Provides a view of global diplomacy during one of the most tumultuous periods in UN history. This title shows readers a world where solutions are available, if we have the will and courage to see them through.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2013Visionär und Realist
Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan blickt zurück auf eine Karriere im Dienst der Weltorganisation
Der Glaube, dass politische Überzeugungsarbeit und die Beteiligung an einer "größeren Sache" durch Dialog und Verhandlung einzig zu nachhaltigem Erfolg und friedlicher Koexistenz führen, hat Kofi Annan sehr bald bewogen, nach dem Studium die Karriere außerhalb seines Landes Ghana fortzusetzen. So kam er bereits 1973 zu den Vereinten Nationen (UN) - nicht zuletzt, um seinem eigenen Land und seinem Kontinent zu helfen. Prägend sind dabei die Jahre seiner Tätigkeit beim UN-Sekretariat, wo er bereits früh registriert, dass weder Frieden und Selbstbestimmung noch die physische Existenz in einer seit 1989/90 konfliktreicheren Welt für alle gesichert sind. Als Beigeordneter Generalsekretär, unter anderem zuständig für UN-Blauhelmeinsätze, erlebt er bereits von Ende der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre die schwersten Krisen (Somalia, Srebrenica und Ruanda) und den damit einhergehenden Ansehensverlust der Weltorganisation, bevor er Boutros-Ghali ablöst und von 1997 bis 2006 Generalsekretär wird.
Auch in diese Zeit fallen zahlreiche Konflikte und (Bürger-)Kriege, etwa auf dem Balkan, auf seinem Heimatkontinent, schließlich im Irak und in Afghanistan. Hinzu kommt die neuerliche Verschärfung des Dauerkonflikts Nahost. Entsprechend steht das Krisenmanagement der UN im Mittelpunkt des Bandes. Annan schildert die Erfolge und Schwierigkeiten seiner Vermittlungsbemühungen im Auftrag der UN und gewährt Einblicke hinter die Kulissen in seinen Auseinandersetzungen mit den Großen der Welt. Dabei zeigt er sich als Visionär und Realist zugleich. Er ist einerseits entschlossen, der Weltorganisation in Zeiten, da die Friedenssicherung eine explosionsartige Ausweitung von Umfang, Zahl und Zielen erfährt, durch gezielte Reformvorschläge und Neuakzentuierung des Spannungsverhältnisses von Souveränität und Menschenrechten (humanitäre Intervention und Schutzverantwortung) neues Ansehen zu verschaffen. Andererseits ist er sich stets der Grenzen ihres Handelns auf Grund der völligen Abhängigkeit vom Wohlwollen der Mitgliedstaaten, gerade der mächtigen ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, bewusst.
Wie sein Vorgänger erfuhr auch er Jahre später schmerzlich, welche Risiken eine zu selbstbewusste Weltmacht für den Frieden und für die Legitimation der Vereinten Nationen bedeuten kann. Der Irak-Krieg verletzte nicht nur die UN-Charta, sondern veranschaulichte einmal mehr die Ohnmacht der Organisation und der Idee der multilateralen Friedenssicherung. Er führte maßgeblich dazu, dass sich Annan fortan noch konsequenter den Fragen zuwandte, wie die Weltgemeinschaft Legalität und Legitimität beim Einsatz von Gewalt garantieren konnte, welche Planungen für die Entwicklung nach einem Konflikt zu unternehmen waren und welche Bedeutung Sicherheit als Basis jeden Aufbaus hatte.
Im Bewusstsein solcher eigenen Grenzen und eben der Tatsache, dass der Einsatz militärischer Gewalt notwendig sein kann (so etwa in Darfur 2007), scheute sich Annan auch nicht, etwa im Falle der humanitären Intervention westlicher Staaten im Kosovo, die ohne UN-Mandat durchgeführt wurde, im Nachhinein von einer moralischen Gebotenheit zu sprechen: Wenn Völkermord oder eklatante Menschenrechtsverletzungen die Alternative sind, dann dürften die Vereinten Nationen nicht "wegschauen", sondern müssten sich "einmischen".
Mit anderen Worten, Ereignisse wie im Kosovo zeigten, dass die realen Machtverhältnisse, der Einsatz von Gewalt sowie politische Entschlossenheit es bisweilen bewirken könnten, dass die Rhetorik von der Schutzverantwortung in der Wirklichkeit ihre Entsprechung findet. Seine Vision einer UN ist die einer Organisation, die nicht den Staaten, sondern den Menschen dient. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieses Engagement auf Grund der immer wieder neu aufgeworfenen Frage nach dem politischen Willen (und auch Interessen) der Staatengemeinschaft von Natur aus selektiv ist. Und dass der Einsatz militärischer Gewalt niemals allein über Erfolg oder Misserfolg einer Intervention entscheidet; letztlich hängt der Schutz von Zivilisten viel mehr von den "friedlichen Umständen und den Institutionen" ab, unter denen sie leben.
Einblicke gewährt Annan darüber hinaus in die Debatte um die Umsetzung der Millenniums-Erklärung und die Diskussion um die Reform der Weltregierung als weitere Daueraufgaben der Organisation. Bei Letzterer ist die Resignation bezüglich des Umbaus des Sicherheitsrates bisweilen deutlich spürbar: Die von Annan vorgeschlagenen Modelle zur Vergrößerung des Sicherheitsrats scheiterten beide und ließen ihn das Augenmerk bald wieder auf das Kernthema der Verbesserung der kollektiven Sicherheit im 21. Jahrhundert lenken. Außerdem ersetzte er in seiner Amtszeit die in Verruf geratene Menschenrechtskommission durch einen Menschenrechtsrat und bildete eine Kommission für Friedenskonsolidierung, die dann die vielfältigen Erfordernisse von Interventionen in Bürgerkriegszonen koordinieren sollte. Kern ihrer Arbeit sollte eine bessere Verzahnung der Aktivitäten von Militär, Entwicklungsarbeit und humanitären Aktivitäten einschließlich des nachhaltigen postkonfliktmanagements sein. In diesem Zusammenhang griff Annan in seiner Amtszeit auch die Millenniumsziele immer wieder auf. Mit ihnen endet auch sein Plädoyer nicht etwa für eine Revision der Ziele, sondern vielmehr für eine Anpassung der individuellen Vorsätze - entsprechend den jeweiligen Veränderungen und bei einer möglichen Anhebung der Messlatte - und der Mittel für ihre Verwirklichung.
STEFAN FRÖHLICH
Kofi Annan: Ein Leben in Krieg und Frieden. DVA, München 2013. 464 S., 26,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan blickt zurück auf eine Karriere im Dienst der Weltorganisation
Der Glaube, dass politische Überzeugungsarbeit und die Beteiligung an einer "größeren Sache" durch Dialog und Verhandlung einzig zu nachhaltigem Erfolg und friedlicher Koexistenz führen, hat Kofi Annan sehr bald bewogen, nach dem Studium die Karriere außerhalb seines Landes Ghana fortzusetzen. So kam er bereits 1973 zu den Vereinten Nationen (UN) - nicht zuletzt, um seinem eigenen Land und seinem Kontinent zu helfen. Prägend sind dabei die Jahre seiner Tätigkeit beim UN-Sekretariat, wo er bereits früh registriert, dass weder Frieden und Selbstbestimmung noch die physische Existenz in einer seit 1989/90 konfliktreicheren Welt für alle gesichert sind. Als Beigeordneter Generalsekretär, unter anderem zuständig für UN-Blauhelmeinsätze, erlebt er bereits von Ende der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre die schwersten Krisen (Somalia, Srebrenica und Ruanda) und den damit einhergehenden Ansehensverlust der Weltorganisation, bevor er Boutros-Ghali ablöst und von 1997 bis 2006 Generalsekretär wird.
Auch in diese Zeit fallen zahlreiche Konflikte und (Bürger-)Kriege, etwa auf dem Balkan, auf seinem Heimatkontinent, schließlich im Irak und in Afghanistan. Hinzu kommt die neuerliche Verschärfung des Dauerkonflikts Nahost. Entsprechend steht das Krisenmanagement der UN im Mittelpunkt des Bandes. Annan schildert die Erfolge und Schwierigkeiten seiner Vermittlungsbemühungen im Auftrag der UN und gewährt Einblicke hinter die Kulissen in seinen Auseinandersetzungen mit den Großen der Welt. Dabei zeigt er sich als Visionär und Realist zugleich. Er ist einerseits entschlossen, der Weltorganisation in Zeiten, da die Friedenssicherung eine explosionsartige Ausweitung von Umfang, Zahl und Zielen erfährt, durch gezielte Reformvorschläge und Neuakzentuierung des Spannungsverhältnisses von Souveränität und Menschenrechten (humanitäre Intervention und Schutzverantwortung) neues Ansehen zu verschaffen. Andererseits ist er sich stets der Grenzen ihres Handelns auf Grund der völligen Abhängigkeit vom Wohlwollen der Mitgliedstaaten, gerade der mächtigen ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, bewusst.
Wie sein Vorgänger erfuhr auch er Jahre später schmerzlich, welche Risiken eine zu selbstbewusste Weltmacht für den Frieden und für die Legitimation der Vereinten Nationen bedeuten kann. Der Irak-Krieg verletzte nicht nur die UN-Charta, sondern veranschaulichte einmal mehr die Ohnmacht der Organisation und der Idee der multilateralen Friedenssicherung. Er führte maßgeblich dazu, dass sich Annan fortan noch konsequenter den Fragen zuwandte, wie die Weltgemeinschaft Legalität und Legitimität beim Einsatz von Gewalt garantieren konnte, welche Planungen für die Entwicklung nach einem Konflikt zu unternehmen waren und welche Bedeutung Sicherheit als Basis jeden Aufbaus hatte.
Im Bewusstsein solcher eigenen Grenzen und eben der Tatsache, dass der Einsatz militärischer Gewalt notwendig sein kann (so etwa in Darfur 2007), scheute sich Annan auch nicht, etwa im Falle der humanitären Intervention westlicher Staaten im Kosovo, die ohne UN-Mandat durchgeführt wurde, im Nachhinein von einer moralischen Gebotenheit zu sprechen: Wenn Völkermord oder eklatante Menschenrechtsverletzungen die Alternative sind, dann dürften die Vereinten Nationen nicht "wegschauen", sondern müssten sich "einmischen".
Mit anderen Worten, Ereignisse wie im Kosovo zeigten, dass die realen Machtverhältnisse, der Einsatz von Gewalt sowie politische Entschlossenheit es bisweilen bewirken könnten, dass die Rhetorik von der Schutzverantwortung in der Wirklichkeit ihre Entsprechung findet. Seine Vision einer UN ist die einer Organisation, die nicht den Staaten, sondern den Menschen dient. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieses Engagement auf Grund der immer wieder neu aufgeworfenen Frage nach dem politischen Willen (und auch Interessen) der Staatengemeinschaft von Natur aus selektiv ist. Und dass der Einsatz militärischer Gewalt niemals allein über Erfolg oder Misserfolg einer Intervention entscheidet; letztlich hängt der Schutz von Zivilisten viel mehr von den "friedlichen Umständen und den Institutionen" ab, unter denen sie leben.
Einblicke gewährt Annan darüber hinaus in die Debatte um die Umsetzung der Millenniums-Erklärung und die Diskussion um die Reform der Weltregierung als weitere Daueraufgaben der Organisation. Bei Letzterer ist die Resignation bezüglich des Umbaus des Sicherheitsrates bisweilen deutlich spürbar: Die von Annan vorgeschlagenen Modelle zur Vergrößerung des Sicherheitsrats scheiterten beide und ließen ihn das Augenmerk bald wieder auf das Kernthema der Verbesserung der kollektiven Sicherheit im 21. Jahrhundert lenken. Außerdem ersetzte er in seiner Amtszeit die in Verruf geratene Menschenrechtskommission durch einen Menschenrechtsrat und bildete eine Kommission für Friedenskonsolidierung, die dann die vielfältigen Erfordernisse von Interventionen in Bürgerkriegszonen koordinieren sollte. Kern ihrer Arbeit sollte eine bessere Verzahnung der Aktivitäten von Militär, Entwicklungsarbeit und humanitären Aktivitäten einschließlich des nachhaltigen postkonfliktmanagements sein. In diesem Zusammenhang griff Annan in seiner Amtszeit auch die Millenniumsziele immer wieder auf. Mit ihnen endet auch sein Plädoyer nicht etwa für eine Revision der Ziele, sondern vielmehr für eine Anpassung der individuellen Vorsätze - entsprechend den jeweiligen Veränderungen und bei einer möglichen Anhebung der Messlatte - und der Mittel für ihre Verwirklichung.
STEFAN FRÖHLICH
Kofi Annan: Ein Leben in Krieg und Frieden. DVA, München 2013. 464 S., 26,99 [Euro].
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