Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Universität zu Köln (Institut für Deutsche Sprache und Literatur), Veranstaltung: 'bis zur Krankheit voll unrealisierter Möglichkeiten': Berlin, München, Wien um 1900, Sprache: Deutsch, Abstract: Die hochgradige Artifizialität der Lulu-Tragödie ist von Wedekind-Philologen, die sich einer forcierten Lektüre verschrieben haben, in den letzten drei Jahrzehnten vielfach hervorgehoben worden. Von "Leerstelle", "weiße[r] Fläche" oder "Spiegel männlicher Weiblichkeitsbilder" ist die Rede, wenn die Protagonistin der beiden Dramen in den Blick gerückt wird. Solche 'offenen Lesarten' markieren eine vehemente Abwehrhaltung gegenüber Interpretationen, die in der Figur der Lulu wahlweise eine "Femme fatale" und "Hetäre", ein Opfer des wilhelminischen Patriarchats, eine Vorreiterin weiblicher Emanzipation oder eine "Trägerin einer allgemein- menschlichen Moral" sehen wollen. Denn die "auf Abgeschlossenheit und Endgültigkeit insistierenden Interpretationen ignorieren, indem sie die Figur eindeutig festlegen wollen, die Gebrochenheit, in der die konventionalisierten Bilder des Weiblichen im Stück präsentiert werden."Die Vorteile dieser vornehmlich feministisch geprägten Herangehensweise liegen auf der Hand: Die genuin hermeneutische Kategorie der psychologischen Wahrscheinlichkeit verliert an Relevanz, während die Modernität des Textes, seine fragmentarische Struktur und Inkohärenz fokussiert werden kann. Gleichwohl ist den genannten Untersuchungen gemein, dass das Thema der Sexualität bisweilen strapaziert wird. Selbstverständlich nimmt Lulus sinnliche Weiblichkeit - ihre Promiskuität, ihre unkontrollierten Triebe, ihr laszives Spiel mit ihren Liebhabern - eine prominente Position innerhalb des Dramas ein. Eine Reduktion des Textes auf diese Elemente unterschlägt jedoch weitgehend, dass plot, Figuration und einzelne Handlungselemente in ähnlicher Weise unbestimmt bleiben und erst in ihrer Ambivalenz angemessen zu verstehen sind.Ich möchte in dieser Hausarbeit versuchen, einige dieser 'strukturellen Leerstellen' offen zu legen und ihre Produktivität für die Rezeption des Dramas darzustellen. Dieser Fragestellung liegt die Annahme zugrunde, dass der Autor Strategien der Irritation und Störung verwendet, welche Erwartungshaltung und Hypothesenbildung des Rezipienten bewusst unterlaufen.8 Gleichermaßen soll gezeigt werden, in wie weit diese Irritationsstrategien die Oppositionshaltung Frank Wedekinds gegenüber naturalistischer Dramentheorie- und praxis konstituieren.
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