The original transcripts of interviews with key Nazis that took place in 1945 and brought to light the true atrocities that had been carried out during World War II. "Remarkable and gripping... the interrogations, along with Overy's incisive commentary, throw light on the dejected cast who had once danced to Hitler's tune" David Stafford, "The Times". Illus.
How can we ever understand why those in the Third Reich acted the way they did? What could have led them to commit such atrocities in the name of the Fuhrer? This title offers shocking insight into Hitler's henchmen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2003Scharfschütze Speer
Verhöre der nationalsozialistischen Elite durch die Alliierten im Frühjahr 1945
Richard Overy: Verhöre. Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945. Propyläen Verlag, München/Berlin 2002. 652 Seiten, 30,- [Euro].
Das Interesse an der nationalsozialistischen Prominenz ist unerschöpflich - ob es sich dabei um die mit viel Tränen garnierten Erinnerungen der Hitler-Sekretärin Traudl Junge oder um jene unsäglichen Fernsehdokumentationen handelt, die etwa mit Heydrichs Kindern auf Skiern einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung leisten wollen. Den britischen Historiker Overy leitet ein anderes Interesse. Er erschließt neue Quellen, vornehmlich Protokolle von Vernehmungen, die mit prominenten Nazis nach deren Gefangennahme, also seit Mai 1945, geführt wurden. Sie begannen zu einer Zeit, als weder bei Siegern noch Besiegten klare Vorstellungen über ihr künftiges Schicksal bestanden, denn erst im Anschluß an die Potsdamer Konferenz wurde ein formelles Abkommen über das alliierte Militärtribunal unterzeichnet, das die Hauptkriegsverbrecher aburteilen sollte und seinen Sitz in Nürnberg nahm.
Die umfangreiche Einleitung bezieht sich nicht nur auf die Quellen, sondern zeigt umsichtig auf der Basis der britischen Akten den langen Weg auf, der von der Forderung Churchills nach summarischer Erschießung ohne Verfahren aus dem Jahre 1943 bis zur Aushändigung der Anklageschrift an die Hauptangeklagten am 16. Oktober 1945 zurückzulegen war. Dabei setzten die Amerikaner das Konzept eines Gerichtsverfahrens gegenüber ihren britischen Verbündeten durch. Nach der Kapitulation erkannten die alliierten Anklagevertreter und Vernehmungsoffiziere, wie gering ihr Wissen über die deutsche Diktatur war und welche Probleme in der Beweissicherung lagen. Damit rückten die Vernehmungen der Hauptakteure oder anderer Wissensträger neben der Suche nach Dokumenten in den Vordergrund des Interesses.
Dies erwies sich als besonders notwendig bei dem schwerwiegenden Anklagepunkt des Judenmordes. Hier war und ist die Quellenlage besonders dürftig, aber als Ersatz dienten damals die Vernehmungen der dafür Zuständigen. Eichmanns enger Mitarbeiter Dieter Wisliceny zeigte sich erstaunlich auskunftsfreudig. Allerdings ist seine Datierung bemerkenswert. Er setzt den Beginn der "Endlösung" erst im Frühjahr 1942 an. Ende April oder Anfang Mai sei es gewesen, als er den Befehl Himmlers "mit eigenen Augen" gesehen habe.
Bei den Vernehmungen zum Auschwitz-Komplex kam es zu einer "bizarren Gegenüberstellung", als ein Führer der Wachmannschaft von Auschwitz sich herausreden wollte, aber von seinem KZ-Kommandanten Höß scharf korrigiert wurde, so daß im Ergebnis eine detaillierte Schilderung des Vernichtungsprozesses dokumentiert wird. Besonders makaber erscheint die Mitwirkung der SS-Ärzte, denn der Gang in die Gaskammer wurde "korrekt" von einem Arzt "beaufsichtigt". Und wieder war nach Einwerfen des Giftgases ein Arzt notwendig, der "dafür verantwortlich" war, "daß alle tot waren und alle Leichen weggeschafft wurden" - als ob das feste Posten in der Gebührenordnung für SS-Ärzte gewesen wären.
Fast alle Nürnberger Angeklagten sind in dem Band vertreten, die meisten wie Frick, Ley, Ribbentrop und Streicher nur als Beleg für ihre Bedeutungslosigkeit oder pathologischen Judenhaß. Göring erscheint intelligenter und mimte den Biedermann, besonders als Mäzen, der vor allem den Kunsthandel in Europa und selbst in New York beschäftigt haben wollte. OKW-Chef Keitel stellte schon im Juni 1945 den Rußlandfeldzug als reine Abwehrmaßnahme dar. Denn es war "unsere feste und entschiedene Überzeugung, daß die Russen diesen Krieg begannen, indem sie Division auf Division an unsere Ostgrenze verlegten". Nur einen Punkt gab er wie auch Wehrmachtführungsstabschef Jodl zu: die ungeheure Schlagkraft der alliierten Luftstreitkräfte und die hoffnungslose Unterlegenheit der Luftwaffe.
Am ausführlichsten kommt Albert Speer zu Wort. Seine Taktik bei den Vernehmungen wird überaus deutlich: Er betont mit Nachdruck seine Rolle als der wirklich Kompetente für die deutsche Rüstungsindustrie, der einzige, der den Amerikanern sagen könnte, was sie beim Bomben für Fehler gemacht haben, und daß er gern bereit sei, sie weiter zu beraten, damit sie im Krieg gegen Japan nicht noch einmal dieselben Fehler begingen. Er war höchst kooperativ und wollte seinen Vernehmern unentbehrlich erscheinen, damit ihn die Amerikaner nicht an die Sowjets auslieferten. Sorgsam achtete er darauf, als Mitschuldiger, aber nicht als Täter zu erscheinen. Er stellte stets das Problem der Machbarkeit in den Vordergrund und verdrängte vollkommen die Konsequenzen, etwa seine Anforderungen von KZ-Häftlingen, die dann das Machbare erst ermöglichten. Besonderes Interesse darf das ausführliche Verhör beanspruchen, das um die Person, Politik und Arbeitsweise Adolf Hitlers kreist.
Obwohl es schon 1999 in einer Speer-Dokumentation von Ulrich Schlie veröffentlicht wurde, ist der Wiederabdruck im Kontext der alliierten Vernehmungen durchaus zu begrüßen. Denn der Quellenwert der Anfang Oktober 1945 gemachten Aussagen und die von ihm damals formulierte Beurteilung Hitlers ist quellenmäßig höher zu bewerten als die Versatzstücke, die später in seinem Memoirenkonstrukt verstreut auftauchen. Dort ist bekanntlich auch von seinem Plan die Rede, Hitler im Reichskanzleibunker mit Gas zu vergiften. Tatsächlich gehörte der Attentatsplan schon zum eisernen Bestand seiner früh zurechtgelegten Verteidigungsstrategie, um Pluspunkte als aktiver Widerstandskämpfer zu sammeln. Zu diesem Zweck hatte er sich mit einem Mitarbeiter vorher abgesprochen, denn Dietrich Stahl präsentierte sie unabhängig von Speer und konnte sogar mit einem weiteren Mordkomplott seines Ministers aufwarten: Speer habe geplant, die drei gefährlichsten Nazis - Himmler, Goebbels und Bormann - zu erschießen. Zuerst wollte er den Anschlag vor der Reichskanzlei durchführen, ein anderes Mal wollte er den Nazigrößen in den Außenbezirken auflauern, wenn sie nach einem Luftangriff wieder in ihre Villen fuhren.
Leichte Maschinengewehre, Pistolen, Munition und Leuchtpatronen habe Speer schon beschaffen lassen. Wie sollte aber das Attentat durchgeführt werden? Ganz einfach, "er habe ein paar mutige Männer gefunden, . . . und er selbst werde sich einen der drei Wagen vornehmen". Mit britischer Zurückhaltung hält Overy diese Angaben für wenig glaubwürdig"; man könnte es auch schärfer formulieren. Auf jeden Fall runden sie den Eindruck ab, den die Quellen über Speer in diesem Band vermitteln.
Obwohl auch schon von Schlie veröffentlicht, verzichtet Overy nicht auf den Abdruck des Berichtes "Frauen um Hitler" vom Sommer 1945. Autor war der SS-Arzt Karl Brandt, bis 1944 Begleitarzt Hitlers, ein Freund Speers, der beim Schönreden allerdings weniger Geschick als dieser zeigte und wegen Teilnahme am Euthanasieprogramm gehängt wurde. Brandt läßt die weibliche Begleitung Revue passieren, von Eva Braun, den Damen Speer und Brandt bis zu den Sekretärinnen. Damit sind wir wieder bei besagter Traudl Junge, die "mit Naivität . . . jugendliche Frische und Unbeschwertheit" verband: "Sie war klug, um nicht zu sagen schlau." Das brachte ihr "väterliches" Wohlwollen beim "Führer" und postumen Bestsellerruhm ein. Mit seinem Urteil scheint Brandt nicht falsch gelegen zu haben.
HENNING KÖHLER
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Verhöre der nationalsozialistischen Elite durch die Alliierten im Frühjahr 1945
Richard Overy: Verhöre. Die NS-Elite in den Händen der Alliierten 1945. Propyläen Verlag, München/Berlin 2002. 652 Seiten, 30,- [Euro].
Das Interesse an der nationalsozialistischen Prominenz ist unerschöpflich - ob es sich dabei um die mit viel Tränen garnierten Erinnerungen der Hitler-Sekretärin Traudl Junge oder um jene unsäglichen Fernsehdokumentationen handelt, die etwa mit Heydrichs Kindern auf Skiern einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung leisten wollen. Den britischen Historiker Overy leitet ein anderes Interesse. Er erschließt neue Quellen, vornehmlich Protokolle von Vernehmungen, die mit prominenten Nazis nach deren Gefangennahme, also seit Mai 1945, geführt wurden. Sie begannen zu einer Zeit, als weder bei Siegern noch Besiegten klare Vorstellungen über ihr künftiges Schicksal bestanden, denn erst im Anschluß an die Potsdamer Konferenz wurde ein formelles Abkommen über das alliierte Militärtribunal unterzeichnet, das die Hauptkriegsverbrecher aburteilen sollte und seinen Sitz in Nürnberg nahm.
Die umfangreiche Einleitung bezieht sich nicht nur auf die Quellen, sondern zeigt umsichtig auf der Basis der britischen Akten den langen Weg auf, der von der Forderung Churchills nach summarischer Erschießung ohne Verfahren aus dem Jahre 1943 bis zur Aushändigung der Anklageschrift an die Hauptangeklagten am 16. Oktober 1945 zurückzulegen war. Dabei setzten die Amerikaner das Konzept eines Gerichtsverfahrens gegenüber ihren britischen Verbündeten durch. Nach der Kapitulation erkannten die alliierten Anklagevertreter und Vernehmungsoffiziere, wie gering ihr Wissen über die deutsche Diktatur war und welche Probleme in der Beweissicherung lagen. Damit rückten die Vernehmungen der Hauptakteure oder anderer Wissensträger neben der Suche nach Dokumenten in den Vordergrund des Interesses.
Dies erwies sich als besonders notwendig bei dem schwerwiegenden Anklagepunkt des Judenmordes. Hier war und ist die Quellenlage besonders dürftig, aber als Ersatz dienten damals die Vernehmungen der dafür Zuständigen. Eichmanns enger Mitarbeiter Dieter Wisliceny zeigte sich erstaunlich auskunftsfreudig. Allerdings ist seine Datierung bemerkenswert. Er setzt den Beginn der "Endlösung" erst im Frühjahr 1942 an. Ende April oder Anfang Mai sei es gewesen, als er den Befehl Himmlers "mit eigenen Augen" gesehen habe.
Bei den Vernehmungen zum Auschwitz-Komplex kam es zu einer "bizarren Gegenüberstellung", als ein Führer der Wachmannschaft von Auschwitz sich herausreden wollte, aber von seinem KZ-Kommandanten Höß scharf korrigiert wurde, so daß im Ergebnis eine detaillierte Schilderung des Vernichtungsprozesses dokumentiert wird. Besonders makaber erscheint die Mitwirkung der SS-Ärzte, denn der Gang in die Gaskammer wurde "korrekt" von einem Arzt "beaufsichtigt". Und wieder war nach Einwerfen des Giftgases ein Arzt notwendig, der "dafür verantwortlich" war, "daß alle tot waren und alle Leichen weggeschafft wurden" - als ob das feste Posten in der Gebührenordnung für SS-Ärzte gewesen wären.
Fast alle Nürnberger Angeklagten sind in dem Band vertreten, die meisten wie Frick, Ley, Ribbentrop und Streicher nur als Beleg für ihre Bedeutungslosigkeit oder pathologischen Judenhaß. Göring erscheint intelligenter und mimte den Biedermann, besonders als Mäzen, der vor allem den Kunsthandel in Europa und selbst in New York beschäftigt haben wollte. OKW-Chef Keitel stellte schon im Juni 1945 den Rußlandfeldzug als reine Abwehrmaßnahme dar. Denn es war "unsere feste und entschiedene Überzeugung, daß die Russen diesen Krieg begannen, indem sie Division auf Division an unsere Ostgrenze verlegten". Nur einen Punkt gab er wie auch Wehrmachtführungsstabschef Jodl zu: die ungeheure Schlagkraft der alliierten Luftstreitkräfte und die hoffnungslose Unterlegenheit der Luftwaffe.
Am ausführlichsten kommt Albert Speer zu Wort. Seine Taktik bei den Vernehmungen wird überaus deutlich: Er betont mit Nachdruck seine Rolle als der wirklich Kompetente für die deutsche Rüstungsindustrie, der einzige, der den Amerikanern sagen könnte, was sie beim Bomben für Fehler gemacht haben, und daß er gern bereit sei, sie weiter zu beraten, damit sie im Krieg gegen Japan nicht noch einmal dieselben Fehler begingen. Er war höchst kooperativ und wollte seinen Vernehmern unentbehrlich erscheinen, damit ihn die Amerikaner nicht an die Sowjets auslieferten. Sorgsam achtete er darauf, als Mitschuldiger, aber nicht als Täter zu erscheinen. Er stellte stets das Problem der Machbarkeit in den Vordergrund und verdrängte vollkommen die Konsequenzen, etwa seine Anforderungen von KZ-Häftlingen, die dann das Machbare erst ermöglichten. Besonderes Interesse darf das ausführliche Verhör beanspruchen, das um die Person, Politik und Arbeitsweise Adolf Hitlers kreist.
Obwohl es schon 1999 in einer Speer-Dokumentation von Ulrich Schlie veröffentlicht wurde, ist der Wiederabdruck im Kontext der alliierten Vernehmungen durchaus zu begrüßen. Denn der Quellenwert der Anfang Oktober 1945 gemachten Aussagen und die von ihm damals formulierte Beurteilung Hitlers ist quellenmäßig höher zu bewerten als die Versatzstücke, die später in seinem Memoirenkonstrukt verstreut auftauchen. Dort ist bekanntlich auch von seinem Plan die Rede, Hitler im Reichskanzleibunker mit Gas zu vergiften. Tatsächlich gehörte der Attentatsplan schon zum eisernen Bestand seiner früh zurechtgelegten Verteidigungsstrategie, um Pluspunkte als aktiver Widerstandskämpfer zu sammeln. Zu diesem Zweck hatte er sich mit einem Mitarbeiter vorher abgesprochen, denn Dietrich Stahl präsentierte sie unabhängig von Speer und konnte sogar mit einem weiteren Mordkomplott seines Ministers aufwarten: Speer habe geplant, die drei gefährlichsten Nazis - Himmler, Goebbels und Bormann - zu erschießen. Zuerst wollte er den Anschlag vor der Reichskanzlei durchführen, ein anderes Mal wollte er den Nazigrößen in den Außenbezirken auflauern, wenn sie nach einem Luftangriff wieder in ihre Villen fuhren.
Leichte Maschinengewehre, Pistolen, Munition und Leuchtpatronen habe Speer schon beschaffen lassen. Wie sollte aber das Attentat durchgeführt werden? Ganz einfach, "er habe ein paar mutige Männer gefunden, . . . und er selbst werde sich einen der drei Wagen vornehmen". Mit britischer Zurückhaltung hält Overy diese Angaben für wenig glaubwürdig"; man könnte es auch schärfer formulieren. Auf jeden Fall runden sie den Eindruck ab, den die Quellen über Speer in diesem Band vermitteln.
Obwohl auch schon von Schlie veröffentlicht, verzichtet Overy nicht auf den Abdruck des Berichtes "Frauen um Hitler" vom Sommer 1945. Autor war der SS-Arzt Karl Brandt, bis 1944 Begleitarzt Hitlers, ein Freund Speers, der beim Schönreden allerdings weniger Geschick als dieser zeigte und wegen Teilnahme am Euthanasieprogramm gehängt wurde. Brandt läßt die weibliche Begleitung Revue passieren, von Eva Braun, den Damen Speer und Brandt bis zu den Sekretärinnen. Damit sind wir wieder bei besagter Traudl Junge, die "mit Naivität . . . jugendliche Frische und Unbeschwertheit" verband: "Sie war klug, um nicht zu sagen schlau." Das brachte ihr "väterliches" Wohlwollen beim "Führer" und postumen Bestsellerruhm ein. Mit seinem Urteil scheint Brandt nicht falsch gelegen zu haben.
HENNING KÖHLER
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