustausch zu aktuellen Themen der Wettbewerbspolitik zwischen Wissenschaftlern und Praktikern zu fördern. Um die Ergebnisse dieses Gedanken- und Erfahrungsaustausches einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, werden die Referate der Jahrestagungen jeweils in Form eines Tagungsbandes veröffentlicht.
Die im folgenden aufgeführten Bände geben das gesamte Spektrum der aktuellen wettbewerbspolitischen Kontroversen wieder. So wurden etwa die durch das Internet und die Neuen Kommunikationstechnologien und Medien entstehenden Herausforderungen mehrfach behandelt (Band 292 »Wettbewerb in der Internetökonomie«; Band 266 »Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte als Herausforderung an die Wettbewerbspolitik«; Band 252 »Herausforderung Medien: Zwischen Feiheit und Zwang«). Aktuelle Fragen zur Fusionskontrolle bildeten ebenso einen weiteren Schwerpunkt (Band 288 »Megafusionen«; Band 270 »Die Europäische Fusionskontrolle«) wie der »Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft« (Band 299).
Die jüngsten beiden Bände beschäftigen sich mit eher grundsätzlichen Fragestellungen. So wurde auf der Jahrestagung 2004 die Bedeutung von Effizienzkriterien für die Wettbewerbspolitik (Band 306 »Effizienz und Wettbewerb«) diskutiert, während sich die Jahrestagung 2005 mit dem Konfliktfeld der Internationalen Wettbewerbspolitik befasste (Band 311 »Internationale Wettbewerbspolitik«).
Zum aktuellen Band - »Internationale Wettbewerbspolitik«:
Internationale Fusionen entwickeln sich zunehmend zu Streitfällen zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden. Einerseits wird deshalb, auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit, der Ruf nach einem Weltkartellamt immer lauter. Andererseits könnte auch auf verstärkte Kooperation und Abstimmung zwischen den nationalen Kartellbehörden gesetzt werden. Welche der beiden Lösungen ist nun aus ökonomischer Sicht angemessener?
Der vorliegende Band umfasst die bei der Tagung 2005 der Arbeitsgruppe Wettbewerb an der Universität Marburg zu diesem Thema gehaltenen Referate. Einen eigenständigen Vorschlag aus ökonomischer Sicht bezüglich Zentralität und Dezentralität im Kartellrecht entwickeln Wolfgang Kerber und Oliver Budzinski in ihrem Beitrag. Komplementär dazu beleuchtet Josef Drexl Gestaltungsansätze aus juristischer Perspektive. Über die unterschiedliche Praxis europäischer und amerikanischer Kartellbehörden und deren ökonomische Konsequenzen referiert Andreas Strohm am Beispiel ausgewählter Eingriffskriterien im Wettbewerbsrecht. Praktische Anwendungsfälle werden in den Beiträgen von Michael Baron anhand der Empagran-Entscheidung des US Supreme Court und von Rainer Bechtold anhand internationaler Fusionskontrollfälle aufgezeigt.
Die im folgenden aufgeführten Bände geben das gesamte Spektrum der aktuellen wettbewerbspolitischen Kontroversen wieder. So wurden etwa die durch das Internet und die Neuen Kommunikationstechnologien und Medien entstehenden Herausforderungen mehrfach behandelt (Band 292 »Wettbewerb in der Internetökonomie«; Band 266 »Die Dynamik der Telekommunikationsmärkte als Herausforderung an die Wettbewerbspolitik«; Band 252 »Herausforderung Medien: Zwischen Feiheit und Zwang«). Aktuelle Fragen zur Fusionskontrolle bildeten ebenso einen weiteren Schwerpunkt (Band 288 »Megafusionen«; Band 270 »Die Europäische Fusionskontrolle«) wie der »Wettbewerb in der Versorgungswirtschaft« (Band 299).
Die jüngsten beiden Bände beschäftigen sich mit eher grundsätzlichen Fragestellungen. So wurde auf der Jahrestagung 2004 die Bedeutung von Effizienzkriterien für die Wettbewerbspolitik (Band 306 »Effizienz und Wettbewerb«) diskutiert, während sich die Jahrestagung 2005 mit dem Konfliktfeld der Internationalen Wettbewerbspolitik befasste (Band 311 »Internationale Wettbewerbspolitik«).
Zum aktuellen Band - »Internationale Wettbewerbspolitik«:
Internationale Fusionen entwickeln sich zunehmend zu Streitfällen zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden. Einerseits wird deshalb, auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit, der Ruf nach einem Weltkartellamt immer lauter. Andererseits könnte auch auf verstärkte Kooperation und Abstimmung zwischen den nationalen Kartellbehörden gesetzt werden. Welche der beiden Lösungen ist nun aus ökonomischer Sicht angemessener?
Der vorliegende Band umfasst die bei der Tagung 2005 der Arbeitsgruppe Wettbewerb an der Universität Marburg zu diesem Thema gehaltenen Referate. Einen eigenständigen Vorschlag aus ökonomischer Sicht bezüglich Zentralität und Dezentralität im Kartellrecht entwickeln Wolfgang Kerber und Oliver Budzinski in ihrem Beitrag. Komplementär dazu beleuchtet Josef Drexl Gestaltungsansätze aus juristischer Perspektive. Über die unterschiedliche Praxis europäischer und amerikanischer Kartellbehörden und deren ökonomische Konsequenzen referiert Andreas Strohm am Beispiel ausgewählter Eingriffskriterien im Wettbewerbsrecht. Praktische Anwendungsfälle werden in den Beiträgen von Michael Baron anhand der Empagran-Entscheidung des US Supreme Court und von Rainer Bechtold anhand internationaler Fusionskontrollfälle aufgezeigt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2007Wettbewerb im Wettbewerb
Die Folgen der Globalisierung für die Kartellbehörden
Dass die Globalisierung die Rahmenbedingungen für die Wettbewerbspolitik geändert hat, ist ein fast trivialer Befund. Sie hat dem Bundeskartellamt einen erheblichen Bedeutungsverlust und der Europäischen Kommission einen Kompetenzzuwachs beschert. Immer wieder lässt die Globalisierung Rufe nach einer Weltkartellbehörde aufkommen. Zugleich ist sie die Ursache kartellrechtlicher Konflikte: Gleiche Tatbestände werden von verschiedenen Behörden (vor allem dies- und jenseits des Atlantiks) unterschiedlich bewertet, nationale Behörden haben andere Maßstäbe als die EU. Auch der Missbrauch des Wettbewerbsrechts für Zwecke des "Schutzes" vor der Globalisierung - sprich für Protektionismus - ist verbreitet.
Diese "internationalen Herausforderungen" an die Wettbewerbspolitik waren Gegenstand einer Tagung der Arbeitsgruppe Wettbewerb im Wirtschaftspolitischen Ausschuss des Vereins für Socialpolitik, deren Ergebnisse in einem schmalen Sammelband zusammengefasst sind. Je ein Grundsatzreferat von ökonomischer und juristischer Seite wird ergänzt durch mehrere Beiträge aus der Praxis. Oliver Budzinski und Wolfgang Kerber (Universität Marburg) beschäftigen sich mit der Frage einer adäquaten internationalen Kompetenzverteilung. Sie verwerfen die Forderung nach einem Weltkartellamt, halten aber auch das derzeitige Nebeneinander nationaler und supranationaler Behörden, deren recht informelle Zusammenarbeit mittlerweile im "International Competition Network" (ICN) institutionalisiert ist, für unbefriedigend. Die beiden Ökonomen plädieren für eine intensive, auf Kriterien der ökonomischen Föderalismustheorie aufbauende Diskussion über die Verteilung der Kompetenzen für die Setzung und Durchsetzung wettbewerbspolitischer Regeln. Zu welchem Ergebnis diese Diskussion führen könnte, lassen sie weitgehend offen. Josef Drexl (Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München) wird konkreter und legt einen "Drei-Stufen-Plan zur Entwicklung einer internationalen Wettbewerbspolitik" vor. Dieser läuft auf einen langfristigen Ausbau des ICN zu einer "Weltwettbewerbsorganisation" hinaus, die zwar ein multilaterales Forum ähnlich der Welthandelsorganisation WTO werden sollte, aber von den nationalen Behörden getragen würde. Die "Angleichung der praktischen Wettbewerbspolitik durch Konvergenz von unten" sei erfolgversprechender und eigne sich besser zur Entschärfung von Entscheidungskonflikten als eine Rechtsangleichung von oben.
Der deutsche Kartellamtspräsident Ulf Böge, einer der wichtigsten Entscheidungsträger im ICN, berichtet über dessen Arbeit, ohne letztlich eine Antwort darauf zu geben, ob das Netz wirklich das Potential hat, um die von Drexl skizzierten Aufgaben zu erfüllen. Andreas Strohm (Europäische Kommission) berichtet mit durchaus kritischem Unterton, dass sich die "Konvergenz von unten" in der Praxis bereits entwickelt. Ein Beleg sei die Annäherung der europäischen Entscheidungspraxis in der Missbrauchsaufsicht und in der Fusionskontrolle an in Amerika längst gängige ökonomische Effizienzkriterien. Drexl kann diesem "more economic approach" wenig abgewinnen: Er verspreche "mit rechtlich nicht hinreichend fassbaren Termini eine Wissenschaftlichkeit, die bloße Scheinwissenschaft bleibt".
Der Sammelband bietet einen anschaulichen, wenn auch knappen Aufriss der zahlreichen Fragen, die sich mit der Internationalisierung der Wettbewerbspolitik verbinden. Antworten bietet er - wenig überraschend - kaum.
WERNER MUSSLER.
Peter Oberender (Herausgeber): Internationale Wettbewerbspolitik. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006, 147 Seiten, 64 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Folgen der Globalisierung für die Kartellbehörden
Dass die Globalisierung die Rahmenbedingungen für die Wettbewerbspolitik geändert hat, ist ein fast trivialer Befund. Sie hat dem Bundeskartellamt einen erheblichen Bedeutungsverlust und der Europäischen Kommission einen Kompetenzzuwachs beschert. Immer wieder lässt die Globalisierung Rufe nach einer Weltkartellbehörde aufkommen. Zugleich ist sie die Ursache kartellrechtlicher Konflikte: Gleiche Tatbestände werden von verschiedenen Behörden (vor allem dies- und jenseits des Atlantiks) unterschiedlich bewertet, nationale Behörden haben andere Maßstäbe als die EU. Auch der Missbrauch des Wettbewerbsrechts für Zwecke des "Schutzes" vor der Globalisierung - sprich für Protektionismus - ist verbreitet.
Diese "internationalen Herausforderungen" an die Wettbewerbspolitik waren Gegenstand einer Tagung der Arbeitsgruppe Wettbewerb im Wirtschaftspolitischen Ausschuss des Vereins für Socialpolitik, deren Ergebnisse in einem schmalen Sammelband zusammengefasst sind. Je ein Grundsatzreferat von ökonomischer und juristischer Seite wird ergänzt durch mehrere Beiträge aus der Praxis. Oliver Budzinski und Wolfgang Kerber (Universität Marburg) beschäftigen sich mit der Frage einer adäquaten internationalen Kompetenzverteilung. Sie verwerfen die Forderung nach einem Weltkartellamt, halten aber auch das derzeitige Nebeneinander nationaler und supranationaler Behörden, deren recht informelle Zusammenarbeit mittlerweile im "International Competition Network" (ICN) institutionalisiert ist, für unbefriedigend. Die beiden Ökonomen plädieren für eine intensive, auf Kriterien der ökonomischen Föderalismustheorie aufbauende Diskussion über die Verteilung der Kompetenzen für die Setzung und Durchsetzung wettbewerbspolitischer Regeln. Zu welchem Ergebnis diese Diskussion führen könnte, lassen sie weitgehend offen. Josef Drexl (Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München) wird konkreter und legt einen "Drei-Stufen-Plan zur Entwicklung einer internationalen Wettbewerbspolitik" vor. Dieser läuft auf einen langfristigen Ausbau des ICN zu einer "Weltwettbewerbsorganisation" hinaus, die zwar ein multilaterales Forum ähnlich der Welthandelsorganisation WTO werden sollte, aber von den nationalen Behörden getragen würde. Die "Angleichung der praktischen Wettbewerbspolitik durch Konvergenz von unten" sei erfolgversprechender und eigne sich besser zur Entschärfung von Entscheidungskonflikten als eine Rechtsangleichung von oben.
Der deutsche Kartellamtspräsident Ulf Böge, einer der wichtigsten Entscheidungsträger im ICN, berichtet über dessen Arbeit, ohne letztlich eine Antwort darauf zu geben, ob das Netz wirklich das Potential hat, um die von Drexl skizzierten Aufgaben zu erfüllen. Andreas Strohm (Europäische Kommission) berichtet mit durchaus kritischem Unterton, dass sich die "Konvergenz von unten" in der Praxis bereits entwickelt. Ein Beleg sei die Annäherung der europäischen Entscheidungspraxis in der Missbrauchsaufsicht und in der Fusionskontrolle an in Amerika längst gängige ökonomische Effizienzkriterien. Drexl kann diesem "more economic approach" wenig abgewinnen: Er verspreche "mit rechtlich nicht hinreichend fassbaren Termini eine Wissenschaftlichkeit, die bloße Scheinwissenschaft bleibt".
Der Sammelband bietet einen anschaulichen, wenn auch knappen Aufriss der zahlreichen Fragen, die sich mit der Internationalisierung der Wettbewerbspolitik verbinden. Antworten bietet er - wenig überraschend - kaum.
WERNER MUSSLER.
Peter Oberender (Herausgeber): Internationale Wettbewerbspolitik. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006, 147 Seiten, 64 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main