In diesem Band werden bioethische Debatten behandelt, die sich unter den islamischen Rechtsgelehrten (fuqaha) seit den 1980er Jahren entwickelt haben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Fragen des Lebensanfangs, die sich anhand der Diskussion um den rechten Umgang mit Embryonen vor dem Hintergrund neuer Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin entwickelten. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie sich moderne islamische Rechtsdiskussionen konkret entwickeln und welche Konzepte oder Faktoren diese Entwicklung beeinflussen.
So wird nachgezeichnet, wie Mitte der 1980er Jahre Definitionen über den Beginn menschlichen Lebens und der damit verbundenen Schutzrechte des Ungeborenen vorgenommen wurden, bis dato in dieser Form von islamischen Rechtsgelehrten kaum oder gar nicht vertreten worden waren. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie sich die Diskussion des Status von extra-korporalen Embryonen - einer Kernfrage bei der Bewertung gentechnologischen Fortschritts - zu Beginn der 1990er Jahre unter den fuqaha entwickelte. Dabei zeigt sich, dass sich wegen methodischen Problemen bislang unter Rechtsgelehrten keinerlei Konsens über grundlegende Fragen zum Beginn menschlichen Lebens etabliert hat, der einer kritischen Analyse standhalten würde. Im Anschluß daran werden islamische Rechtsmeinungen zu den vier Themenbereichen "Präimplantationsdiagnostik", "Abtreibung nach Pränataldiagnostik", "Klonen beim Menschen" und "Vaterschaftstests" vorgestellt.
In diesem Band wird der Bezug zwischen theoretischen Diskussionen und ihren praktischen Auswirkungen in den Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung aufgezeigt. Über das engere Fachgebiet hinaus besteht die Bedeutung des Buches darin, dass es die modernen islamischen Rechtsmeinungen auf die ihr zu Grunde liegenden Konzepte hin durchleuchtet und somit hilft, diese Meinungen in bioethischen Debatten etwa in Deutschland besser einordnen und gegebenenfalls einbeziehen oder zurückweisen zu können.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
So wird nachgezeichnet, wie Mitte der 1980er Jahre Definitionen über den Beginn menschlichen Lebens und der damit verbundenen Schutzrechte des Ungeborenen vorgenommen wurden, bis dato in dieser Form von islamischen Rechtsgelehrten kaum oder gar nicht vertreten worden waren. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie sich die Diskussion des Status von extra-korporalen Embryonen - einer Kernfrage bei der Bewertung gentechnologischen Fortschritts - zu Beginn der 1990er Jahre unter den fuqaha entwickelte. Dabei zeigt sich, dass sich wegen methodischen Problemen bislang unter Rechtsgelehrten keinerlei Konsens über grundlegende Fragen zum Beginn menschlichen Lebens etabliert hat, der einer kritischen Analyse standhalten würde. Im Anschluß daran werden islamische Rechtsmeinungen zu den vier Themenbereichen "Präimplantationsdiagnostik", "Abtreibung nach Pränataldiagnostik", "Klonen beim Menschen" und "Vaterschaftstests" vorgestellt.
In diesem Band wird der Bezug zwischen theoretischen Diskussionen und ihren praktischen Auswirkungen in den Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung aufgezeigt. Über das engere Fachgebiet hinaus besteht die Bedeutung des Buches darin, dass es die modernen islamischen Rechtsmeinungen auf die ihr zu Grunde liegenden Konzepte hin durchleuchtet und somit hilft, diese Meinungen in bioethischen Debatten etwa in Deutschland besser einordnen und gegebenenfalls einbeziehen oder zurückweisen zu können.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
"Keine leichte Lektüre" sei Thomas Eichs Studie über "Islam und Bioethik", stellt Rezensent Christian Meier fest, und das gelte trotz ihrer Kürze. Es "liegt an der Materie." Denn die Haltungen innerhalb der islamischen Welt zur Biomedizin sind vielfältig, wo nicht verwirrend, und keineswegs immer auf ausreichendem medizinisch-naturwissenschaftlichen Fundament entstanden: ausschlaggebend sind oft eher "Koran und Prophetensprüche" denn die hard facts der Wissenschaft. Gleichwohl, in einem Punkte sind die oft sachfernen Sachverständigen der muslimischen Welt sich offenbar einig: reproduktives Klonen lehnen sie ab. Für jemanden, der christlich argumentiert und sich auf die Unversehrbarkeit der göttlichen Schöpfung beruft, ist der Grund für diese entschiedene Haltung allerdings vermutlich wiederum kurios: inkriminiert werden die "sich ergebenden unklaren Abstammungsverhältnisse".
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die rasante Entwicklung der modernen Medizin und ihr Verhältnis zu modernen Biowissenschaften und zur Gentechnik haben auch in der muslimischen Welt zu regen Debatten geführt. Diesen Debatten geht Thomas Eich in dem vorliegenden kleinen Band nach.
Thematische Schwerpunkte sind die Diskussion über die Embryologie, - letztendlich die Frage, zu welchem Zeitpunkt davon gesprochen werden kann, daß Leben entsteht, Fragen der Embryonenforschung, Prä-Natal-Diagnostik, Clonen, Vaterschaftstests. Geographischer Schwerpunkt ist die arabische Welt. Leider nur kurz ist der Ausblick auf die schiitische Diskussion.
Als Quellen werden von Eich Erklärungen von Einzelpersonen, der Islamic Organization of Medical Sciences, der Islamic Fiqh Academy der OIC und der IFA der Islamischen Weltliga genannt. Die Diskussionen werden genauestens verfolgt, so daß der Leser einen guten Einblick in den Diskussionsverlauf erhält.
Hier liegt eine kleine Anmerkung nahe. Wenn Islamwissenschaft mehr sein soll (und will) als die mehr oder weniger gelungene Rekonstruktion von in diesem Falle aktuellen Diskussionen, muß die Breite nicht nur der aktuellen Diskussion dargestellt werden, auch die ältere Debatte muß in ihrer Vielfältigkeit sichtbar werden. Damit gilt es auch, die Selektionsprozesse moderner Gelehrter durchschaubar zu machen und, die Formulierung sei in Anlehnung an Arkoun erlaubt, die Tradition auszuschöpfen und fruchtbar zu machen. Eich deutet eine solche Vorgehensweise an, vertieft sie aber nicht weiter.
Daß mitnichten durch Entscheidungen supranationaler Gremien ein Konsens gestiftet wird, demonstriert Eich an zahlreichen Beispielen. Damit bearbeitet er einen Aspekt, der auch für die nichtmuslimische Jurisprudenz von Bedeutung ist, wenn immer wieder auf Entscheidungen einzelner Gremien, Organisationen oder Institutionen zurückgegriffen wird, um die Meinung der Muslime zu erfahren. Ein solches Vorgehen kann nur selektiv sein und zu verfälschten Erkenntnissen führen. Hier ist die islamrechtliche Forschung weiterhin in einer Bringschuld, die Studien wie die von Eich sehr gut erfüllen. Die Studie ist allen zu empfehlen, die einen Einblick in die aktuelle muslimische Diskussion über bioethische Fragen gewinnen wollen. Zugleich bietet der Band einen Einblick in "das moderne islamische Recht in seiner Prozeßhaftigkeit" (S. 16) und ist auch aus diesem Grunde sehr zu empfehlen. Die Übersetzungen aus einigen relevanten Texten steigern die Nützlichkeit des Bandes."
In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. 96 (2006). S. 455-456.
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"Aus welchen Gründen Christen etwa die embryonale Stammzellforschung ablehnen, die Forschung mit adulten Stammzellen jedoch begrüßen, ist hierzulande inzwischen hinlänglich bekannt. Weithin unbekannt dürfte dagegen sein, welche bioethischen Positionen in der islamischen Welt vertreten werden. Das Buch des Islamforschers Thomas Eich schafft hier Abhilfe. Die Lektüre macht deutlich, dass es nicht nur in der westlichen, weithin säkularisierten, sondern auch in der muslimischen Welt keinen Konsens darüber gibt, wann menschliches Leben beginnt und welcher Umgang mit menschlichen Embryonen daher ethisch geboten erscheint. Anhand ausgesuchter Problemfelder wie der pränatalen Diagnostik, der Präimplantationsdiagnostik und dem Klonen zeichnet der Autor zunächst die Diskussion islamischer Rechtsgelehrter nach und stellt dann erstmals einige wichtige Rechtsgutachten islamischer Autoritäten in deutscher Sprache vor.
Fazit: Eine nicht ganz leichte, aber durchaus lohnende Lektüre für jene, die gerne einmal über den westlichen Tellerrand hinausblicken."
In: LebensForum. Nr. 80. 4. Quartal 2006.
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Sehr interessanter Überblick - wie der Islam die Wissenschaft beeinflusst!
Von Felix Struening
Was hat denn der Islam mit Bioethik zu tun, mag sich so mancher fragen, dem dies kleine Büchlein in die Hände fällt. Das ist ja nun wirklich nicht von Bedeutung, oder? Wer sich jedoch bewusst macht, dass der Islam als Religion das komplette Leben regeln soll und dass Gesetze in arabischen und muslimischen Ländern meistens Scharia-konform sein müssen, der versteht, dass eine solche Untersuchung durchaus Sinn macht. Thomas Eich legt nun eine Analyse der Diskussion zwischen Rechtsgelehrten und Medizinern vor.
Klonen, Vaterschaft und Abtreibung
Dabei geht es um Fragen des Klonens, der Abtreibung, um Vaterschaftstests und künstliche Befruchtung. Alles Themen, die auch in Europa kontrovers diskutiert werden. Aber während es hier um Fragen der Menschenwürde geht, die sich auf aktuelle medizinische und philosophische Erkenntnisse stützen, wird in der islamischen Welt immer der religiös-rechtliche Kontext gesucht. So herrscht Uneinigkeit darüber, wann das menschliche Leben laut Koran und Sunna beginnt bzw. wann die Beseelung stattfindet. Verschieden sind die Meinungen auch, wenn es um die Frage des schützenswerten Lebens geht: schon ab der Befruchtung oder erst ab der Einnistung in der Gebärmutter?
Koran und Sunna
Entscheidend für die Ergebnisse der Diskussion sind immer die Auslegungen von Mohammeds prophetischen Worten durch Rechtsgelehrte. Vor allem der Trend, alle medizinischen Forschungsergebnisse schon als in Koran und Sunna enthalten erklären zu müssen, führt oft zu haarsträubenden Erklärungsversuchen. Wie Thomas Eich sehr gut zeigt, werden entweder die Schriften umgedeutet oder aber die Erkenntnisse derart interpretiert, dass nichts zu existieren scheint, was der Prophet nicht schon gesagt hat. Die Resultate werden schließlich als Empfehlungen durch zwei große islamische Gremien verkündet und haben oft den Wert einer Fatwa (religiöses Rechtsgutachten). Ärzte, Forscher aber auch Gesetzgeber richten sich meist nach diesen Befunden.
Quellen und Ausstattung
Thomas Eich benutzt für seine gründliche Recherche viele arabische Originalquellen, zitiert des öfteren und wartet mit erklärenden Beispielen auf. So wird der Kontext auch für den Nicht-Biologen/Mediziner verständlich, wenn auch so manches Fachvokabular vorkommt. Zu jedem der angesprochenen Themen beschreibt er schließlich die Bedeutung für die Region, was den Bezug zur aktuellen Debatte wieder herstellt. Ein kurzes Glossar der verwendeten arabischen Begriffe und die Übersetzungen der wichtigsten Rechtstexte im Anhang runden das Buch ab.
Kurz aber gut!
Was macht dieses kurze (125 Seiten im Kleinformat) Buch nun so interessant? Kann man in diesem geringen Umfang überhaupt einen sinnvollen Einblick gewähren? Thomas Eich jedenfalls meistert diesen Spagat gekonnt: Ohne zu ausführlich zu werden und mit zu vielen Details zu verwirren, gibt er einen umfassenden Überblick. Vor allem zwei Dinge werden dadurch sehr gut klar: Erstens, dass entgegen dem viel verbreiteten Vorurteil durchaus Forschung in islamischen Ländern betrieben wird, wenn auch nicht auf europäischem Niveau. Zweitens, wie sehr der Islam als Religion und als Grundlage des Rechtswesens in diese Forschung eingreift, sie beeinflusst und in ihrer Wirkung kontrolliert.
In: BuchTest. http://www.buchtest.com/rezension/islam-und-bioethik.html
(Rezensiert am: 2006-03-11)
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Ein Blick über den eigenen Kulturkreis hinaus
DIE ZEIT, Ausgabe 07, 2006
Von Christian Meier DIE ZEIT 09.02.2006, Nr. 7
Auch im Islam werden bioethische Fragen höchst kontrovers diskutiert
Die Frage nach den ethischen Implikationen der Biomedizin beschäftigt die deutsche wie internationale Öffentlichkeit seit Jahren. In Feuilletons und Gremien wird mit Kompetenz, Engagement und bisweilen unakademischem Furor diskutiert, wobei manche der zahlreichen Fronten entlang religiös begründeter Positionen verlaufen. Wenig überraschend konzentrieren sich diese hierzulande auf christliche Wertvorstellungen; der Blick über den Rand des Reagenzglases bildet die Ausnahme.
Dabei gibt es gute Gründe, ohne Überheblichkeit zur Kenntnis zu nehmen, wo das Thema Bioethik im Islam verortet wird. Eine Analyse der Einstellungen anderer Kulturkreise sei für die Debatte in Deutschland bedeutsam, wolle sie nicht »im Vorläufigen oder gar Provinziellen verharren«, schreibt Thomas Eich. In der Studie Islam und Bioethik zeichnet der Bochumer Islamwissenschaftler die Diskussion unter islamischen Rechts- und Religionsgelehrten nach. Er fasst vor allem drei einflussreiche Organisationen ins Auge, die sich regelmäßig mit medizinethischen Fragen befassen.
Dass zwei von ihnen für die Auslegung des Islamischen Rechts, den Fiqh, zuständig sind, ist kein Zufall: Moralische Bewertungen leiten sich im Islam eben direkt aus der Scharia her, die auch ethische und theologische Sachverhalte regelt. Dies geschehe jedoch häufig auf der Grundlage von Einzelfällen, schreibt Eich und betont, dass man »eine erhebliche Bandbreite islamischer Rechtsmeinungen« vorfinde. Anders gesagt: Jeder Mufti hat das Recht auf seine eigene Meinung.
Die Folge: Nicht einmal in zentralen Fragen wie dem Zeitpunkt, zu dem menschliches Leben beginnt, konnten sich die Gelehrten auf eine Position einigen. Gegensätzliche Beschlüsse wechselten sich ab: Von der einen Organisation wurde die Embryonenforschung vorsichtig erlaubt, von der anderen kategorisch verboten. Praktisch einhellig lehnen die Gelehrten dagegen reproduktives Klonen ab - freilich nicht, weil dadurch ein Eingriff in Gottes Schöpfungsmacht erfolgte, sondern aufgrund der sich ergebenden unklaren Abstammungsverhältnisse. Generell wird weniger auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse als auf der Grundlage von Koran und Prophetensprüchen argumentiert. Kein Wunder, meint Eich: Die meisten Gelehrten besäßen kein oder nur unzureichendes medizinisches Wissen.
Trotz seiner Kürze und des Bemühens, grundlegende Sachverhalte auch dem fachlich nicht versierten Leser verständlich zu machen, ist Thomas Eichs Buch keine leichte Lektüre - doch das liegt an der Materie. Als »ausgesprochen diffus und leicht manipulierbar« charakterisiert der Autor den bisherigen Verlauf des islamischen bioethischen Diskurses.
Solange sich das nicht ändert, wird die Vielstimmigkeit der islamischen Welt sich wohl auch auf dem Feld der Bioethik fortsetzen.
In: Die Zeit, 09.02,2006, Nr. 7
http://www.zeit.de/2006/07/ST-Islam
Thematische Schwerpunkte sind die Diskussion über die Embryologie, - letztendlich die Frage, zu welchem Zeitpunkt davon gesprochen werden kann, daß Leben entsteht, Fragen der Embryonenforschung, Prä-Natal-Diagnostik, Clonen, Vaterschaftstests. Geographischer Schwerpunkt ist die arabische Welt. Leider nur kurz ist der Ausblick auf die schiitische Diskussion.
Als Quellen werden von Eich Erklärungen von Einzelpersonen, der Islamic Organization of Medical Sciences, der Islamic Fiqh Academy der OIC und der IFA der Islamischen Weltliga genannt. Die Diskussionen werden genauestens verfolgt, so daß der Leser einen guten Einblick in den Diskussionsverlauf erhält.
Hier liegt eine kleine Anmerkung nahe. Wenn Islamwissenschaft mehr sein soll (und will) als die mehr oder weniger gelungene Rekonstruktion von in diesem Falle aktuellen Diskussionen, muß die Breite nicht nur der aktuellen Diskussion dargestellt werden, auch die ältere Debatte muß in ihrer Vielfältigkeit sichtbar werden. Damit gilt es auch, die Selektionsprozesse moderner Gelehrter durchschaubar zu machen und, die Formulierung sei in Anlehnung an Arkoun erlaubt, die Tradition auszuschöpfen und fruchtbar zu machen. Eich deutet eine solche Vorgehensweise an, vertieft sie aber nicht weiter.
Daß mitnichten durch Entscheidungen supranationaler Gremien ein Konsens gestiftet wird, demonstriert Eich an zahlreichen Beispielen. Damit bearbeitet er einen Aspekt, der auch für die nichtmuslimische Jurisprudenz von Bedeutung ist, wenn immer wieder auf Entscheidungen einzelner Gremien, Organisationen oder Institutionen zurückgegriffen wird, um die Meinung der Muslime zu erfahren. Ein solches Vorgehen kann nur selektiv sein und zu verfälschten Erkenntnissen führen. Hier ist die islamrechtliche Forschung weiterhin in einer Bringschuld, die Studien wie die von Eich sehr gut erfüllen. Die Studie ist allen zu empfehlen, die einen Einblick in die aktuelle muslimische Diskussion über bioethische Fragen gewinnen wollen. Zugleich bietet der Band einen Einblick in "das moderne islamische Recht in seiner Prozeßhaftigkeit" (S. 16) und ist auch aus diesem Grunde sehr zu empfehlen. Die Übersetzungen aus einigen relevanten Texten steigern die Nützlichkeit des Bandes."
In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. 96 (2006). S. 455-456.
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"Aus welchen Gründen Christen etwa die embryonale Stammzellforschung ablehnen, die Forschung mit adulten Stammzellen jedoch begrüßen, ist hierzulande inzwischen hinlänglich bekannt. Weithin unbekannt dürfte dagegen sein, welche bioethischen Positionen in der islamischen Welt vertreten werden. Das Buch des Islamforschers Thomas Eich schafft hier Abhilfe. Die Lektüre macht deutlich, dass es nicht nur in der westlichen, weithin säkularisierten, sondern auch in der muslimischen Welt keinen Konsens darüber gibt, wann menschliches Leben beginnt und welcher Umgang mit menschlichen Embryonen daher ethisch geboten erscheint. Anhand ausgesuchter Problemfelder wie der pränatalen Diagnostik, der Präimplantationsdiagnostik und dem Klonen zeichnet der Autor zunächst die Diskussion islamischer Rechtsgelehrter nach und stellt dann erstmals einige wichtige Rechtsgutachten islamischer Autoritäten in deutscher Sprache vor.
Fazit: Eine nicht ganz leichte, aber durchaus lohnende Lektüre für jene, die gerne einmal über den westlichen Tellerrand hinausblicken."
In: LebensForum. Nr. 80. 4. Quartal 2006.
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Sehr interessanter Überblick - wie der Islam die Wissenschaft beeinflusst!
Von Felix Struening
Was hat denn der Islam mit Bioethik zu tun, mag sich so mancher fragen, dem dies kleine Büchlein in die Hände fällt. Das ist ja nun wirklich nicht von Bedeutung, oder? Wer sich jedoch bewusst macht, dass der Islam als Religion das komplette Leben regeln soll und dass Gesetze in arabischen und muslimischen Ländern meistens Scharia-konform sein müssen, der versteht, dass eine solche Untersuchung durchaus Sinn macht. Thomas Eich legt nun eine Analyse der Diskussion zwischen Rechtsgelehrten und Medizinern vor.
Klonen, Vaterschaft und Abtreibung
Dabei geht es um Fragen des Klonens, der Abtreibung, um Vaterschaftstests und künstliche Befruchtung. Alles Themen, die auch in Europa kontrovers diskutiert werden. Aber während es hier um Fragen der Menschenwürde geht, die sich auf aktuelle medizinische und philosophische Erkenntnisse stützen, wird in der islamischen Welt immer der religiös-rechtliche Kontext gesucht. So herrscht Uneinigkeit darüber, wann das menschliche Leben laut Koran und Sunna beginnt bzw. wann die Beseelung stattfindet. Verschieden sind die Meinungen auch, wenn es um die Frage des schützenswerten Lebens geht: schon ab der Befruchtung oder erst ab der Einnistung in der Gebärmutter?
Koran und Sunna
Entscheidend für die Ergebnisse der Diskussion sind immer die Auslegungen von Mohammeds prophetischen Worten durch Rechtsgelehrte. Vor allem der Trend, alle medizinischen Forschungsergebnisse schon als in Koran und Sunna enthalten erklären zu müssen, führt oft zu haarsträubenden Erklärungsversuchen. Wie Thomas Eich sehr gut zeigt, werden entweder die Schriften umgedeutet oder aber die Erkenntnisse derart interpretiert, dass nichts zu existieren scheint, was der Prophet nicht schon gesagt hat. Die Resultate werden schließlich als Empfehlungen durch zwei große islamische Gremien verkündet und haben oft den Wert einer Fatwa (religiöses Rechtsgutachten). Ärzte, Forscher aber auch Gesetzgeber richten sich meist nach diesen Befunden.
Quellen und Ausstattung
Thomas Eich benutzt für seine gründliche Recherche viele arabische Originalquellen, zitiert des öfteren und wartet mit erklärenden Beispielen auf. So wird der Kontext auch für den Nicht-Biologen/Mediziner verständlich, wenn auch so manches Fachvokabular vorkommt. Zu jedem der angesprochenen Themen beschreibt er schließlich die Bedeutung für die Region, was den Bezug zur aktuellen Debatte wieder herstellt. Ein kurzes Glossar der verwendeten arabischen Begriffe und die Übersetzungen der wichtigsten Rechtstexte im Anhang runden das Buch ab.
Kurz aber gut!
Was macht dieses kurze (125 Seiten im Kleinformat) Buch nun so interessant? Kann man in diesem geringen Umfang überhaupt einen sinnvollen Einblick gewähren? Thomas Eich jedenfalls meistert diesen Spagat gekonnt: Ohne zu ausführlich zu werden und mit zu vielen Details zu verwirren, gibt er einen umfassenden Überblick. Vor allem zwei Dinge werden dadurch sehr gut klar: Erstens, dass entgegen dem viel verbreiteten Vorurteil durchaus Forschung in islamischen Ländern betrieben wird, wenn auch nicht auf europäischem Niveau. Zweitens, wie sehr der Islam als Religion und als Grundlage des Rechtswesens in diese Forschung eingreift, sie beeinflusst und in ihrer Wirkung kontrolliert.
In: BuchTest. http://www.buchtest.com/rezension/islam-und-bioethik.html
(Rezensiert am: 2006-03-11)
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Ein Blick über den eigenen Kulturkreis hinaus
DIE ZEIT, Ausgabe 07, 2006
Von Christian Meier DIE ZEIT 09.02.2006, Nr. 7
Auch im Islam werden bioethische Fragen höchst kontrovers diskutiert
Die Frage nach den ethischen Implikationen der Biomedizin beschäftigt die deutsche wie internationale Öffentlichkeit seit Jahren. In Feuilletons und Gremien wird mit Kompetenz, Engagement und bisweilen unakademischem Furor diskutiert, wobei manche der zahlreichen Fronten entlang religiös begründeter Positionen verlaufen. Wenig überraschend konzentrieren sich diese hierzulande auf christliche Wertvorstellungen; der Blick über den Rand des Reagenzglases bildet die Ausnahme.
Dabei gibt es gute Gründe, ohne Überheblichkeit zur Kenntnis zu nehmen, wo das Thema Bioethik im Islam verortet wird. Eine Analyse der Einstellungen anderer Kulturkreise sei für die Debatte in Deutschland bedeutsam, wolle sie nicht »im Vorläufigen oder gar Provinziellen verharren«, schreibt Thomas Eich. In der Studie Islam und Bioethik zeichnet der Bochumer Islamwissenschaftler die Diskussion unter islamischen Rechts- und Religionsgelehrten nach. Er fasst vor allem drei einflussreiche Organisationen ins Auge, die sich regelmäßig mit medizinethischen Fragen befassen.
Dass zwei von ihnen für die Auslegung des Islamischen Rechts, den Fiqh, zuständig sind, ist kein Zufall: Moralische Bewertungen leiten sich im Islam eben direkt aus der Scharia her, die auch ethische und theologische Sachverhalte regelt. Dies geschehe jedoch häufig auf der Grundlage von Einzelfällen, schreibt Eich und betont, dass man »eine erhebliche Bandbreite islamischer Rechtsmeinungen« vorfinde. Anders gesagt: Jeder Mufti hat das Recht auf seine eigene Meinung.
Die Folge: Nicht einmal in zentralen Fragen wie dem Zeitpunkt, zu dem menschliches Leben beginnt, konnten sich die Gelehrten auf eine Position einigen. Gegensätzliche Beschlüsse wechselten sich ab: Von der einen Organisation wurde die Embryonenforschung vorsichtig erlaubt, von der anderen kategorisch verboten. Praktisch einhellig lehnen die Gelehrten dagegen reproduktives Klonen ab - freilich nicht, weil dadurch ein Eingriff in Gottes Schöpfungsmacht erfolgte, sondern aufgrund der sich ergebenden unklaren Abstammungsverhältnisse. Generell wird weniger auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse als auf der Grundlage von Koran und Prophetensprüchen argumentiert. Kein Wunder, meint Eich: Die meisten Gelehrten besäßen kein oder nur unzureichendes medizinisches Wissen.
Trotz seiner Kürze und des Bemühens, grundlegende Sachverhalte auch dem fachlich nicht versierten Leser verständlich zu machen, ist Thomas Eichs Buch keine leichte Lektüre - doch das liegt an der Materie. Als »ausgesprochen diffus und leicht manipulierbar« charakterisiert der Autor den bisherigen Verlauf des islamischen bioethischen Diskurses.
Solange sich das nicht ändert, wird die Vielstimmigkeit der islamischen Welt sich wohl auch auf dem Feld der Bioethik fortsetzen.
In: Die Zeit, 09.02,2006, Nr. 7
http://www.zeit.de/2006/07/ST-Islam