18,99 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 6-10 Tagen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Feridun Zaimoglu bleibt den gesellschaftlichen Randgebieten und ihren Bewohnern treu. Er wendet sich dem Leben einiger Großstadtkreaturen zu, die fern von Berliner Hipness und Touristenströmen ihre eigenen Wege gehen. Isabel ist eine schöne Frau, aber nicht mehr schön und jung genug, um weiter zu modeln, und nicht anerkannt genug, um als Schau-spielerin an die großen Rollen zu kommen. So arbeitet sie als Gelegenheitsdarstellerin, ist mit der Liebe am Ende, verlässt ihren Freund und beschließt, ihr Leben neu zu entwerfen. Es ist die Zeit nach den Sensationen, sie verabschiedet sich von der Lust…mehr

Produktbeschreibung
Feridun Zaimoglu bleibt den gesellschaftlichen Randgebieten und ihren Bewohnern treu. Er wendet sich dem Leben einiger Großstadtkreaturen zu, die fern von Berliner Hipness und Touristenströmen ihre eigenen Wege gehen. Isabel ist eine schöne Frau, aber nicht mehr schön und jung genug, um weiter zu modeln, und nicht anerkannt genug, um als Schau-spielerin an die großen Rollen zu kommen. So arbeitet sie als Gelegenheitsdarstellerin, ist mit der Liebe am Ende, verlässt ihren Freund und beschließt, ihr Leben neu zu entwerfen. Es ist die Zeit nach den Sensationen, sie verabschiedet sich von der Lust und wählt den Weg in die Keuschheit. Nachdem es auch ihren Eltern trotz großer Anstrengungen nicht gelungen ist, ihr einen passenden Heiratskandidaten zuzuführen, trifft sie Marcus, und es beginnt die Geschichte von Isabel und dem Soldaten. Marcus ist ein Kriegsheimkehrer aus dem Kosovo-Einsatz, traumatisiert und nur daran interessiert, eine aufs Nötigste reduzierte Existenz zu führen. Ihre Begegnung verändert beider Leben und führt sie auf eine faszinierende und bedrohliche Reise in Marcus' Vergangenheit. Gewohnt sprachmächtig, dabei sehr genau in der Beobachtung und bewusst in der Verknappung, führt Zaimoglu seine Leser in eine Welt der zurückgefahrenen Lebenserwartungen, die aufgebrochen wird durch Liebe, Schmerz, Reue und Rache.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Feridun Zaimoglu, geboren 1964, lebt seit seinem sechsten Lebensmonat in Deutschland. Er studierte Kunst und Medizin in Kiel, wo er seitdem als Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker arbeitet. Für sein Schreiben wurde er vielfach ausgezeichnet. Nach »Leyla«, »Liebesbrand«, »Siebentürmeviertel«, »Evangelio« und »Die Geschichte der Frau« erschien zuletzt sein Roman »Bewältigung«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Happy End als Alptraum erlebt Wiebke Porombka einmal mehr in einem Roman von Feridun Zaimoglu. Die "sperrige" Ästethik des Autors geht für die Rezensentin erstaunlicherweise wiederum auf, wenn Zaimoglu seine randständige türkischstämmige Heldin durch ein sozial und menschlich so gar nicht sexy aussehendes Berlin begleitet. Die atmosphärische, höchstens von der latenten Wut der Protagonistin unterströmte Kälte empfindet Porombka nicht zuletzt auch durch die Sprache, die der Autor so weit es geht reduziert. Unsinnlich wie die gezeigte Welt erscheint sie Porombka, ausgehungert und von einem namenlosen Schicksal stumm gestellt. Wenn jemand psychische Abgründe und Ängste darzustellen vermag, dann Zaimoglu, meint die Rezensentin, wenngleich ihr die Experimentierfreudigkeit des Autors in diesem Roman eher noch gedrosselt scheint.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2014

Bei dieser Gewalt verschlägt es selbst dem Autor die Sprache

In Feridun Zaimoglus neuem Roman "Isabel" über eine Türkin in Berlin geht es um einen grausamen Selbstmord. Das Buch ist in einem Rigorismus geschrieben, der den geschilderten Ereignissen sprachlich immer näher kommt.

Dass sie von einer Notaufnahme zur nächsten renne, befindet ein Freund über das Leben von Isabel. Damit trifft er das Wesen der titelgebenden Heldin aus Feridun Zaimoglus jüngstem Roman allenfalls zur Hälfte: Denn mehr noch, als dass sie irgendwohin rennt, läuft Isabel permanent davon. Wie eine Flucht mutet der Auszug aus der Wohnung ihres Freundes an, der den Auftakt des Romans bildet. Was es mit diesem Mann auf sich hat, welchen Grund die Trennung hat, weshalb sie so panisch erfolgt - das alles bleibt ungesagt.

Während man also Isabel in den darauffolgenden Tagen begleitet, hin und wieder in ihrer kleinen Wohnung in einem Plattenbau am Alexanderplatz, die ein kaum eingerichtetes Provisorium bleibt, zumeist aber auf ihren Wegen durch Berlin, mag sich zunächst der Verdacht auftun: Dieser nicht mehr ganz jungen, türkischstämmigen Frau muss etwas Furchtbares widerfahren sein. Die Vehemenz, mit der sie jede Annäherung von Männern ablehnt, die Entschiedenheit, mit der sie sich nicht schminkt, die Wut, mit der sie etwa einen Polizisten auf angeblich in den Parkbüschen sich vergnügende Paare hetzt, scheinen auf tiefe Verletzungen zu verweisen.

Womöglich aber hat das Unglück von Isabel gar keinen konkreten Anlass, vielleicht hat diese Frau sich auch einfach nur selbst verloren zwischen Schauspielambitionen und Modelversuchen, nachdem auch die Berliner Dauerjugendlichkeit irgendwann ein Ende gehabt hat, nachdem das selbstgewählt Boheme-Prekariat schleichend in wahre Armut umgekippt ist.

Nun bewegt Isabel sich inmitten anderer verlorener Gestalten, wie Helga, der alten Flaschensammlerin, oder lässt sich durch den Schöneberger Transsexuellen-Strich treiben, wo beim gemeinsamen Tee am Kiosk immerhin ein wenig Behaglichkeit aufkommt. Von diesen Männern in Damenkleidern lässt Isabel sich in den Arm nehmen, und sogar ihre kleine giftige Hündin Ruby lässt sich streicheln.

Bei der Armenspeisung hingegen oder in der Kleiderkammer, die Isabel regelmäßig aufsucht, herrschen härtere Gesetze. Hier scheint jeder dem anderen das Essen zu missgönnen, und die abgelegten Kleidungsstücke anderer werden von Isabel gierig zusammengerafft, der zuständige Student, der eigentlich nicht so viele Stücke auf einmal herausgeben darf, wird notfalls bedroht. Ob Isabel tatsächlich so bedürftig ist, dass sie auf diese Einrichtungen angewiesen ist, oder ob sie hier nur den letzten ihr verbliebenen Rest von Macht ausagiert, bleibt ungewiss, wie so vieles in der Geschichte über diese in einem eigenartig Autismus durch die Welt taumelnde Frau, die alles daransetzt, sich gegen die Welt abzudichten.

Es passt zu dieser aus den Fugen geratenen Existenz, dass die einzigen Einkünfte, die Isabel hin und wieder hat, ausgerechnet daher stammen, in einen Keuschheitsgürtel gesperrt, dem Beischlaf eines Ehepaars beizusitzen, das auf diese Weise seine Erregungskurven in die Höhe treiben will. Den Keuschheitsgürtel nimmt Isabel demonstrativ mit auf eine Reise zu ihren Eltern in die Türkei, wo ihre Mutter ihr verschiedene Heiratsanwärter präsentiert, in der Hoffnung, Isabels Leben wieder Halt und Struktur zu verleihen. Die Widersprüchlichkeit passt nur allzu gut zu Isabels Wesen: Sie fährt zwar zu ihren Eltern, trifft sich mit den Kandidaten, aber nur, wie es scheint, um sie zu provozieren. Aber auch wenn sich aus dieser Episode eine kulturelle Zerrissenheit herauslesen lässt, mag diese doch nur ihren Anteil zu der grundsätzlichen Verlorenheit von Isabel, die bald nach Berlin zurückkehrt, beitragen.

Feridun Zaimoglu, der 1964 im türkischen Bolu geworden wurde und im Jahr darauf mit seinen Eltern nach Deutschland kam, erzählt, so wie man es bei diesem Autor erwarten kann, in seinem Roman "Isabel" über ein Berlin jenseits der schicken Metropolenkultur. Ihn interessieren die Randbereiche, die sozialen genauso wie die menschlichen, und diesem Fall sogar eher noch diejenigen, die bereits jenseits dieses Randes liegen. Und deshalb ist es vermutlich auch nur konsequent, dass Zaimoglu seinen Roman ebenfalls an den Rand des Literarischen delegiert. Seine Sprache verknappt zu nennen wäre ein Euphemismus. Über weite Strecken liest sich "Isabel" wie Notate zu einem Roman. Als hätte Zaimoglu sich die Sprache weggehungert, so wie seine Figuren ihren Körpern immer wieder das Nötigste verweigern. Oftmals beschränkt er sich auf bloße stakkatohafte Aufzählungen, die an Szenenweisungen in Theatertexten erinnern: "Lärm, Tumult, Wirt brüllte um Ruhe. Donnerhall draußen", lauten solche Wortreihen etwa.

Die Sinnlichkeit des Erzählens ist in dieser Welt abhandengekommen, so wie in den Figuren etwas Ursprüngliches, Natürliches verkümmert ist. Nur in Isabels Träumen erscheint hin und wieder ein Buch, das ihre in der Wachheit unausgesprochene Sehnsucht nachgerade schmerzhaft verdeutlichen mag: "Plötzlich fiel ihr ein Satz aus dem Buch im Traum ein: Hyazinthenpurpur strich sie sich auf Hals und Ellenbeugen. Isabel war beglückt."

Was Zaimoglu mit seinem Roman sprachlich unternimmt, auch wenn es seine erzähllogische Berechtigung hat, ist nicht nur weitaus weniger experimentell und artifiziell, als man es aus seinen früheren Texten, etwa in "Liebesbrand" (2008) oder "Hinterland" (2009), kennt. Wenn die Figuren daran kranken, dass ihre Beziehungsfähigkeit verlorengegangen ist, dann muss der Leser diesen Prozess auf ästhetischer Ebene mitvollziehen. Auch ihm wird, womöglich bewusst, der Zutritt zum Roman und seinen Charakteren erschwert.

Und so dringt die eigentliche Tragödie, die Zaimoglu erzählt, nur nach und nach ins Bewusstsein des Lesers, genauso wie in das von Isabel. So wie alle Männer wehrt sie zunächst auch Marcus ab, der, zumeist "Soldat" genannt, gerade von einem Einsatz im Kosovo zurückgekehrt ist und eine geheime Schuld mit sich trägt. Was Isabel und Marcus verbindet, ist ihre Freundschaft und Liebe zu Juliette, einer jungen Frau, deren Leben ähnlich oder vielleicht noch mehr aus dem Gleichgewicht geraten war, als das von Isabel es ist.

Dass Juliette ihrem Leben selbst ein Ende bereitet hat, weiß Isabel. Gemeinsam mit Marcus aber deckt sie die grausamen Zusammenhänge des Todes auf. Zaimoglu lässt die psychischen Abgründe und Lebensängste, über die er erzählt, im zweiten Teil seines Romans ihre Bestätigung in realer Gewalt finden, vor der man kaum anders als sprachlos stehen kann. Insofern bestätigt sich noch einmal das wenngleich sperrige ästhetische Konzept Zaimoglus. Dass das vermeintliche Happy End des Romans ein Albtraum ist, kann in diesem Erzählkosmos gar nicht anders sein.

WIEBKE POROMBKA

Feridun

Zaimoglu:

"Isabel". Roman.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 256 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Feridun Zaimoglus Größe besteht darin, diese Kälte mit einer Poesie zu beschreiben, die noch aus der letzten Obdachlosen eine romantische »Flaschenpflückerin« macht [...].« Der Freitag 20141002
Ungemütlich und sperrig, aber unbedingt lesenswert, weil es intensiv, radikal und sprachmächtig ist. Radio Fritz