Der amerikanische Angriff auf den Irak hat eine lange Vorgeschichte - der deutsche UNO-Diplomat Hans von Sponeck spricht von einer "Achse der Falschinformation". Stichhaltige Beweise für die angeblich vom Irak ausgehende Gefahr oder glaubwürdige Gründe für einen Krieg, der Zehntausende von zivilen Opfern fordert und eine ganze Region destabilisiert, hat die US-Regierung nie vorgelegt. Stattdessen wird mit Hilfe der Medien ein Psychokrieg geführt und mit einer Vielzahl von Manipulationen der Militärschlag vorbereitet, der schon lange vor dem 11. September 2001 beschlossene Sache war. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat dabei eine beklagenswerte Rolle gespielt - angefangen bei der gescheiterten, aber bis zuletzt beibehaltenen Sanktionspolitik gegen den Irak. Von Sponeck war im Jahr 2000 von seinem Posten als Leiter des humanitären Programms der UNO in Bagdad zurückgetreten, weil er den Völkerrechtsbruch durch die UN-Sanktionen nicht länger mittragen wollte. Im Gespräch mndreas Zumach belegt er im Detail, wie in der Irak-Politik mit "organisierten Lügen" gearbeitet wurde - und wie der UNO-Sicherheitsrat durch Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht zunehmend für die menschliche Katastrophe im Irak verantwortlich wurde. Auch die europäische und deutsche Außenpolitik hat dabei versagt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2003Säbelrasseln
Undiplomatische Worte
über unversöhnliche Gegner
HANS VON SPONECK/ANDREAS ZUMACH: Irak, Chronik eines gewollten Krieges. Wie die Weltöffentlichkeit manipuliert und das Völkerrecht gebrochen wird, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 160 Seiten, 7,90 Euro.
Hans von Sponeck war von 1998 bis zum Februar 2000 Leiter des humanitären UNO-Hilfsprogramms im Irak („Öl für Nahrungsmittel”), legte aber sein Amt nieder. Damals begründete er seinen Schritt damit, dass es unverantwortlich sei, das irakische Volk durch Sanktionen leiden zu lassen. Auch mit Hilfsprogrammen könne die katastrophale Situation nicht überwunden werden. Sponeck, deutscher UN-Diplomat und enger Freund von Kofi Annan, hielt umfassende Wirtschaftssanktionen generell für kein taugliches Mittel und schlug vor, wieder mehr an die Ursachen der Krisenentwicklung in der Region zu gehen und auch die Probleme der betroffenen Länder ernst zu nehmen.
Mit Forderungen wie diesen stieß der Diplomat schon damals in den USA auf Unverständnis. Heute macht er in einem langen Gespräch mit dem taz- Redakteur Andreas Zumach, das mitsamt einer kurzen Chronik des Irakkonfliktes als Buch erschienen ist, seine Position zum drohenden Krieg gegen den Irak deutlich. Dabei lässt schon der Untertitel keine Zweifel an der Haltung des Interviewten bestehen, der von gebrochenem Völkerrecht und einer Manipulation der öffentlichen Meinung spricht. Nach Sponecks Meinung geht es den Amerikanern vor allem um die volle Kontrolle über die Ölreserven im Mittleren Osten, zudem sei die Administration seit dem 11. September von der Sorge getrieben, ihren Einfluss in der arabischen Welt zu verlieren.
Die Politik der Eindämmung des Irak werde nicht mehr verfolgt, weil viele Personen in der jetzigen Regierung säßen, die den Krieg zu Beginn der 90er Jahre als nicht beendet empfunden hätten. Leider mache man sich in den USA viel zu wenig Gedanken darüber, was nach dem Krieg kommen solle. Man hoffe offenbar, das „Äquivalent eines afghanischen Karzai” (des afghanischen Präsidenten) zu finden, dem man die politischen Geschäfte übergeben könne. „Das dürfte kaum funktionieren.” Sponeck spricht von einem „schleichenden Krieg” gegen das irakische Volk.
CATHRIN KAHLWEIT
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Undiplomatische Worte
über unversöhnliche Gegner
HANS VON SPONECK/ANDREAS ZUMACH: Irak, Chronik eines gewollten Krieges. Wie die Weltöffentlichkeit manipuliert und das Völkerrecht gebrochen wird, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 160 Seiten, 7,90 Euro.
Hans von Sponeck war von 1998 bis zum Februar 2000 Leiter des humanitären UNO-Hilfsprogramms im Irak („Öl für Nahrungsmittel”), legte aber sein Amt nieder. Damals begründete er seinen Schritt damit, dass es unverantwortlich sei, das irakische Volk durch Sanktionen leiden zu lassen. Auch mit Hilfsprogrammen könne die katastrophale Situation nicht überwunden werden. Sponeck, deutscher UN-Diplomat und enger Freund von Kofi Annan, hielt umfassende Wirtschaftssanktionen generell für kein taugliches Mittel und schlug vor, wieder mehr an die Ursachen der Krisenentwicklung in der Region zu gehen und auch die Probleme der betroffenen Länder ernst zu nehmen.
Mit Forderungen wie diesen stieß der Diplomat schon damals in den USA auf Unverständnis. Heute macht er in einem langen Gespräch mit dem taz- Redakteur Andreas Zumach, das mitsamt einer kurzen Chronik des Irakkonfliktes als Buch erschienen ist, seine Position zum drohenden Krieg gegen den Irak deutlich. Dabei lässt schon der Untertitel keine Zweifel an der Haltung des Interviewten bestehen, der von gebrochenem Völkerrecht und einer Manipulation der öffentlichen Meinung spricht. Nach Sponecks Meinung geht es den Amerikanern vor allem um die volle Kontrolle über die Ölreserven im Mittleren Osten, zudem sei die Administration seit dem 11. September von der Sorge getrieben, ihren Einfluss in der arabischen Welt zu verlieren.
Die Politik der Eindämmung des Irak werde nicht mehr verfolgt, weil viele Personen in der jetzigen Regierung säßen, die den Krieg zu Beginn der 90er Jahre als nicht beendet empfunden hätten. Leider mache man sich in den USA viel zu wenig Gedanken darüber, was nach dem Krieg kommen solle. Man hoffe offenbar, das „Äquivalent eines afghanischen Karzai” (des afghanischen Präsidenten) zu finden, dem man die politischen Geschäfte übergeben könne. „Das dürfte kaum funktionieren.” Sponeck spricht von einem „schleichenden Krieg” gegen das irakische Volk.
CATHRIN KAHLWEIT
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"Er ist unser Hurensohn"
Ein aktuelles Buch zu einem aktuellen Thema, dem drohenden Krieg. Der Blick auf die jüngere Geschichte und die Beziehungen zwischen den USA und dem Irak macht deutlich: Washington hat im Jahr 1979, als sich Saddam Hussein mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA an die Macht putschte, gewusst, mit wem man sich da einlässt. Unmissverständlich kabelte der Chef der Außenstelle der CIA in Bagdad nach der Machtübernahme an die Zentrale: "Saddam Hussein ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn." Er wurde im Mittleren Osten gebraucht und von West und Ost im Krieg gegen den Iran mit Waffen und Raketen beliefert.
Strategiewechsel
Als die USA ihre Strategie für diese Region änderten, wurde Saddam Hussein als das bezeichnet, was er ist, ein blutrünstiger Diktator, der nahezu jedes Menschenrecht verletzt. Mit dem Krieg am Golf 1991 begann eine Dämonisierung, die sich fast bis zur Hysterie gesteigert hat. Systematisch werde ein Militärschlag vorbereitet, der, so behaupten die Autoren, schon lange vor dem 11. September 2001 beschlossene Sache war.
Verstöße gegen das Völkerrecht
Als der deutsche Diplomat Hans Graf von Sponeck 1998 von UNO-Generalsekretär Kofi Annan zum Koordinator für die humanitären Programme der Vereinten Nationen im Irak ernannt wurde, war ihm das Ausmaß der menschlichen Katastrophe in dem Land noch nicht bewusst. Zwei Jahre später ist von Sponeck von seinem Amt zurückgetreten - aus Protest gegen die Politik des Sicherheitsrates und besonders der beiden ständigen Mitglieder USA und Großbritannien. Sein Vorgänger, Denis Halliday, und die ebenfalls zurückgetretene Leiterin des Welternährungsprogrammes in Bagdad, Jutta Burghardt, werfen dem Sicherheitsrat vor, mit der Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen das Völkerrecht zu verstoßen und einen Akt des Völkermordes am irakischen Volk zu begehen. Von Sponecks Buch liefert eine Chronik dieser Ereignisse und schildert ein interessantes Kapitel internationaler Diplomatie in brisanten Zeiten.
(Henrik Flor, literaturtest.de)
Ein aktuelles Buch zu einem aktuellen Thema, dem drohenden Krieg. Der Blick auf die jüngere Geschichte und die Beziehungen zwischen den USA und dem Irak macht deutlich: Washington hat im Jahr 1979, als sich Saddam Hussein mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA an die Macht putschte, gewusst, mit wem man sich da einlässt. Unmissverständlich kabelte der Chef der Außenstelle der CIA in Bagdad nach der Machtübernahme an die Zentrale: "Saddam Hussein ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn." Er wurde im Mittleren Osten gebraucht und von West und Ost im Krieg gegen den Iran mit Waffen und Raketen beliefert.
Strategiewechsel
Als die USA ihre Strategie für diese Region änderten, wurde Saddam Hussein als das bezeichnet, was er ist, ein blutrünstiger Diktator, der nahezu jedes Menschenrecht verletzt. Mit dem Krieg am Golf 1991 begann eine Dämonisierung, die sich fast bis zur Hysterie gesteigert hat. Systematisch werde ein Militärschlag vorbereitet, der, so behaupten die Autoren, schon lange vor dem 11. September 2001 beschlossene Sache war.
Verstöße gegen das Völkerrecht
Als der deutsche Diplomat Hans Graf von Sponeck 1998 von UNO-Generalsekretär Kofi Annan zum Koordinator für die humanitären Programme der Vereinten Nationen im Irak ernannt wurde, war ihm das Ausmaß der menschlichen Katastrophe in dem Land noch nicht bewusst. Zwei Jahre später ist von Sponeck von seinem Amt zurückgetreten - aus Protest gegen die Politik des Sicherheitsrates und besonders der beiden ständigen Mitglieder USA und Großbritannien. Sein Vorgänger, Denis Halliday, und die ebenfalls zurückgetretene Leiterin des Welternährungsprogrammes in Bagdad, Jutta Burghardt, werfen dem Sicherheitsrat vor, mit der Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen das Völkerrecht zu verstoßen und einen Akt des Völkermordes am irakischen Volk zu begehen. Von Sponecks Buch liefert eine Chronik dieser Ereignisse und schildert ein interessantes Kapitel internationaler Diplomatie in brisanten Zeiten.
(Henrik Flor, literaturtest.de)
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Jochen Bittner kann das in Buchform publizierte Gespräch Andreas Zumachs mit Hans von Sponeck wegen seiner unkritischen Pauschalisierungen nicht ganz ernst nehmen. Andreas Zumach mache schon im Vorwort klar, dass er sich "im Besitz der letzten Wahrheit" glaubt, kritisiert Bittner. Das anschließende Interview Zumachs mit dem ehemaligen Leiter des Un-Hilfsprogramms in Bagdad sei "kein Interview, vielmehr lasse sich Sponeck von Zumach mit gefälligen Fragen in eigener Sache vernehmen." Sponecks Argumentation sei zwar faktenreich, aber laut Bittner weniger eine Auseinandersetzung mit dem drohenden Krieg als eine "harsche Abrechnung mit der Sanktionspolitik gegenüber dem Irak". Zumach verliere sich in seiner Schlussbemerkung vollends in Polemik und schafft es laut Rezensent nicht, sich über "zu einfache" Erklärungsmuster hinwegzusetzen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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