Der ehemalige Finanzvorstand und langjährige Wirtschaftsprüfer Volker Frühling veröffentlicht sein zweites Buch und befasst sich darin intensiv mit den negativen Seiten des Neoliberalismus. Aus der Sicht dieses Wirtschaftspraktikers gefährdet Neoliberalismus die bürgerliche Gesellschaft fundamental.
Rahmenhandlung ist im Wesentlichen ein fiktiver Dialog zwischen einem heute lebenden…mehrDer ehemalige Finanzvorstand und langjährige Wirtschaftsprüfer Volker Frühling veröffentlicht sein zweites Buch und befasst sich darin intensiv mit den negativen Seiten des Neoliberalismus. Aus der Sicht dieses Wirtschaftspraktikers gefährdet Neoliberalismus die bürgerliche Gesellschaft fundamental.
Rahmenhandlung ist im Wesentlichen ein fiktiver Dialog zwischen einem heute lebenden Protagonisten namens Max und einem Immanuel, der bereits in der Zukunft, in 2115 lebt. Immanuel ist also dem Max um 100 Jahre Erfahrung voraus und schildert entsprechend, wie sich in dieser Zeit Wirtschaft und Wirtschaftspolitik gegenüber 2015 verändert haben. Eine weitere Bankenkrise ("mindestens so verheerend wie 2008") war dabei der Umkehrpunkt für wesentliche Systemveränderungen.
Der Einstieg über die "Zeitreisenden" ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch wird der Leser überrascht sein, wie schnell das Gespräch ein anspruchsvolles Niveau erreicht.
Nicht nur ein profundes Fach- und Hintergrundwissen muss man dem Autor bestätigen, auch einen enormen Fleiß beim Studieren der heute gedachten wirtschaftlichen Alternativmodelle. Frühling lässt nichts an relevanten Themen aus und bietet dazu umfangreiche Informationen. Kapitelweise erfahren wir anspruchsvolle Analysen u.a. zur Wirkung des Neoliberalismus, von Verschuldung, Steuersystem, Versorgung als öffentliche Aufgabe, Grund und Boden. Recht lesenswert sind auch seine Ausführungen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Den "Marktgläubigen" begegnet Frühling mit großer Skepsis. Anhand diverser Beispiele zeigt er, dass die immer wieder bemühte "unsichtbare Hand" nach Adam Smith ihre lenkende Wirkung nicht entfaltet.
Mit dem aus seiner Sicht heutigen "Raubtierkapitalismus" im Kleid des Neoliberalismus geht er hart ins Gericht. "Kein Gedankengebäude von Bedeutung ist so schamlos wie der ökonomische Neoliberalismus", folgert er. Den auf nationaler und internationaler Ebene verantwortlichen Politikern attestiert er eine allgemeine Wirtschaftshörigkeit. Wettbewerb als großen Innovator und Heilsbringer? Frühling begründet seine Ablehnung und sieht ihn heute primär als akzeptiertes und überaus wirkungsvolles Herrschaftsinstrument.
Zum Hauptfaktor der Einkommens- und Vermögensballung erklärt er neben einer verfehlten Steuerpolitik die Finanzwirtschaft mit ihrer Zinseszinsmaschinerie. Er spricht von einer Ungleichheit in einem Ausmaß wie zurzeit feudaler Verhältnisse um 1900.
Worum geht es dem Autor? "Es geht darum, die eklatanten Fehlentwicklungen aufzufangen oder zu verhindern. Es müssen Wege gefunden werden, positiven Wertvorstellungen wieder Geltung zu verschaffen und der Gier, der Verantwortungslosigkeit, der Reduzierung des Denkens auf simple Nützlichkeiten einen ethisch begründeten Riegel vorzuschieben."
Der humanistisch geprägte und partizipativ denkende Autor will Mut machen, den Sinn und die Verantwortung unseres heutigen Konsums, unseres Wirtschaftens und politischen Gestaltens zu hinterfragen. Bürger sollen scheinbar wirtschaftliche Aspekte nicht mehr einfach als solche hinnehmen und damit auch nicht mehr die darin verdeckte Machtausübung akzeptieren. Über seine Analyse und anschließend auch über konsequente Alternativen nachzudenken – dazu gehört tatsächlich Mut! Den macht auch sein Motto: "Es gibt immer eine Alternative! Man muss sie nur zu denken wagen." Ohne Zweifel ist es wieder ein "aufklärerisches" Buch und auch hier gilt "Sapere aude!" - Mut zum Selberdenken!
Wem kann man das Buch empfehlen? Ohne Frage allen, die mit den aktuellen, meist wirtschaftlich begründeten Auswüchsen unserer Gesellschaft unzufrieden sind und in Verantwortung um die Zukunft einer lebenswerten Bürgergesellschaft "nach vorne", an Alternativen denken wollen. Genauso allen, die unser heutiges Wirtschaftssystem bewahren möchten, um die jetzigen Schwachstellen aufgezeigt zu bekommen und ihren Blick für notwendigen Handlungsbedarf zu schärfen und berechtigte Korrekturen wirtschaftlich und politisch einzufordern.