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Neunzehnhundertvierundfünfzig: ein Zwölfjähriger hält irrtümlich die Freundin des Dorfpolizisten für einen Bären - der Beginn einer jahrzehntelangen Flucht. Mit seinem Vater flieht er von New Hampshire nach Boston, von Vermont nach Toronto, der unerbittliche Polizist ihnen immer auf den Fersen. Über fünf Dekaden zieht sich diese bewegende Vater-Sohn-Geschichte, die gleichzeitig die letzten fünfzig Jahre Nordamerikas porträtiert.

Produktbeschreibung
Neunzehnhundertvierundfünfzig: ein Zwölfjähriger hält irrtümlich die Freundin des Dorfpolizisten für einen Bären - der Beginn einer jahrzehntelangen Flucht. Mit seinem Vater flieht er von New Hampshire nach Boston, von Vermont nach Toronto, der unerbittliche Polizist ihnen immer auf den Fersen. Über fünf Dekaden zieht sich diese bewegende Vater-Sohn-Geschichte, die gleichzeitig die letzten fünfzig Jahre Nordamerikas porträtiert.
Autorenporträt
John (Winslow) Irving, geboren am 2. März 1942 in Exeter, im Staat New Hampshire, als ältestes von vier Kindern. John Irvings Vater war Lehrer und Spezialist für russische Geschichte und Literatur. Seine Kindheit verbrachte Irving in Neuengland. 1957 begann er mit dem Ringen; 19jährig wusste Irving, was er werden wollte: Ringer und Romancier. Studium der englischen Literatur an den Universitäten von New Hampshire und Iowa, wo er später Gastdozent des Schriftsteller-Workshops war. Deutschkurs in Harvard. 1963-1964 Aufenthalt in Wien. 1964 Rückkehr in die Vereinigten Staaten. Arbeit als Lehrer an Schule und Universität bis 1979. Lebt heute in Toronto und im südlichen Vermont. 1992 wurde Irving in die National Wrestling Hall of Fame in Stillwater, Oklahoma, aufgenommen, 2000 erhielt er einen Oscar für die beste Drehbuchadaption für seinen von Lasse Hallström verfilmten Roman Gottes Werk und Teufels Beitrag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2010

Da wird der Bär in der Pfanne verrückt

Wenn der Pizzaservice Küchenpsychologie anbietet: John Irvings neuer Roman ist sein bislang politischster - leider.

Von Martin Halter

Nicht ganz überraschend handeln die acht Romane des Schriftstellers Danny Angel von den gleichen Obsessionen und Urängsten wie die zwölf, die John Irving geschrieben hat: "zerrüttete Familien; belastende sexuelle Erlebnisse; diverse Verluste der Unschuld, alle mit Reue und Trauer verbunden". Wo Irving draufsteht, das muss man ihm lassen, ist auch Irving drin, und so gibt es auch in seinem jüngsten Werk wieder jede Menge zerrüttete Familien, bizarre sexuelle Erlebnisse, frühkindliche Traumata und asymmetrische Liebesgeschichten. Die Männer sind wie immer jung, schwach und schüchtern, die Frauen älter, stärker und furchtloser: Sixpack-Pam etwa ist ein rauhes, aber herzliches Flößerluder, Lady Sky eine exzentrische Nacktfallschirmspringerin, die mit ihrer Punktlandung im Schweinestall die sexuelle Revolution der sechziger Jahre auf den Begriff bringt. Außerdem werden wieder linke Hände abgehackt und Bären gejagt.

Der Bär ist bekanntlich das Wappentier Irvings, und in einem gottverlassenen Holzfällercamp in den Wäldern New Hampshires treiben sich außer tanzenden Elchen und furzenden Hunden immer auch ein paar Grizzlys herum. Die Verwechslung von zarter Menschenliebe und roher Bärenkraft, auch kein ganz neues Motiv bei Irving, ist denn auch Ausgangspunkt und Triebfeder des Romans, der sich gewohnt länglich über drei Generationen, fünfzig Jahre und gut siebenhundert Seiten hinzieht.

Als Danny, der Sohn des Lagerkochs Dominic Baciagalupo, seinen Vater 1954 beim "Do-si-do" mit Indianer-Jane ertappt, hält er das schnaubende, großbusige Zottelvieh für einen Bären und schlägt mit der Bratpfanne zu: eine Urszene Irvingscher Küchenpsychologie. Da Constable Carl, Janes trunksüchtiger, brutaler Geliebter, Rache schwört, müssen Vater und Sohn überstürzt fliehen. Weil Irving, der schreibende Ringkämpfer, gelernter Koch ist, führt ihre Odyssee durch die Immigrantenküchen Nordamerikas. Beim Nobelitaliener in Boston, bei Mao's, dem Chinesen, Chez Patrice in Toronto und zuletzt auf einer einsamen Insel im Huronsee: wo immer sich der Koch versteckt, wittert der tollwütige Cowboy seinen knusprigen Pizzateig. Nach 47 Jahren bringt der Dorfpolizist den Liebhaber der Großen Bärin zur Strecke.

Der Sohn, unter dem Pseudonym Danny Angel mittlerweile ein berühmter Autor geworden (der mit Irving nicht nur das Alter teilt), verarbeitet das Drama literarisch. Sein Freund Ketchum, die eigentliche Hauptfigur des Romans, hat als analphabetischer Waldschrat keine Gelegenheit zur Sublimation und gibt daher der Regierung die Schuld. Der knorrige alte Holzfäller mit dem großen Durst und den sehr bestimmten politischen Ansichten - George W. Bush ist ein "kleiner Wichser", Amerika ein Himmel, der voller "Arschgeigen" hängt, die Umweltschützer sind "Energiearschlöcher" - wollte den armen Cookie immer beschützen. Die Charakterzeichnung ist gewohnt rustikal, der Ton derb und kraftmeiernd.

Irving hangelt in seiner "Welt voller Unfälle" von Unfall zu Unfall, von Anekdote zu Anekdote, von Koch- zu literarischen Erfolgsrezepten und von der Geschichte der Flößerei in Neuengland bis zum Irak-Krieg. "Letzte Nacht in Twisted River" ist Irvings bisher politischstes Buch, aber die Kommentare und Predigten zum 11. September 2001 und seinen Folgen gehören zu den schwächsten Passagen des Romans.

Überhaupt zeigt sich Irving nicht gerade auf der Höhe seiner Erzählkunst. Wo er einst in Meisterwerken wie "Garp" oder "Owen Meany" mit seiner kraftvollen, süffig-sinnlichen Prosa Millionen von Lesern begeisterte, knetet und walzt er jetzt seine Geschichten wie der Koch seinen Pizzateig. Allein sie gehen nicht knusprig und rund auf, sondern nur in die Breite, und es hilft auch nichts, dass er die Temperatur im Ofen künstlich hoch hält.

Die selbstgefälligen Selbstreflexionen Irvings lassen den Roman ausfransen und gegen Ende hin völlig zerfasern. Natürlich beschreibt er im wunderbaren Aufstieg Dannys vom Bratpfannenmörder zum Bestsellerautor seine eigene Karriere. Dass er dabei Tatzenhiebe gegen Kritiker und Handküsse an seine (weiblichen) Fans verteilt und berühmte Kollegen wie Hemingway, Dickens, Cheever oder Vonnegut herbeizitiert, ließe sich verwinden.

Störender ist da schon, dass Irving ständig seine kleinen Tricks verraten zu müssen glaubt (viele Semikolons, immer "medias in res" gehen und dem Leser ab und zu autobiographischen Zucker geben), die er dann postwendend umsetzt. In einem Danny-Angel-Roman, erklärt er einmal umständlich, "gab es immer jemanden (oder etwas), der (oder das) Kinder oder ein Kind verhängnisvoll bedrohte. Junge Menschen waren in Gefahr - und zwar zum Teil gerade, weil sie jung waren!": Prompt überfährt ein Geisterfahrer mit seinem blauen Mustang Dannys Sohn Joe.

Weil Danny sich ständig selbstreflexiv überholt und überhöht, dürfen wir ihm auch über die Schulter sehen, wie er im einsamen Ringen mit seinem Genius den perfekten ersten Satz für seinen Roman sucht. Ob "Der junge Kanadier - er war höchstens fünfzehn - hatte zu lang gewartet" die Mühe gelohnt hat, sei dahingestellt.

John Irving: "Letzte Nacht in Twisted River". Roman. Aus dem Englischen von Hans M. Herzog. Diogenes Verlag, Zürich 2010. 732 S., geb., 26,90 [Euro].

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