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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2005

Naturmystik
Bildhafte Irlandansichten
Gehüllt in ihr immergrünes Pflanzenkleid evoziert die kleinere der beiden britischen Inseln stets die gleichen mentalen Bilder: Irland steht für Guinness, Whiskey, schlechtes Wetter und atemberaubend schöne Natur. Politisch ist das grüne Eiland geteilt in die Republik Irland und das dem Vereinigten Königreich zugehörige Nordirland. Historisch gewachsen sind dagegen vier Provinzen, denen sich, trotz ihrer politischen Bedeutungslosigkeit, viele Iren zutiefst zugehörig fühlen: Ulster im Norden, Connaught im Westen, Leinster im Osten und Munster im Süden. Folglich orientiert sich der Bildband „Irland” aus der Reihe „Faszination Erde” an jener Aufteilung und zeigt auf mehr als 400 Farbfotos, wie sehr die Klischees zutreffen und zugleich, wie unzureichend sie sind. Die Autorin Kate O’Brien schrieb über ihre Heimat: „In jedem Licht, bei jedem Wetter sieht auch noch der kleinste Flecken Irland, sei er grauenhaft, gewöhnlich oder wunderbar, wie Irland aus und nicht wie irgendetwas anderes.” Die keltische Mystik, die Trostlosigkeit der Torfmoore, die familiäre Gemütlichkeit der Pubs oder die idyllischen Küstenlandschaften - eindrucksvolle Panoramaaufnahmen bezaubern und befremden gleichzeitig. Naturfotos in einer geradezu kaleidoskopischen Farbenpracht erscheinen beinahe unwirklich. Von der Skellig Insel Michael behauptete der Dramatiker George Bernard Shaw, sie gehöre nicht in den Alltag, sondern in unsere Traumwelt. So verträumt die Farben des Landes auch anmuten, so nüchtern steht der Text obenan. Mit sachlichen Erläuterungen bringt der den Leser in die Wirklichkeit zurück, aus der er durch die Landschaftsaufnahmen zu entfliehen suchte .
Die Fotografin Heike Ollertz setzt dagegen fast ausschließlich auf die Kraft der Bilder. Es scheint nur konsequent, dass sie ihre Fotos weitgehend unkommentiert lässt. In dem Bildband „Irland. Reisen an eine sagenhafte Küste” orientiert sie sich ebenfalls an den vier Provinzen, die einst aus keltischen Königreichen hervorgingen. Doch sie kontrastiert ihre wundervoll urwüchsigen Naturaufnahmen mit Technik und Architektur. Sie zeigt das Werk des Menschen, ohne den Menschen zu zeigen. So gewinnt ihr Blick auf die Insel an Realismus und verliert ein Stück Mystik.
THOMAS SCHMIDT
Faszination Erde: Irland. Verlag Wolfgang Kunth. München, 2005. 160 Seiten, 400 Farbfotos. 19,90 Euro.
HEIKE OLLERTZ: Irland. Reisen an eine sagenhafte Küste. Verlag Mare. Hamburg 2004. 136 Seiten. 49 Euro.
Der Killarney Nationalpark, von der Eiszeit geformt.
Foto: Grehan/Corbis
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