Eike Christian Hirsch unterhält die Leser erneut mit wunderbaren Beobachtungen zu den Maschen und Marotten des neuen Deutsch. Statt "daher" sagen wir heute "von daher" und statt "Regeln" "Regularien", damit alles ein klein wenig pompöser klingt, aber das ist ja letztlich, nein, "letztendlich" egal. Was aber sollen wir von einem "Gipfeltreffen nachwachsender Rohstoff-Experten" oder von "Spezialisten für freilaufende Eier" halten?
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2019NEUE TASCHENBÜCHER
Deutsch
kann allemal weg
Mit boshafter Präzision analysiert Eike Christian Hirsch die Ausgeburten des „neuen Deutsch“ – in einer erschöpfenden Litanei aufgespießt die Fundstücke lässiger bis schludriger Sprech- und Sprachgewohnheiten, wie sie sich eingebürgert haben in den Echoräumen der Medien und der Politik, in Redensarten vieler Menschen. Der Autor, mehrfach mit „Deutschkritik“ instruktiv hervorgetreten, kann sich auf seine durchweg beklemmende Beobachtung notorischer Sprachverklemmungen verlassen. Beispielsweise, wenn er den Aufstieg des Begriffs „authentisch“ mit dem Niedergang von „echt“ kurzschließt, also im Dunstkreis der Politiker: „Die sind nur authentisch, wenn sie ein wahres, richtiges Leben führen. Etwas viel verlangt. Unverstellt, ehrlich und natürlich reicht nicht mehr.“ Der frühere Rundfunkredakteur kennt die „radikale Übertreibung“ in den Werbesprachen: „Auto überschlägt sich: Insassen im Glück“ – hat er einmal gelesen: Klar ist ihm der hier verwischte Unterschied von „Glück gehabt“ und „mein Glück gefunden“. Die Engländer besäßen dafür ja zwei Wörter: luck und happiness. Sie tun sich, wenigstens darin, leichter als die Deutschen. WOLFGANG SCHREIBER
Eike Christian Hirsch:
Ist das Deutsch oder kann das weg? Die schönsten Einfälle des neuen Deutsch. C. H. Beck,
München 2019.
156 Seiten, 12,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Deutsch
kann allemal weg
Mit boshafter Präzision analysiert Eike Christian Hirsch die Ausgeburten des „neuen Deutsch“ – in einer erschöpfenden Litanei aufgespießt die Fundstücke lässiger bis schludriger Sprech- und Sprachgewohnheiten, wie sie sich eingebürgert haben in den Echoräumen der Medien und der Politik, in Redensarten vieler Menschen. Der Autor, mehrfach mit „Deutschkritik“ instruktiv hervorgetreten, kann sich auf seine durchweg beklemmende Beobachtung notorischer Sprachverklemmungen verlassen. Beispielsweise, wenn er den Aufstieg des Begriffs „authentisch“ mit dem Niedergang von „echt“ kurzschließt, also im Dunstkreis der Politiker: „Die sind nur authentisch, wenn sie ein wahres, richtiges Leben führen. Etwas viel verlangt. Unverstellt, ehrlich und natürlich reicht nicht mehr.“ Der frühere Rundfunkredakteur kennt die „radikale Übertreibung“ in den Werbesprachen: „Auto überschlägt sich: Insassen im Glück“ – hat er einmal gelesen: Klar ist ihm der hier verwischte Unterschied von „Glück gehabt“ und „mein Glück gefunden“. Die Engländer besäßen dafür ja zwei Wörter: luck und happiness. Sie tun sich, wenigstens darin, leichter als die Deutschen. WOLFGANG SCHREIBER
Eike Christian Hirsch:
Ist das Deutsch oder kann das weg? Die schönsten Einfälle des neuen Deutsch. C. H. Beck,
München 2019.
156 Seiten, 12,95 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2019Triftige Sprachkritik
Eike Christian Hirsch ist ein aufmerksamer Hinhörer auf die Sprache, und die richtige Einstellung hat er auch - denn er eifert nicht. Zum Beispiel, wenn sich etwas aus dem Englischen zeigt. So stellt er in seinem neuen Buch eine Liste von deutschen Wendungen, die aus dem Englischen übernommen sind, zusammen und hat nichts gegen sie einzuwenden - auch nicht gegen das oft geschmähte "das macht Sinn". Und ist es nicht auch absurd, etwas abzulehnen, nur weil es Entsprechendes auch im Englischen gibt? Es geht also um Sprachkritik. Und gerade als Sprachwissenschaftler begrüßt das der Rezensent, umso mehr, als sich die Sprachwissenschaft kaum für Sprachkritik interessiert. Denn sie will nur wissen, wie eine bestimmte Sprache aufgebaut ist, wie sie sich herausgebildet hat.
Doch Vernunft gibt es auch außerhalb der Wissenschaft, und Hirsch bringt sie gut in Anschlag. Er breitet eine Fülle von ganz verschiedenen, triftigen Beispielen, von "Sprachunfällen", wie er auch sagt, aus von dem harmlosen, aber doch eigentlich etwas unangebrachten "Sie dürfen sich noch ins Wartezimmer setzen!" der Arzthelferin bis hin (und dies ist nun wahrlich ernst) zum im Grunde skandalösen Gebrauch des Wortes "Holokaust". Ursprünglich meinte dieses griechische Wort, das ein hebräisches des Alten Testaments übersetzt, eine fromme Handlung, nämlich die Gott als gefälliges Opfer dargebrachte "Gesamtverbrennung" eines Tiers. Dass dieses Wort zur Bezeichnung für das Verbrechen der Judenvernichtung werden konnte, geht darauf zurück, dass es im Englischen früh die Bedeutung "Katastrophe" erhielt. Aber es gibt ja neben ihm, das ebenfalls gebräuchliche, direkt dem Hebräischen entlehnte Wort "Schoa", das von vorneherein - und zwar im Bild eines verderblichen Sturms - "Katastrophe" bedeutete.
Der Rezensent hat dies übrigens schon vor Jahren dargelegt und freut sich über die Übereinstimmung. Und er findet auch sonst, von wenigem abgesehen, in diesem für Sprachfreunde sehr lesenswerten und auch unterhaltsamen Buch kaum Anlässe zum Widerspruch. Darlegungen wie die zu "Holokaust" stoßen auf den richtigen Einwand, dass man eine üblich gewordene Redeweise kaum mehr wieder loswird. Richtig ist aber auch, dass zumindest der Einzelne sich weigern kann, Dinge so zu sagen, wie sie die meisten sagen. Dies gerade gehört zur Freiheit von Sprechern.
HANS-MARTIN GAUGER.
Eike Christian Hirsch: "Ist das Deutsch oder kann das weg?"
Die schönsten Einfälle des neuen Deutsch.
C. H. Beck Verlag, München 2019. 156 S., br., 12,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eike Christian Hirsch ist ein aufmerksamer Hinhörer auf die Sprache, und die richtige Einstellung hat er auch - denn er eifert nicht. Zum Beispiel, wenn sich etwas aus dem Englischen zeigt. So stellt er in seinem neuen Buch eine Liste von deutschen Wendungen, die aus dem Englischen übernommen sind, zusammen und hat nichts gegen sie einzuwenden - auch nicht gegen das oft geschmähte "das macht Sinn". Und ist es nicht auch absurd, etwas abzulehnen, nur weil es Entsprechendes auch im Englischen gibt? Es geht also um Sprachkritik. Und gerade als Sprachwissenschaftler begrüßt das der Rezensent, umso mehr, als sich die Sprachwissenschaft kaum für Sprachkritik interessiert. Denn sie will nur wissen, wie eine bestimmte Sprache aufgebaut ist, wie sie sich herausgebildet hat.
Doch Vernunft gibt es auch außerhalb der Wissenschaft, und Hirsch bringt sie gut in Anschlag. Er breitet eine Fülle von ganz verschiedenen, triftigen Beispielen, von "Sprachunfällen", wie er auch sagt, aus von dem harmlosen, aber doch eigentlich etwas unangebrachten "Sie dürfen sich noch ins Wartezimmer setzen!" der Arzthelferin bis hin (und dies ist nun wahrlich ernst) zum im Grunde skandalösen Gebrauch des Wortes "Holokaust". Ursprünglich meinte dieses griechische Wort, das ein hebräisches des Alten Testaments übersetzt, eine fromme Handlung, nämlich die Gott als gefälliges Opfer dargebrachte "Gesamtverbrennung" eines Tiers. Dass dieses Wort zur Bezeichnung für das Verbrechen der Judenvernichtung werden konnte, geht darauf zurück, dass es im Englischen früh die Bedeutung "Katastrophe" erhielt. Aber es gibt ja neben ihm, das ebenfalls gebräuchliche, direkt dem Hebräischen entlehnte Wort "Schoa", das von vorneherein - und zwar im Bild eines verderblichen Sturms - "Katastrophe" bedeutete.
Der Rezensent hat dies übrigens schon vor Jahren dargelegt und freut sich über die Übereinstimmung. Und er findet auch sonst, von wenigem abgesehen, in diesem für Sprachfreunde sehr lesenswerten und auch unterhaltsamen Buch kaum Anlässe zum Widerspruch. Darlegungen wie die zu "Holokaust" stoßen auf den richtigen Einwand, dass man eine üblich gewordene Redeweise kaum mehr wieder loswird. Richtig ist aber auch, dass zumindest der Einzelne sich weigern kann, Dinge so zu sagen, wie sie die meisten sagen. Dies gerade gehört zur Freiheit von Sprechern.
HANS-MARTIN GAUGER.
Eike Christian Hirsch: "Ist das Deutsch oder kann das weg?"
Die schönsten Einfälle des neuen Deutsch.
C. H. Beck Verlag, München 2019. 156 S., br., 12,95 [Euro].
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