Essay aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Didaktik - Geschichte, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Historisches Seminar), Veranstaltung: Geschichte und Erzählung. Implikationen des "narrative turn" für Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik, Sprache: Deutsch, Abstract: Mitte der 1980er Jahre fand im Schatten des "Historikerstreits" mit der "Historismusdebatte" eine zweite geschichtswissenschafftliche Auseinandersetzung statt. Sie wurde ausgelöst vom Münchner Historiker Martin Broszat, der 1985 sein "Plädoyer für eine Historisierung des Nationalsozialismus" publizierte hatte. Die Forderung nach einer distanzierten, nicht moralisierenden Herangehensweise an den Nationalsozialismus und die Shoa löste eine Debatte über eine angemessene Darstellung dieser Geschichte aus, an der sich unter anderem Saul Friedländer und Hans-Ulrich Wehler mit je gegensätzlichen Positionen beteiligten. Angesichts des zunehmenden Verlusts der Augenzeugenschaft über die NS-Zeit und einer zunehmend "unbefangenen" Darstellung in der Populärkultur, scheint die Frage nach der adäquaten Form nach wie vor aktuell. Im Folgenden werde ich daher Friedländers und Wehlers Hauptwerke auf eben diese Frage hin vergleichend betrachten und untersuchen inwiefern sie diese reflektieren.Exzerpt:(...) Diese geschlossene Zeitwahrnehmung ist jedoch nur aus der Täterperspektive möglich, die somit von den schlaglichtartigen Berichten der Opfer abgegrenzt wird. Dieser Gegensatz ist von Friedländer ausdrücklich beabsichtigt. Im Vorwort zu "die Jahre der Vernichtung" weist er auf die Vielzahl der Perspektiven hin, aus denen sich die Quellen zur Shoa zusammensetzen. Diese will der Autor zu einer Gesamtdarstellung verbinden, wobei er besonderen Wert darauf legt den Opfern eine Stimme zu geben, die bisher aus der wissenschaftlichen Betrachtung des Holocaust ausgespart worden sei. Die persönlichen Aufzeichnungen sind für Friedländer jedoch auch aus einem anderen Grund unverzichtbar. Gerade durch ihren subjektiven und unmittelbaren Charakter sollen sie eine objektive "Businass-as-usual-Historiographie" durchbrechen, die eine Darstellung der Massenvernichtung verflachen und domestizieren würde. Friedländer wählt für seine Darstellung also bewusst eine fragmentierte Form, die weder eine geschlossene Narration aus der Täterperspektive bietet, noch die Zeitzeugenberichte zur mikrohistorischen Betrachtung verknüpft.
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