Dieser grüne Fleck hat in rotem Leinen noch gefehlt. Ob es um einen Abend im Pub, die Beerdigung der Eltern oder Urlaubstage am Strand geht - die irische Literatur ist für glänzende Kurzgeschichten bekannt. Von Belfast und Dublin bis West Kerry oder West Cork, das Land ist nicht nur geografisch vielschichtig. Es hat eine bewegte Geschichte, die offene Wunden, großen Widerspruchsgeist und einen ausgeprägten Sinn dafür hinterlassen hat, Identität auch auf der literarischen Ebene immer wieder neu zu verhandeln. Die Auswahl setzt einen Fokus auf hierzulande noch völlig unbekannte Geschichten, besonders von Autoren der jüngeren Generation. Und niemand könnte sie besser aus dem irischen Englisch übertragen als der Übersetzer von Sebastian Barry und Anne Enright, Hans-Christian Oeser.Mit Beiträgen von Darran Anderson, Kevin Barry, Evelyn Conlon, Rob Doyle, Liam O'Flaherty, Riley Johnston, Dave Lordan, Frank O'Connor, Éilís Ní Dhuibhne, Jan Carson, Kerri Ní Dochartaigh und nicht zuletzt Paul McVeigh selbst.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2022Gastgeber, die nicht liebenswürdig sind
Wer eine Einladung ausspricht, zeigt sich den Gästen gern von seiner besten Seite. Das ist hier nicht der Fall. Diese grüne Insel ist nicht die der irischen Fremdenverkehrszentrale. Die Stimmen der Gastgeber kommen aus einem zerrissenen Land, "trostlos und nass", "interessant und ruchlos", aber auch still und subtil, auf das "in langen Strahlen, blass wie die Geister von Primeln das Sonnenlicht" fällt. Es sind - bis auf die Klassiker Frank O'Connor, Liam O'Flaherty und Seamus Heany - neue, unbekannte Texte junger Autorinnen und Autoren, denen nichts an Dideldum, vierzig Sorten Grün und keltischem Zwielicht liegt, das Irland in den Augen jener, die dafür schwärmen, zu einer Insel der Gastfreundlichkeit macht. In den vierzehn starken Erzählungen sind Mörder und Drogensüchtige, kranke Polizisten, giftige Frauen und Säufer, ungesellige und hoffnungslose Jugendliche unterwegs, denen man in Wirklichkeit nicht begegnen möchte, die aber literarisch höchst reizvoll und ergiebig sind. Ihre Geschichten spielen in Dublin und Cork, an der Westküste und im Norden, wo das Schicksal der Bewohner seit hundert Jahren von der Grenze bestimmt wird und die Leute glauben, ausländische Besucher "haben sie nicht mehr alle, weil sie ständig lächeln und sich freuen". Bei aller Härte, auch dafür gibt es Grund. letz
"Irland. Eine literarische Einladung", herausgegeben von Paul McVeigh. Wagenbach Verlag, Berlin 2022, 144 Seiten. Gebunden, 20 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer eine Einladung ausspricht, zeigt sich den Gästen gern von seiner besten Seite. Das ist hier nicht der Fall. Diese grüne Insel ist nicht die der irischen Fremdenverkehrszentrale. Die Stimmen der Gastgeber kommen aus einem zerrissenen Land, "trostlos und nass", "interessant und ruchlos", aber auch still und subtil, auf das "in langen Strahlen, blass wie die Geister von Primeln das Sonnenlicht" fällt. Es sind - bis auf die Klassiker Frank O'Connor, Liam O'Flaherty und Seamus Heany - neue, unbekannte Texte junger Autorinnen und Autoren, denen nichts an Dideldum, vierzig Sorten Grün und keltischem Zwielicht liegt, das Irland in den Augen jener, die dafür schwärmen, zu einer Insel der Gastfreundlichkeit macht. In den vierzehn starken Erzählungen sind Mörder und Drogensüchtige, kranke Polizisten, giftige Frauen und Säufer, ungesellige und hoffnungslose Jugendliche unterwegs, denen man in Wirklichkeit nicht begegnen möchte, die aber literarisch höchst reizvoll und ergiebig sind. Ihre Geschichten spielen in Dublin und Cork, an der Westküste und im Norden, wo das Schicksal der Bewohner seit hundert Jahren von der Grenze bestimmt wird und die Leute glauben, ausländische Besucher "haben sie nicht mehr alle, weil sie ständig lächeln und sich freuen". Bei aller Härte, auch dafür gibt es Grund. letz
"Irland. Eine literarische Einladung", herausgegeben von Paul McVeigh. Wagenbach Verlag, Berlin 2022, 144 Seiten. Gebunden, 20 Euro
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